Katharina Brendle an Balbina Gstöhl über den Tod ihrer Mutter Maria Katharina durch Herzschlag, den Tod ihres Vetters Philip Jakob Helbert durch einen Unfall, über die Einsetzung von Wilhelm Wösle als Pfarrer in Eschen, Eheschliessungen und Todesfälle in Eschen, ein angeblich bei der verstorbenen Magdalena Gstöhl erschlichenes Testament sowie den Diebstahl einer goldenen Uhr in Ruggell
Handschriftliches Originalschreiben der Katharina Brendle (Maria Katharina Gerner [-Brendle]), Eschen, an ihre Firmpatin Balbina Gstöhl (Maria Balbina Öhri [-Gstöhl]), Spencer (Nebraska) [1] o.D. (ca. Ende Januar 1909), Eschen Geehrte Firmpathin! Habe am Beerdigungstage 16. J. [Januar 1909) von Eurer Base [Magdalena Gstöhl], durch Johann Ritter von Euch lb. Pathin einen Gruss [2] erhalten was mich unendlich freute u. zugleich zu Tränen rührte, weil ich so nach dachte, wie es so sei im fremden Lande, dass man von dem Hergange in der Heimat erst Alles erfährt wenn es schon lange zu spät ist. Am Sonntag den 17. J. wurde mir noch das Glück zu teil Euren Brief selbst zu lesen, den Ihr noch an Eure Base geschrieben habt u. zugleich Eure werthe Ard: [Adresse] zu erfragen. Habe in dem Briefe gelesen, dass Ihr noch glaubt mich beleidigt zu haben, das ist nie- mals der Fall meines Stillschweigens, sondern Ihr habt in einem Briefe von mir nähere Auskunft von Eurer Schw. [Martina Hartmann [-Gstöhl]] verlangt u. wäre gewiss recht gerne bereit gewesen Euch lb. Pathin darüber Ausschluss zu geben wenn ich nur Gelegenheit gehabt hätte die Wahrheit zu erfahren nur Lügen wollte ich nicht schreiben. Somit wurde es spät Sommer bis ich Alles genau erforscht, war den fest entschlossen Euch zu schreiben. Da hat uns der lb. Gott so schwer heimgesucht, dass er plötzlich unsere lb. Mutter [Maria Katharina Brendle [-Helbert]] von dieser Welt abrief Das war ja herzzerreissend, so eine gesunde starke Frau von erst 57 Jahren so sterben sehen. Sie hatte noch (das war am 1. August 1907) morgens 5 Uhr Feuer gemacht, den Schweinen gemacht u. Kaffee hergerichtet, worauf es ihr übel wurde u. sie sich zu Bette legte u. um halb 6 Uhr war sie schon als Leiche aufgebaart ein Herzschlag hatte sie getrofen Ihr könnt Euch denken dieser herbe Verlust so uner wartet schnell hat in mein Herz eine unheilbare Wunde gerissen. u. ich war im ersten Schmerz nicht einmal im Stand Euch Miteilung hievon zu machen Habe sogar nicht einmal meinen Kousinen [3] Anna [Anna Maria Flory [-Beeler, -Helbert]] u. Karolina Helbert [Maria Karolina Needham [-Helbert]] zu schreiben sie sind auch beide in Amerika. Später habe ich mir gedacht, weil Ihr geschrieben, dass Ulrich [Öhri] auf Reisen sei, Ihr seid am End an einem andern Ort jetzt warte ich bis Ihr einmal schreibt sei es den Eurer Base od. mir. Habe den im letzten Jahr u. auch noch im Sommer an Eurer Base gefragt, ob noch nichts gekommen sagte sie immer nein. Jetzt will den einbringen was ich versäumt u. bitte Euch um gütige Entschuldi- gung. Was unsere Familie anbetrifft, bestehend nur noch aus 2 Gliedern, der lb. Vater [Josef Brendle] u. ich, sind wir gesund. Die andern Schw. mit ihren Ange- hörigen sind Gott sei Dank gesund. Berta [Hasler [-Brendle]], Josefa [Maria Josefa Dredla [-Brendle]], Emilia [Kaufmann [-Brendle]], Magdalena [Maria Magdalena Laternser [-Lorenz, -Brendle]] sind in Rorschach es geht ihnen recht gut. Magdalena ist seit am Septenber auch ver- heiratet. So wie es sich bei uns in zirka 10 Jahren verändert hat ich darf gar nicht daran denken, sonst wirbelts in meinem Kopfe. Am 6. Dezember 1908 ist unser Vetter [Philip Jakob] Helbert auch verunglückt. [4] Er ging mit Alois Kaiser von Mauren in Ried hinaus um ein Fuder Streue zu laden am