Die Regierung ruft alle Liechtensteiner auf, das Auftauchen fremder Vagabunden und Bettler sofort dem nächsten Polizeiposten zu melden und erinnert daran, dass die Beherbergung Fremder ohne Bewilligung durch den Ortsvorsteher streng bestraft wird


Aufruf der Regierung in beiden Landeszeitungen, gez. Regierungschef Gustav Schädler [1]

10.3.1923

Liechtensteiner!

Unsere Heimat ist gegenwärtig täglich von einer Menge zweifelhafter Existenzen besucht.

Bürgerpflicht eines jeden ist es, den Behörden und berufenen Organen in der Abwehr von Vagabunden und Bettlern tatkräftig mitzuhelfen. Die Durchführung einer wirksamen Fremdenkontrolle ist unmöglich, wenn nicht die ganze Bevölkerung zur Mithilfe die Hand bietet. Auch der harmloseste Bettler verbirgt hinter seinem Bettlergewande oft einen viel und schwer abgestraften oder noch steckbrieflich verfolgten Verbrecher.

Wir laden daher jeden ein, sofort dem nächsten Polizeiposten (Landweibel, Grenzwächter oder Dorfpolizisten) das Auftauchen eines fremden Vagabunden oder Bettlers anzuzeigen und besonders keinem Bettler ein Almosen zu verabfolgen.

Wenn durch etliche Wochen hindurch kein Bettler mehr ein Almosen erhält, wird unser Land sicher bald von diesen Elementen gemieden.

Die Beherbergung fremder Personen in Privathäusern ist ohne Bewilligung des Ortsvorstehers verboten und wird strenge bestraft.

Nur durch vereinte Kräfte wird es gelingen, alles Gesindel von unserem Lande fernzuhalten.

Fürstliche Regierung

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[1] L.Vo., Nr. 19, 10.3.1923, S. 4; O.N., Nr. 19, 10.3.1923, S. 4. - Anlass für den Aufruf der Regierung war der Raubmord vom 4.3.1923 an Franz Josef Wachter, Alt-Bürgermeister von Vaduz.