Das „Liechtensteiner Volksblatt“ betont, dass der Lehrplan der Landesschule Vaduz besonders auf die Berufspraxis ausgerichtet sein müsse (1)


Abhandlung im „Liechtensteiner Volksblatt“ [1]

31.5.1918

Die Landesschule in Vaduz

I.

Wohl einem Volke, wenn es für Schulbildung und Schulentwicklung Interesse zeigt. Es wird ihm nicht zum Schaden, sondern zum grössten Nutzen gereichen. Das zeigt die ungeahnte Entwicklung des deutschen Reiches, zeigt das hohe Ansehen, das die Schweiz mit ihren ausgezeichneten Schulen geniesst. Der Aufschwung aller Zweige der Wissenschaft, der Technik, des Wirtschaftslebens und Handels in neuerer Zeit lassen denn auch nur den eine gute Zukunft erhoffen, der das Glück hatte, in der Jugend etwas Ordentliches zu lernen. Die Jugend, die infolge des Krieges allerorts zu verrohen droht, wird umso eher in gute Bahnen geleitet werden können, je besser ihre Schulung war. So hat wie Schule also auch den Zweck, für das Edle und Schöne zu begeistern, nicht nur materielle Kenntnisse zu vermitteln; sie soll Keime edlen Samens legen, auf dass sie einstens aufgehen mögen und den Mann nicht nur zum tüchtigen Arbeiter an seinem und der Mitmenschen Wohle, sondern auch zu einem edlen Charakter, einem Ehrenmanne machen. Manche dieser Kenntnisse und Keime vermittelt und legt schon die Volksschule. Doch eben nur bis zu einem gewissen beschränkten Masse. Und jeder, der es irgend machen kann, soll seinen Kindern nicht eine Schranke setzen, sondern trachten, ihre Kenntnisse zu erweitern, sodass sie möglichst gewappnet den Kampf ums Dasein aufnehmen können. Und sind manche dieser Kinder so glücklich, sich auf heimatlicher Scholle eine gesicherte Existenz zu gründen, so ist auch für sie eine möglichst hohe Bereicherung ihres Wissens schon in der Jugend nur von Vorteil, denn die neuzeitliche Entwicklung lässt sich nicht aufhalten, Stillstand ist Rückschritt, und der Kampf mit der Konkurrenz wird auch in unserem Lande immer stärker einsetzen. In vielleicht noch höherem Masse aber gereicht eine möglichst hohe Jugendausbildung jenem zum Segen, der hinaus muss ins feindliche Leben, hinaus in die Fremde. Dort wird erst das Leben und sein Kampf oft mit brutaler Gewalt ihn anfassen, dort wird er, in kalter Umgebung, unter hastenden Fremden erst einsehen, wie not ihm die starke Waffe der Kenntnisse und des Charakters tut. Und wie vielen unserer Söhne und Töchter winkt das Los, ihr Brot in der Fremde zu suchen! Und wie viele Möglichkeiten stehen ihnen offen, sich mit Fleiss und Verstand auch fern der Heimat durchs Leben zu schlagen!

Zu all diesen Möglichkeiten nun, in der Heimat und in der Fremde, sollen für unsere jungen Leute die sogenannten höheren Schulen die breitere Grundlage legen. Und gerade die Landesschule in Vaduz wäre also berufen, für unser Volk von grösstem Nutzen zu sein. Sie könnte mit der Zeit und mit gutem Willen vonseite des Volkes und der massgebenden Stellen zu einer Zentralschule für das ganze Land werden. Sie sollte jene breite Grundläge bilden zu den Berufen, die die allermeisten unserer Landsleute zu erwählen gewöhnt sind. Aber eben auch nur die Grundlage bilden. Gerade dadurch, dass sie bei unseren kleinen Verhältnissen die einzelnen Fachschulen bis zu einem gewissen Grade ersetzen oder vielmehr eher darauf vorbereiten soll, eben dadurch wird es ihr versagt sein müssen, den jungen Leuten in dem oder jenem Fache eine abgeschlossene Bildung zu vermitteln.

Unsere Landesschule soll also einesteils denjenigen, die nicht weitere Schulen, seien es Fachschulen oder höhere, besuchen werden – und das wird der grössere Teil sein – insoweit eine abgeschlossene Bildung geben, dass sie mit möglichst hohem Nutzen ein Handwerk oder kleineres Geschäft betreiben oder die väterliche Scholle bebauen oder etwa einer öffentlichen Stellung vorstehen können.

Der Schulplan darf also nicht mit theoretischem Kram überladen, sondern soll besonders aufs Praktische gerichtet sein. Der Vorwurf, diesen Jungen würde durch das Studieren die Lust am körperlichen Arbeiten benommen, ist nicht stichhältig. Die Ursache liegt dann entweder an der Veranlagung der Jungen oder meist eher an der Zucht im Elternhause.

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[1] L.Vo., Nr. 22, 31.5.1918, S. 1. Der 2. Teil dieser Abhandlung findet sich in: L.Vo., Nr. 23, 7.6.1918, S. 1-2 („Die Landesschule in Vaduz. II.“). Als Verfasser kommt wohl einer der 3 Lehrer an der Landesschule in Betracht: Eugen Nipp, Gustav Schädler oder Johann Baptist Büchel. - Zur Landesschule in Vaduz vgl. etwa die Kundmachung der Landesschulbehörde (Landesschulrat) bzw. des Landesverwesers Leopold von Imhof vom 9.10.1914, LGBl. 1914 Nr. 8, u.a. betreffend den Lehrplan.