Heimweg (…) [5] das Fuder um, der Länge nach in einen Graben u. der Vetter kam so unglücklich unter das Fuder zu liegen so dass er eines gewaltsam- men Todes sterben musste. Das sind harte Schicksaals- schläge. Der genannte Kaiser ist ein gebürtiger Schel- lenberger er hat sich nur nach Mauren verheiratet mit Sepp Öhris Mari vielleicht sind sie Euch noch bekannt. Letztes Jahr am 23. Februar [1908] hatten wir einen neuen Pfarrer [Wilhelm Wösle] bekommen er war 17 Jahre in Vaduz als Kaplan. Es ist seither kein Jahr u. hat man schon 21 Personen zu Grabe getragen. Will noch einige nennen die ich glaube, dass Ihr’s noch kennt. Asper Franzseppa Senz [Kreszentia Gerner [-Batliner]] war 3 Jahre mit Enderlis Franzsepple [Franz Josef Gerner] verheiratet, sie hinterlässt 2 Kinder, sie starb an Lungenschwindsucht im Alter von erst 27 Jahr dan der [6] Hoopa Kobele, schiderle Marx, Peterhansa Agath, Seplunzis Mariana [Maria Anna Kranz [-Gerner]], auf Schönbühl, Martin Gerner (Hensas) [Franz Martin Gerner], Kemifeger Jogele [Jakob Meier] ab Berg, Schächlis Rösle [Rosina Gerner [-Schächle]] hab Euch, das letztmal geschrieben, dass es mit Ritters nach Amerika sei, war dan 1 ½ Jahr [7] dort sie war mit Gerner Josef [Josef Gerner] verheiratet. Im Febru 1908 wurde ihr ein Mädchen geboren, hernach [8] erkrankte sie u. im Juni brachte er sie in die Heimat. im Sept. reisste er wieder nach Amerika u. sie starb hier am am 2. Jänner [1909], das Kind [Elise Maria Rosina Hässig [-Gerner]] hat Gerners Luis. Schächli Toma Stefan [Stephan Schächle] war diesen Herbst auch hier auf Besuch er solls auch recht schon haben. er sei 29 Jahre in Amerika. [9] Habt Ihr ihn noch ge- kannt? Wan kommt Ihr einmal? Jetzt hab ich keine Hoffnung mehr. O, hättet Ihr das Glück gehabt diesen Sommer in Eure Heimat zu kommen gewiss hättet Ihr das Vermögen von Eurer Base bekommen anstatt dem Hans. Aber der Martina hätt‘ sies ja auch geben können. Ihr Mann hat sie ja im Herbst besucht u. ihr dem Antrag gestellt Martina könne heraus komen od. sie können sie hinein nehmen sie hatte alle möglichen Ausreden man hatte schon vor etlichen Jahren profezeit, dass Ritters einmal die Hauptsache bekommen werden. Sie hat den aber glaube ich ihr unkluges Vorgehen noch bitter gebüsst. An Allerheiligen hatte sie der Hans hinunter u. am 2. Tage musste schon das Testament gemacht werden (wie unverschämt) was nicht einmal gültig wäre wenn es zum Rechten käme, weil nur die eigenen dahin (…) [10] stecken, sowie Josef Hasler (Josepas) u. Andreas Meier (Bergjoglis) dan hatt man noch dem Wagner Wilhelm [Wilhelm Adam Marxer] gerufen zum unterschreiben, war Alles schon fertig geschrieben. Hernach hat man’s Ihr anders gemacht so 2-3 mal durften sie ihre Freundinen besuchen weil sie’s immer verlangt, sie müssen ihr zum zopfen kommen, nun das hat man geschehen lassen weil es dem Hans seiner Frau geekelt hat, u. sie glaubte ausser Hansa Ursula [Ursula Gerner [-Hasler]] u. Bergjoglis Sefa [Maria Josefa Meier] könne es niemand diese hatte die Ehre schon den ganzen letzten Winter u. Sommer gehabt weil es ihr in der Achsel fehlte konnte sie nicht in die Höhe langen. Jetzt müsste es aber anders kommen. Die Base habe dan so er- zählt wie sie’s habe u. was sie gemacht habe u. wie es sie reue, dass war aber nur einmal, dan hat niemand mehr unbewacht bei ihr gelassen, so war Ursula u. Josefa noch etwa 2 mal bei ihr, als dan öffnete sich die Türe für Kranken Besuche nicht mehr, ausser dem geistlichen. Hans lies ausgehen man könne niemand zu ihr lassen sonst lärme sie die ganze Nacht. Er hat Euch vielleicht auch so ähnlich von [11] ihr geschrieben. Aber das Lärmen kam daher weil sie niemand zu ihr gelassen. Bergjoglis Sefa