Die Regierung erteilt der Anglo-österreichischen Bank eine Bankenkonzession


Maschinenschriftliches Konzeptschreiben, mit handschriftlichen Korrekturen, gez. Prinz Karl von Liechtenstein, an die Anglo-Österreichische Bank in Wien [1]

30.8.1920

Die fürstl. Regierung erteilt hiemit der Anglo österr. Bank die erbetene Konzession zur Errichtung und zum Betriebe einer Bank im Gebiete des Fürstentumes Liechtenstein auf Grund der angeschlossenen Statuten, welche gleichzeitig in allen Teilen genehmigt werden, unter nachstehenden, einen integrierenden Bestandteil der Konzession bildenden Bedingungen:

1. Bei Anstellung von Angestellten ist die Bank verpflichtet, geeignete Bewerber liechtensteinischer Staatsangehörigkeit in erster Linie zu berücksichtigen.

2. Die Bank ist verpflichtet, alljährlich innerhalb eines Monates nach Abhaltung jener Generalversammlung, in der die Dividende für das abgelaufene Jahr festgesetzt wurde, an die Landeskassa eine Steuerleistung nach folgenden Grundsätzen abzuführen:

a) Wenn eine Dividende bis höchstens 5 % (fünf von hundert) ausgeschüttet wird, beträgt die Steuer 2 ‰ (zwei von tausend) des eingezahlten Aktienkapitales, bei Ausschüttung einer Dividende von mehr als 5 % (fünf von hundert) beträgt die Steuer für jedes über 5 % (fünf von hundert) ausgeschüttete Dividendenprozent ein weiteres ½ ‰ (einhalb von tausend) und für jedes über 10 % ausgeschüttete Dividendenprozent noch ein weiteres ½ ‰ (einhalb von tausend) des eingezahlten Aktienkapitales.

b) Ausser der in den vorstehenden Bestimmungen angeführten Steuerleistung bleiben die Bank und die bei ihr hinterlegten Depots von nicht im Fürstentume domizilirenden Déponenten für die Dauer der Konzession frei von allen sonstigen wie immer bezeichneten Abgaben, Steuern und Gebühren.

Vorbehalten bleiben jedoch die allgemeinen Grund- und Gebäudesteuern, die Stempelabgaben für die im inländischen Geschäftsverkehre ausgefertigten Urkunden sowie die bestehenden gesetzlichen Vorschriften über die Gerichts- und Verwaltungsgebühren, soferne die Bank die entsprechenden Amtshandlungen bei den Gerichts- oder Verwaltungsbehörden des Fürstentumes veranlasst.

3. Der Bank wird zugesichert, dass sie zu Auskunftserteilung über die bei ihr liegenden Gelder und Effekten und über die von ihr ausgegebenen Aktien und Pfandbriefe nur deren Eigentümern gegenüber verpflichtet ist.

Weiters wird die Bank nicht verpflichtet werden, über die von ihr gewährten Kredite und über die ihr durch ihre geschäftlichen Beziehungen bekannt gewordenen Verhältnisse ihrer Komitenten Auskünfte zu erteilen.

Selbstverständlich wird hiedurch die Berechtigung der statutenmässigen Revisionsorgane [2] und der Strafgerichte, Auskünfte zu fordern, nicht berührt.

4. Die Bank übernimmt [3] die Verpflichtung, nach Massgabe der verfügbaren Mittel für Befriedigung des wirtschaftlichen legitimen Kreditbedarfes im Fürstentum, in den dem wirtschaftlichen Charakter des Landes entsprechenden Kreditformen Sorge zu tragen und überhaupt der wirtschaftlichen Weiterentwicklung des Landes zu dienen.

Die fürstl. Regierung gibt anlässlich der Erteilung dieser Konzession ihrer Überzeugung Ausdruck, dass die Bank sich bei Führung ihrer Geschäfte von den Grundsätzen strengster Solidität leiten lassen wird und dass ihre Gebahrung keinen Anlass zu berechtigen internationalen Reklamationen Anlass geben wird.

Der fürstl. Landesverweser

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[1] LI LA RE 1920/3909 ad 505. Das Schreiben wurde gemäss Entwurf ausgefertigt.
[2] Die Worte "statutenmässigen Revisionsorgane" wurden zunächst gestrichen und durch "f[ürstliche] Regierung" ersetzt, die Korrektur wurde aber wieder rückgängig gemacht.
[3] Der Passus "alle Pflichten einer Liechtensteinischen Landesbank und insbesondere" wurde gestrichen.