Der liechtensteinische Gesandte in Wien, Prinz Eduard von Liechtenstein, informiert die Regierung über seine Kontakte zur Anglo-Bank in Wien, die um eine Konzession als „Nationalbank des Fürstentums Liechtenstein“ ansuchen will


Maschinenschriftliches Schreiben des liechtensteinischen Gesandten in Wien Prinz Eduard von Liechtenstein an die liechtensteinische Regierung in Vaduz, gez. ders.[1]

11.7.1919

An die fürstliche Regierung in Vaduz

Ich habe mit der Anglo-österreichischen Bank in Wien wegen Errichtung einer Bank im Fürstentume Fühlung genommen und ist deren erster Direktor, Kommerzialrat Hugo Schwarz bei mir erschienen. Derselbe reist Mitte Juli nach Mailand und beabsichtigt von dort in die Schweiz zu fahren, wo er mit einer Schweizer Bank im Gegenstande Fühlung sucht; er wird dann in Begleitung seiner Frau Alice Schwarz[2] auf einige Tage nach Vaduz kommen, um die Verhältnisse an Ort und Stelle zu studieren.

Die Anglo-österreichische Bank ist eine der solidesten und bestangesehensten Grossbanken Österreichs, welche zahlreiche Filialen besitzt; Präsident ist Professor [Julius] Landesberger, eine Kapazität von Weltruf, gegenwärtig Führer der Finanzgruppe der österreichischen Friedensdelegation in Paris. Direktor Schwarz ist mir seit langem bekannt und gilt als hervorragend befähigt und vertrauenswürdig.

Die Grundlage unserer Besprechung war folgende:

Es soll in Liechtenstein, ev. durch Umwandlung der Sparkassa in eine Bank – da zwei kleine Finanzinstitute nebeneinander in dem kleinen Lande, wie ich glaube, nicht bestehen können – eine selbständige liechtensteinische Bank errichtet werden. Diese Bank müsste sich als Tochterinstitut der Anglo-österreichischen und zugleich einer Schweizer Bank präsentieren, weil es mir, speziell für die Hebung des Fremdenverkehrs von allergrösstem Interesse erscheint, auch schweizerisches Kapital im Lande zu interessieren, nachdem nur so zu hoffen steht, dass die schweizerische Regierung dem Projekte des Bahnbaues mit Anschluss an die Ober-Engadin-Bahn ihre Unterstützung leiht oder die Schweizer Faktoren des Fremdenverkehrs dafür zu gewinnen sein werden, den Schweizer Fremdenverkehr auch nach Vaduz und Gaflei zu lenken Auch die übrigen Bedürfnisse des Landes lassen – meines Erachtens – eine enge Verbindung mit der Schweizer Finanzwelt geboten erscheinen.

Als Leiter der Bank habe ich Direktor Schwarz ausdrücklich erklärt, kann nur ein Christ in Betracht kommen und meinte Direktor Schwarz, dass hiefür ein geeigneter Bankbeamter aus der Schweiz ausfindig gemacht werden müsste. Ich habe ihn auch darauf verwiesen, dass es unbedingt erforderlich sein wird, die derzeitigen Beamten der Sparkassa bei der Bank anzustellen und zu verwenden, schon um sie nicht brotlos zu machen und um von vornherein liechtensteinische Staatsbürger, die die dortigen wirtschaftlichen Verhältnisse kennen, zur Verfügung zu haben. Bezüglich der Lokalfrage wird es Sache der lokalen Erhebungen des Direktors Schwarz sein festzustellen, ob ein geeignetes Gebäude in Vaduz vorhanden ist bezw. ob die Unterbringung der Bank in den jetzt von der Sparkassa benützten Räumlichkeiten im Regierungsgebäude möglich erscheint.

Ich bemerke, dass das ganze eine vorläufig vollkommen unverbindliche Fühlungnahme ist und dass es Sache der Regierung sein wird, bei Erteilung der Konzession für die Bank sich finanzielle Vorteile für die Landeskassa in irgend einer Form – etwa durch ein Präzipuum[3]der Reingewinne - zu sichern. Ebenso erachte ich es für erstrebenswert das Aufsichtsrecht der Regierung durch die Ernennung eines landesfürstlichen Kommissärs, dessen Renumeration von der Bank zu tragen wäre, oder durch Ernennung des Präsidenten des Verwaltungsrates zu sichern.

Dankbar wäre ich, wenn mir umgehend ein Statut der Sparkassa in zwei Exemplaren und etwaige Jahresberichte oder sonstige Mitteilungen über deren Tätigkeit und Vermögen zugesendet würden.

Ich glaube durch die Anbahnung dieser wirtschaftlichen Verbindung den Interessen des Landes förderlich sein zu können, ohne dass ich dadurch den Entschliessungen der Regierung hinsichtlich des Projektes Verloop[4] irgendwie vorgreifen möchte. Immerhin glaube ich jedoch darauf hinweisen zu sollen, dass für die erspriessliche Tätigkeit einer Bank es immerhin sehr wertvoll ist, dass die leitenden Persönlichkeiten und die Beamten mit der heimischen Bevölkerung gute Beziehungen haben und mit derselben im Zusammenhange stehen. Dies wird vielleicht eher möglich sein, wenn ein schweizerischer Direktor und schweizerische und österreichische Geschäftsfreunde vorhanden sind, als es bei einer von Holländern geführten und mit holländischem Kapital erstandenen Bank à priori zu erwarten steht.

Ich habe Direktor Schwarz eingeladen sich Euerer Durchlaucht vorzustellen und auch mit Herrn Regierungsrat Dr. [Wilhelm] Beck, der für ein Bankprojekt lebhaftes Interesse zeigte, Fühlung zu nehmen. Ich bitte dem Herrn Direktor auch Gelegenheit zu geben, mit anderen Interessenten, insbesondere den leitenden Beamten der Sparkassa, in Verbindung zu treten und ihm diesbezügliche Ratschläge zu erteilen.

Der fürstliche Gesandte

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[1] LI LA RE 1919/3339. Geschäftszahl der Gesandtschaft in Wien 97/3.
[2] Richtiger Vorname: Friederike.
[3] Duden: "Geldbetrag, der vor Aufteilung des Gesellschaftsgewinns einem Gesellschafter für besondere Leistungen aus dem Gewinn gezahlt wird".
[4] Vgl. dazu die Akte „Projekt M.C. Verloop zur Errichtung einer Bank, Pachtung der Zolleinnahmen, Organisation des Postwesens und Hebung des Fremdenverkehrs, Ausnützung der Wasserkraft usw.“ im Bestand der Gesandtschaft Wien aus dem Jahre 1919. LI LA V 3/950