sagte einmal zu ihr, an Balbina u. Martina hätte sie schon mehr denken sollen, sie hatte ihr wollen mehr ans Herz reden aber da kam Hans gleich, man hätte sie sonst auf den Gedanken bringen können dass die Sache noch zu endern wäre, hätte es vielleicht auch getan wann man sie nicht so eingeschränkt hätte. Man hat ihr natürlich schon bessere Pfleg‘ versprochen, als sie wirklich genossen. Kein Mensch hatte kein Bedauern mit ihr, jedes sagte: Wäre sie in’s Bür- gerheim u. hätte sie sich dort verpfegen lassen wie es schon etliche gemacht, um 90 kr od. wenn sie auch 1 fl. bezahlt hätte, wäre sie dan gewissenhaft ver- pflegt worden. Sie hätte nur verlanga dürfen sei es den Tag od. Nacht u. besuchen hätte sie dürfen wer nur wollte u. das Vermögen hätte den auch haben können wo es gehört hätte. Der Hans hat in den 10 Wochen schon schön verdient man rechnet‘s ihm so beiläufig auf 3000 fl. Kann ihm auch noch mehr treffen, u. man kann sagen so leicht verdient (…) [12] auf der Gasse gefunden, wen man keine einzige Nacht opfern dürfte nicht einmal die letzte, da hat er sich noch des andern Morgens da rüber aufgehalten er sei bis 2 nicht zur Ruh‘ gekommen, am Nach- mittag daruf ist sie dan gestorben, sonst muss man oft Wochen u. Monate sich den Kranken hinopfern Tag u. Nacht bei ihnen sein u. tut’s gewiss auch gern wenn man ihnen nur noch ein wenig das Leben erleichtern kann. Martina hat er angegeben, wenn er nicht so für Euch beide fürgesprochen hätte, hättet ihr gar nichts bekommen. Wer’s glaubt meint es sei wahr! sagte ich zu ihr. Die ganze Gemeinde empört sich darüber, ob solcher Unverschämtheit. Wenn keine rechtmässige Erben da gewesen, verhielt sich die Sache ganz anders. Wenn man soviel erben kann hat es den nur 8 Messen leiden mögen. So wenig hat niemand mehr 12-15-20 zahlt man jetzt man ist jetzt reicher wie früher. Spass bei Seite sagt der Nagler! Es ist ja hl. Pficht den Verstorbenen zu helfen so viel in unsern Kräften liegt. Den Brief von Euch hat man ihr auch nicht zu lesen gegeben, das würde [13] sie zu stark aufregen, hiess es immer. So geht’s wenn man sich von fremden Leuten bethören lässt. So bei Euch wird er jetzt, soviel ich gehört, schon für ge- sprochen haben für Martina. wenn er ja meint sie sei’s notwendig, so soll er etwas hergeben. Will jetzt mit dem schliessen, u. bitte Euch, ja von dem All‘ was ich Euch mitgeteilt habe ja keinen Gebrauch zu machen, weil sie sonst gleich wüssten, dass es von mir kommt. Viele Grüsse von Veronika Kranz Risch, sie übergab mir Euch die Wahrheit mitzutei- len, damit Ihr wisst woran Ihr haltet es ist Alles Wahrheit. Veronika sagte, die Le Ritters habe einmal zu ihr gesagt, das ist jetzt doch, dass die Martina nicht kommt, sie sagte: wie kann sie kommen wenn sie nichts weiss, worauf Le sagte wir haben ihr geschrieben. Martina sagte sie habe nie einen Bericht bekommen sonst wäre sie sicher gekommen. Das durfte nicht sein, dan hätte man der Base nicht einreden können jetzt haben wir ihr geschrieben u. sie kommt nicht einmal. Mar- tina wird Euch Ihre Gedanken schon mitgeteilt haben (…) [14] efarlis Paulina hat auch geheiratet mit Jogli Michels Hans, diese waren gewiss nicht mehr zu jung, wenn ich einmal so alt wäre hätte ich keine Heiratsgedanken mehr, aber eben ich habe halt auch kein so reicher Vetter in Aussicht. Schächlis Wilhelm [Wilhelm Schächle] hat auch geheiratet mit Wirts Gstöhla Cila [Cäcilia Schächle [-Gstöhl]]. u. Schächlis Adalina mit einem Müss- ner von Bendern. Franza Michels Nikolaus hatte auch am 18. Jän Hochzeit gefeiert mit Chresostis Albert- ina, natürlich von Ruggell. bei Chresostis ist jetzt nur mehr der Martin u. Ludwina daheim. Pfeifers Josef [Josef Pfeiffer] hat man letzte