Alt-Bürgermeister Franz Josef Wachter wird von einem unbekannten deutschen Raubmörder erschossen


Zeitungsbericht, nicht gez. [1]

Raubmord in Vaduz.

Herr Altvorsteher Franz Josef Wachter ist am Sonntag, den 4. d. M., abends 9 Uhr, in seinem Hause in Vaduz einem Raubmorde zum Opfer gefallen. Der ruchlose Täter ist leider entkommen:

Über die Umstände der Tat erfahren wir Folgendes:

Bereits abends halb 7 Uhr erschien ein junger unbekannter Mann im Wachterschen Hause und fragte, ob ihm nicht 500 Franken ausgewechselt werden könnten. Auf die bejahende Antwort sagte er, dass er das Geld noch im Gasthause zum „Adler" habe und später kommen werde. Der Fremde wurde noch aufmerksam gemacht, er möchte nicht zu spät kommen, man gehe im Hause zeitig zu Bette. Gegen 9 Uhr begaben sich die anwesenden Angehörigen des Ermordeten in ihre Schlafzimmer, während Herr Wachter noch allein ein wenig im Wohnzimmer verweilte. Gleich hernach hörte man im Hause ein lautes und beharrliches Klopfen an der Haustüre, was eine Tochter des Hauses veranlasste, zum Fenster eines Schlafzimmers heraus dem Klopfenden zu sagen, dass jetzt nicht mehr geöffnet werde; es sei zu spät.

Im gleichen Augenblicke öffnete jedoch Herr Wachter selbst die Haustüre und liess den Fremden ein; es war der gleiche, der zweieinhalb Stunden früher wegen des Auswechselns von Geld vorsprach. Herr Wachter holte aus seinem Zimmer im oberen Stockwerke 500 Fr. in kleineren Noten. Nun blieb es im Hause still, worauf dann zwei Töchter vom oberen Stockwerke herunter gehen wollten, um nach ihrem Vater zu sehen, weil ihnen die Sache verdächtig vorkam. Als sie aus ihrem Schlafzimmer heraustraten, fiel im Wohnzimmer ein Schuss und als sie kaum einige Sekunden später den untern Hausflur erreichten, war der Täter verschwunden und ihr Vater sank zu Tode getroffen zusammen, um nach einigen Sekunden zu verscheiden. Der Schuss dürfte aus einer Browningpistole abgegeben worden sein. Die Kugel durchdrang die Brust und wurde unter dem Ofen gefunden.

Es muss angenommen werden, dass die Angabe des Täters, man möchte ihm 500 Fr. auswechseln, eine Täuschung war und dass er, als Herr Wachter von ihm das Geld verlangte, zu Tätlichkeiten überging, die dann mit dem tötlichen Schusse auf den schon lange kränklichen Greis endeten, als der Mörder hörte, dass jemand sich im oberen Stockwerke rührte.

Obwohl das Wachtersche Haus mitten i n der Gemeinde und an einem der belebtesten Plätze derselben steht, gelang es dem Mörder doch, zu entkommen und offenbar in das Ausland zu flüchten, von woher er gekommen ist.

Der Familie des Ermordeten wendet sich die allgemeine Teilnahme in hohem Masse zu. Herr Wachter stand sowohl durch seine persönliche Tätigkeit, durch seinen offenen geraden Charakter, als auch durch seine vieljährige Tätigkeit im öffentlichen Leben des Fürstentumes und besonders der Gemeinde Vaduz, in bestem Ansehen.

Der Raubmörder wird wie folgt beschrieben:

Etwa 180 Zentimeter gross, schlank, anfangs der 20iger Jahre, blasses Gesicht, dunkle Augen, glatt rasiert, hat schöne Zähne, rückwärts bis zum Wirbel kurz geschnittene Haare, trägt grau-grünen Knierock, graue defekte Lodenhosen, schwarze hohe Rohrstiefel, grünen oder braunen Sportfilzhut, anderemale weisse Rodelmütze, grünen Rucksack mit Lederriemen, dürfte Reichsdeutscher sein, er spricht sehr gutes Hochdeutsch und hat einen kräftigen Stock mit Eisenspitze. Er trägt Browning oder Manserrepetierpistole, Kaliber 7,65 mm.

Ergreiferprämie 600 Franken.

Sachdienliche Mitteilungen irgend welcher Art werden dringend an das Landgericht Vaduz erbeten.

Wie die Erhebungen ergaben, übernachtete der Raubmörder vom Samstag auf Sonntag in Feldkirch und trug sich dort ins Fremdenbuch als Karl Fel, zuständig und wohnhaft in Innsbruck, geb. am 1. Januar 1900, Sohn des Fritz, ein. Am Sonntag vormittag ging er dann zunächst über die Landstrasse gegen die Grenze in Tisis, wandte sich dann hinüber gegen die Tisiser Pfarrkirche und kam über die Hub nach Liechtenstein herein. Mittags war er in Eschen, ging über Nendeln nach Schaan und Vaduz. Es wäre von Wichtigkeit, zu vernehmen, ob der Mann irgendwo in Liechtenstein gebettelt hat. Jede Kleinigkeit kann zur Entdeckung des Täters vielleicht von Bedeutung sein, und wolle jedermann, der irgend etwas von dem Manne weiss oder ihn beobachtet hat, dem Landgericht oder der Polizei raschestens Mitteilung machen. Es gelang dem Raubmörder über die Landesgrenze nach Feldkirch zu entfliehen. Er kam dort um halb 1 Uhr nachts in den Gasthof, wo er seinen Koffer eingestellt hatte. Die österr. Sicherheitsbehörden nahmen die Verfolgung des Täters auf.

 

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[1]  L.Vo. 7.3.1923, S. 2. - Der Raubmord war Anlass für den Aufruf der Regierung vom 10.3.1923 an die Liechtensteiner, Vagabunden und Bettlern nicht zu helfen, sondern diese sofort dem nächsten Polizeiposten zu melden.