Kaplan Alfons Büchel referiert zur Frage, ob Geistliche politisieren dürfen, und empfiehlt den liechtensteinischen Arbeitern in der Schweiz, keinen sozialdemokratischen Gewerkschaften beizutreten


Veröffentlichung einer Zusendung im „Liechtensteiner Volksblatt“ [1]

10.5.1919

Triesen. (Einges.). Letzten Sonntag [2] abends wurde im Vereinshaus vom titl. Leseverein eine Versammlung veranstaltet, der von den Männern beider Parteien [3] reges Interesse entgegengebracht wurde. Gegen 150 Männer und Jünglinge hatten sich dazu eingefunden. Der Referent Hochw. Herrn Alphons Büchel, Kaplan in Wollerau, Kt. Schwyz, sprach über die Sozialdemokratie und die Frage: Dürfen die Geistlichen politisieren? Während einer Stunde lauschte die Versammlung unter lautloser Stille den volkstümlichen, interessanten, vielfach durch Humor gewürzten Ausführungen. Der Vorsitzende Herr Pfarrer Marock [Urban Marok] verdankte herzlich dem verehrten Redner sein gediegenes Referat und empfahl aufs lebhafteste Allen, welche als Arbeiter in die Schweiz gehen, um der religiösen Prinzipien wegen nicht den sozialdemokratischen, sondern christlich-sozialen Gewerkschaften beizutreten, wenn dabei auch ein paar Fränklein weniger Lohn herausschaut.

Blicken wir nun frisch und frohen Mutes der Zukunft entgegen, überzeugt, dass der liebe Herrgott, der unser kleines Land während bald fünf Jahren inmitten dieses Weltbrandes so wunderbar erhalten hat, auch weiterhin schützen und erhalten wird, wenn auch wir gewillt sind, allseitig unsere Pflicht zu tun. Tun wir unsere Pflicht auch namentlich den Armen gegenüber, den Bedrängten und Notleidenden und haben wir Aug und Herz stets offen auch für die Bedürfnisse und Leiden der Arbeiterschaft. Alle aber seien wir eingedenk, dass Eintracht und Zufriedenheit auch ein kleines Volk stark und glücklich macht.

Liechtenstein, du kleines Land!

Ruh in Gotteshand!

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[1] L.Vo., Nr. 37, 10.5.1919, S. 1-2. Vgl. auch die Berichterstattung über einen Vortrag Büchels in Bendern (L.Vo., Nr. 25, 29.3.1919, S. 2 („Bendern“)). Vgl. ferner den Aufruf an die liechtensteinischen Arbeiter in der Schweiz zum Beitritt in christlich-soziale Arbeitervereine: L.Vo., Nr. 29, 19.7.1918, S. 2 („Warnung für die Fremde“).
[2] 4.5.1919.
[3] Fortschrittliche Bürgerpartei und Christlich-soziale Volkspartei.