Protokoll der Landtagssitzung vom 16. und 17. November 1910, Auszug aus der Budgetdebatte [1]
17.11.1910
Landesbugdet für das Jahr 1911
Zum Titel „Schulwesen" wird der von der Finanzkommission zur Annahme empfohlene Regierungsantrag, die Bezüge der hierlands wirkenden Lehrschwestern zu erhöhen (und zwar für eine Lehrschwester mit Lehrbefähigungszeugnis auf K 800, für eine solche mit Reifezeugnis auf K 600 und für eine Kindergärtnerin auf K 500) verlesen.
Der Präsident [Albert Schädler] befürwortet diesen Antrag und bringt die diesbezüglichen Gesetzesbestimmungen in Tirol und Vorarlberg, welche die Bezüge der Lehrschwestern in der beantragten Höhe regeln, zur Kenntnis.
Abg. Dr. [Alfons] Brunhart bemängelt, dass von den Lehrschwestern der religiöse Stoff auf Kosten der andern Fächer zu sehr in den Vordergrund trete. Ferner wünscht er, dass in den Schulen zu Balzers und Triesenberg statt der dritten Lehrschwester ein Lehrer angestellt werde, womit die derzeit im Auslande befindlichen einheimischen Lehrkräfte hier Stellung finden und die Unterrichtserfolge verbessert werden könnten.
Der Regierungskommissär [Karl von In der Maur] entgegnet, dass im Landesschulrate schon früher einmal Erörterungen angestellt worden seien über die Anstellung von Lehrern statt je einer dritten Lehrerin in Balzers und Triesenberg. Jetzt befinden sich bei uns fast lauter geprüfte Lehrerinnen im Amte [3] und man könne mit ihren Lehrerfolgen durchaus zufrieden sein. Der Landesschulrat sei immer eingeschritten, wenn ihm offenkundige Mängel zur Kenntnis gelangt seien; die einzelnen Lehrkräfte seien an die für jede Schule festgesetzten Stunden und Unterrichtspläne gebunden, werden in dieser Hinsicht auch vom Herrn Schulkommissär [Johann Baptist Büchel] überwacht und Klagen über Nichteinhaltung dieser Pläne seien bisher nicht eingelaufen; übrigens werde dem Gegenstande weiterhin eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden.
Der Präsident glaubt, dass solche Fragen wohl am besten vom Landesschulrate zu behandeln wären. Vom budgetären Standpunkte aus müsse betont werden, dass die Landeserfordernisse für das Schulwesen bereits jährlich mehr als K 60'000 betragen. Mit der vor 2 Jahren notwendig gewordenen Regulierung der Gehalte der Lehrer sei das Budget mit einem Mehr von K 8'000 belastet worden. Mit der gewünschten Anstellung neuer Lehrer wäre eine weitere Steigerung im Schuletat zu gewärtigen. Man müsse daher bei der vielseitigen Inanspruchnahme der Landeskasse die notwendige Rücksicht auf das Budget betreffs alljährlich wiederkehrender Ausgaben nicht aus den Augen verlieren.
Hierauf wird der Regierungsantrag betreffend die Erhöhung der Bezüge der Lehrschwestern einstimmig angenommen.
______________
[1] Abgedruckt in Liechtensteiner Volksblatt vom 2.12.1910, S. 6.
[2] Vgl. dazu die tabellarische Übersicht zu den Lehrschwestern und Kindergärtnerinnen aus Zams vom November 1910, aus der sich ergibt, dass die Lehrschwestern die Hälfte dessen bekamen, was ihre männlichen Kollegen erhielten.