Woche 15. J. auch seine Frau [Katharina Pfeiffer [-Amman]] beerdigt sie war nur 1 Tag krank sie hinterlässt 2 Knaben [Josef Pfeiffer, Albin Pfeiffer] u. 1 Mäd. Will Euch noch ein Ereignis mitteilen, dass sich letzten Herbst in Ruggell zu getragen: Es war im Juni 1907 als in Ruggell eine Sängerfahnenweihe statt fand. Schwertwirts Tochter Isabela durfte Fahnenpatin sein. Da gings sehr nobel her alles hatte der gegenwärtige Herr Pfarrer [Martin Kloo] bezahlt. Er hatte dan der Fahnenpatin anstatt den Sängern ein Geschenk verabreicht, nämlich eine Goldene Uhr samt Kette auch selbst bezahlt. Nicht lange dauerte es war ihr die Uhr samt Kette abhanden ge- kommen. Alle Erforschungen blieben erfolglos. Endlich die. [15] Sommer fassten sie Verdacht auf Agatha Gschwender [Agatha Gschwenter] Dietrichs Agatha genannt [16] weil sie Sebastian Dietrichs gross gezogen Diest Agatha hatte nämlich schon mehr als 10 Jahren an Sonn- u. Feiertagen im Schwert als Aushilfskelnerin sie schöpften auf diese Verdacht weil sie glaubten ausser Agatha könne sie niemand haben, weil ein ganzes Jahr alle Erforschungen erfolglos geblieben, da s ja in allen Zeitungen, Pfarrämtern u. Uhrengeschäftern angezeigt war. Nun Agatha wurde eines schönen Tages im August polizeilich dem Gerichte üeberliefert, als- den verhört, wo sie mehrmalen ihre Unschuld betheu- erte. Sie wurde eingesteckt u. jeden Tag verhört aber sie blieb immer auf dem gleichen. Tag u. Nacht habe sie laut geweint, sagte der Kerkermeister so habe noch keines gethan u. er habe noch keinen Augenblick an ihrer Unschuld gezweift. Endlich am 5. Tage wurde sie mit Verdacht entlassen. Jetzt solls anders kommen. Im Okotb. wurde die Uhr vom Pfarramte Winterthur dem Pfarramte Ruggell übersannt. Es wurde nach ge- forscht u. stellte sich heraus, dass rothen Näscher Sohn (in der Nähe von Winterthur verheiratet) einmal auf Besuch kam u. sich diese Kostbarkeit aneignete u. (…) [17] Abend selbe seiner Frau übergab, er habe sie in St. [18] Gallen am Bahnhof gefunden. Die gute Frau trug die Uhr, ohne ihrem Mann etwas davon zu sagen auf das Pfarramt Winterthur. Somit kams dann zur Krimin- nalverhandlung u. wurden ihm 4 Mt. Zuchthaus ver- sprochen u. Agatha ihre Unschuld war nun am Tage. So solls immer kommen. Vielleicht habt Ihr das schon längst vergessen, aber nun das Papir ist jetzt ei- mal voll. Grüsst mir auch Madl. [Magdalena Connot [-Öhri]] Andr. [Andreas Öhri] Ulirich [Ulrich Öhri] u. Eure Kinder. Wir hatten heuer eine gute Ernde gehabt Obst u. Wein gab es zur Genüge, des war schon vielle Jahre nicht mehr. Sind Eure Kinder recht gross u. stark. Schreibet mir recht bald, Schniderlis Marilie fragt Euch oft nach, ganz besonders dem Ulrich diesen kann sie jetzt immer noch nicht vergessen. Der muss ihr schon einmal lieb gewesen sein. Schliesse mein Schreiben in der Erwartung, dass Euch diese Zeilen gesund antreffen wie sie uns verlassen mit einer Empfehlung in Euer Gebet Martina ihr Töchterchen sieht Euern 2 gleich alten Buben ganz gleich u. sauberes Kind. Vater u. Kath. Brendle
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[1] LI LA PA 016/3/04/13. [2] Ursprüngliche Fassung: „Gruẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt. [3] Seitenwechsel. [4] Laut Eschner Familienbuch, Bd. I, S. 159-160, am 5.12.1908. [5] Fehlstelle im Papier. [6] Durchstreichung. [7] Durchstreichung. [8] Seitenwechsel. [9] Durchstreichung. [10] Fehlstelle im Papier. [11] Seitenwechsel. [12] Fehlstelle im Papier. [13] Seitenwechsel. [14] Fehlstelle im Papier. [15] Seitenwechsel. [16] Vgl. LI LA J 010/AG 1908/14. [17] Fehlstelle im Papier. Vermutlich „am“. [18] Durchstreichung.
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