Der Landtag genehmigt nachträglich die Kosten für den Ausbau der Rheinschutzbauten in Ruggell und ersucht die Regierung, bei den österreichischen Stellen auf die Abfuhr des Eschewassers in den zu regulierenden Spiersgraben hinzuwirken


Handschriftliches Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Landtagspräsident Albert Schädler sowie die Landtagssekretäre Fritz Walser und [Franz] Josef Marxer [1]  

14.11.1907

IV. Ausbau des Ruggeller Hochwuhres

Hiezu werden verlesen:

a. die Zuschrift der f. Regierung an den Landesausschuss vom 10. Oktober 07, Z. 1594, [2]

b. das regierungsämtliche Kommissionsprotokoll ddo. Bendern, am 26. Febr. 1907. [3]

Kabinettsrat [Karl] v. In der Maur bringt vor, dass die österreichische Regierung schon seit 10 Jahren von uns den Ausbau des Hochwuhres von der Landes- resp. Wuhrgrenze aufwärts verlange; [4] er gibt die Gründe bekannt, warum dieser Ausbau bis heute nicht vorgenommen werden konnte; es komme bei Ausbau dieser Wuhrstrecke nicht nur das Interesse der nächstliegenden österreichischen Gemeinden, sondern in erster Linie dasjenige der Gemeinde Ruggell in Betracht, dann sei nach einstimmiger Ansicht der Wuhrkommission die Lage der Kiesbänke eine so günstige, wie sie selten vorkomme. [5] Die Regierung habe deshalb im Einverständnis mit dem Landesausschusse [6] die Arbeit ausgeschrieben [7] u. sei die Ausführung nun noch eine Kleinigkeit unter dem Voranschlage vergeben. [8]

Ingenieur [Karl] Schädler bringt hiezu an:

Der Ausbau des Ruggeller Hochwuhres sei zwar selbstverständlich im Interesse jener Gemeinde, doch komme derselbe in erster Linie der Ortschaft Bangs zu gut. Er finde jedoch für Recht, dass der Bau vorgenommen u. damit den österreichischen Nachbargemeinden freundnachbarlich entgegen gekommen wurde. Doch müsse er zu seinem Bedauern konstatieren, dass von Seite Österreichs sowohl wegen Ausführung der Regulierung das Spiersgrabens als auch wegen Ableitung des Eschewassers nicht das geringste Entgegenkommen gezeigt wurde. Die Lösung der Frage der Versumpfung des Unterlandes sei ohne die Ableitung des Wassers nach Österreich undenkbar u. werde es mit der Zeit durch die Naturverhältnisse dazu kommen, dass das Wasser seinen Abfluss selbst dorthin nehme; bis dahin werde jedoch das liechtenstein'sche Unterland der Versumpfung entgegengehen, da wir bei der österreichischen Behörden nicht das geringste Verständnis für unsere Wassernoth finden.

Der Regierungskommissär [Karl von In der Maur] rechtfertiget die Verpflichtung des Landes zur Ausführung dieser Wuhrbauten; er gibt bekannt, wie weit die Angelegenheit der Regulierung des Spiersgrabens gediehen sei, erklärt, wie umständlich die in Wasserrechtsangelegenheiten in Österreich vorgeschriebenen Verhandlungen geführt werden müssen u. welche Hindernisse der Ausführung des Projektes im Wege stehen.

Der Abg. [Jakob] Kaiser bringt vor, dass Baurath [Philipp] Krapf bei einer kommissionellen Begehung vor circa 5 Jahren auf das bestimmteste erklärt habe, dass die Regulierung des Spiersgrabens vorgenommen werde; er sei deshalb insolange gegen des Ausbau dass Ruggeller Hochwuhrs, bis die Regulierung des Spiersgrabens vorgenommen oder wenigstens zugesichert werde.

Der Präsident [Albert Schädler] bringt vor, dass nach seiner Ansicht wegen das von Österreich ausgeübten Druckes wir uns mit dem Ausbau des Ruggeller Hochwuhres nicht zu beeilen hätten, doch sei es nach dem einstimmigen Gutachten der Wuhrkommission in unserem eigenen finanziellen Interesse, dass der Ausbau jetzt vorgenommen werde. Ferner bemerkt er, dass es im hohen Interesse des Landes liege, wie bei der Regulierung des Spiersgrabens, die Abfuhr des Eschewassers ermöglicht werde. Da wäre die Intervention der f. Regierung von grossem Werte, jedoch hätte eine solche Intervention nur einen Wert, wenn hauptsächlich u. in erster Linie mit den höheren österreich. Behörden darüber verhandelt werde. [9]

Der Abg. [Franz] Schlegel beantragt die f. Regierung zu ersuchen, mit den competenten österreichischen Behörden dahin Verhandlungen zu eröffnen, dass die Regulierung des Spiersgrabens mit Einbeziehung des Eschewassers eventuell durch einen von Liechtenstein in Aussicht zu stellenden Kostenbeitrag zur Ausführung gelange. Der Regierungskommissär spricht seine Geneigtheit aus, in dieser Beziehung mit den competenten österr. Behörden in Verhandlung zu treten.

Abg. Ingenieur Schädler macht aufmerksam, dass bei diesen Verhandlungen besonders Gewicht darauf zu legen sei, dass das Eschewasser separat abgeführt u. der Spiersgraben dementsprechend erweitert werde.

Sohin werden nachstehende Anträge des Präsidenten mit 13 Stimmen gegen diejenige des Abg. Kaiser zum Beschlusse erhoben: [10]

1. Der Landtag bewilligt den für den Ausbau des Ruggeller Hochwuhres benötigten Kredit von 56'489 K u. beschliesst zugleich, der Gemeinde Ruggell für den auf sie entfallenden vierten Teil der genannten Post ein unverzinsliches in 10 Jahresraten rückzahlbares Darlehen zu gewähren;

2. der Landtag ersucht die f. Regierung, gegebenenfalls an massgebenden österreichischen Stellen auf eine Erweiterung des Spiersgrabenprojektes hinzuwirken, um die Abfuhr des Eschewassers in den Spiersgraben zu ermöglichen, für welchen Zweck ein Beitrag des Landes in Aussicht genommen werden könnte.

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[1] LI LA LTA 1907/S04/2. Maschinenschriftliche Abschrift ebd.
[2] Darin hatte Landesverweser Karl von In der Maur den Landesausschuss ersucht, aus den vorhandenen Kassabeständen den raschen Ausbau der Ruggeller Rheinschutzbauten bis zur österreichischen Grenze zu genehmigen (LI LA LTA 1907/S21/1 (Aktenzeichen der Regierung: 1594)). Das Konzeptschreiben hiezu findet sich unter LI LA RE 1907/1594 ad 0007.
[3] In dieser kommissionellen Verhandlung liechtensteinischer und österreichischer Vertreter hatte die liechtensteinische Regierung die zügige Vorstreckung des Ruggeller Hochwuhres bis zur Grenze unter der Bedingung versprochen, dass von Seite Österreichs bis Ende des Jahres 1907 die Zusicherung für die Regulierung des Spiersgrabens erteilt werde (LI LA RE 1907/0358 ad 0007/0152).
[4] Vgl. dazu insbesondere das liechtensteinisch-österreichische Kommissionsprotokoll vom 16.12.1901 (LI LA RE 1901/2051 ad 0110).
[5] Vgl. dazu das Schreiben des Landestechnikers Gabriel Hiener an die Regierung vom 16.9.1907 samt Kostenvoranschlag vom 11.9. (LI LA RE 1907/1594 ad 0007/0152).
[6] Der Landesausschuss hatte mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, die Hochwuhrstrecke in Ruggell so rasch wie möglich auszubauen, die Verausgabung des dazu veranschlagten Kredites von 56'489 Kronen aus den verfügbaren Kassenbeständen genehmigt. Der Landtag wurde vom Landesausschuss nun ersucht, den Kredit nachträglich zu genehmigen. Ferner befürwortete er, dass der Gemeinde Ruggell für die Rückzahlung des auf sie gesetzlich entfallenden Kostenviertels möglichst günstige Bedingungen gestellt werden, weil diese noch mit älteren Rheinbauschulden belastet war (vgl. den undatierten Bericht des Landesausschusses bzw. des Berichterstatters Albert Schädler in der Tagesordnung des Landtagspräsidiums für die auf den 14.11. und 16.11.1907 anberaumten Landtagssitzungen (LI LA LTA 1907/L01)).
[7] Vgl. die Bauausschreibung der Regierung vom 16.10.1907, welche im „Liechtensteiner Volksblatt" eingeschaltet wurde: Offerten leistungsfähiger Unternehmer für den Wuhrausbau auf einer Länge von 1336 m waren demnach verschlossen bis längstens 4.11.1907 bei der Regierung einzureichen (LI LA RE 1907/1769 ad 0007/0706).
[8] Gemäss Beschluss der Wuhrkommission vom 11.11.1907 wurden die Arbeiten gegen Kaution an Johann Biedermann aus Nofels und Martin Bodenmüller aus Feldkirch vergeben (LI LA RE 1907/1922 ad 0007/0706). Der diesbezügliche Vertrag wurde am 13.11.1907 abgeschlossen (LI LA RE 1907/2015 ad 0007/0706).
[9] Dieser Satz wurde nachträglich eingefügt. 
[10] Vgl. das diesbezügliche Schreiben des Landtagspräsidiums an die Regierung vom 14.11.1907 (LI LA LTA 1907/S21/1 (Aktenzeichen: Z. 4 / Landtag); LI LA RE 1907/2050 ad 0007/0152).