Prinz Eduard ermahnt Emil Beck, seinen gesellschaftlichen und repräsentativen Pflichten als Diplomat nachzukommen


Maschinenschriftliche Abschrift eines vertraulichen Schreibens von Prinz Eduard von Liechtenstein, liechtensteinischer Gesandter in Wien, gez. ders., an Emil Beck, liechtensteinischer Geschäftsträger in Bern [1]

3.1.1921, Wien [2]

Euer Hochwohlgeboren!

Mit Bericht vom 30. Oktober v.J., Zl. 1339, [3] haben Euer Hochwohlgeboren mir mitgeteilt, "dass das Bureau der Berner Gesandtschaft ab 15. November sich Muldenstrasse 19 befindet", wo Sie "drei Zimmer gemietet haben." Von der fürstlichen Regierung erfahre ich unter dem 10. Dezember, [4] dass dieselbe von dieser Übersiedlung erst durch einen Bericht von mir, in welchem ich diese besprach, [5] Kenntnis erhielt. Ich bin vom Herrn Regierungschef [Josef Peer] beauftragt, Euer Hochwohlgeboren darauf aufmerksam zu machen, dass, sosehr man auch im diplomatischen Dienst Initiative und im gegebenen Moment selbstständiges Vorgehen schätzt, das Aufgeben einer Dienstwohnung und von Amtsräumen und das Neumieten von solchen doch überall eine Angelegenheit ist, welche von dem betreffenden Missionschef nur im Einvernehmen und mit Genehmigung seiner vorgesetzten Behörde in Angriff genommen und durchgeführt werden kann. [6] Ich kann jetzt nur der Hoffnung Ausdruck geben, dass Ihre Wahl eine glückliche war und Ihre neuen Amtsräume sich in einer günstigeren Weise präsentieren als die in der Optingenstrasse, welche nach ihrem Meublement wie nach ihrer ganzen Aufmachung wohl kaum als einer diplomatischen Vertretung entsprechend bezeichnet werden konnten.

Ich kann diesen Anlass nicht vorübergehen lassen, ohne Sie zu ersuchen, auf die gesellschaftlichen und repräsentativen Pflichten Ihrer Stellung ein etwas grösseres Gewicht legen zu wollen als bisher. Es liegt mir vollkommen ferne, einem übertriebenen Aufwand das Wort zu reden, welcher bei der Kleinheit des Fürstentumes auch keineswegs einen guten Eindruck machen würde. Ebenso verfehlt ist es aber, in den entgegengesetzten Fehler zu verfallen. Ein Diplomat muss, um dem Staat, dem er dient, erfolgreiche Dienste leisten zu können, Konnexionen pflegen, da die persönlichen Beziehungen in ganz ausserordentlicher Weise den dienstlichen Verkehr fördern und erleichtern und es nur durch sie möglich ist, einflussreiche Persönlichkeiten für sich zu gewinnen, eine den Interessen des Staates günstige Stimmung zu erzeugen und Gerüchte und Auffassungen, die diesem schädlich sein könnten, zu zerstreuen. Welch grosse Wichtigkeit dies gerade für das Fürstentum hat, haben die Verhandlungen über eine Aufnahme in den Völkerbund wohl zur Genüge bewiesen. Es ist für einen solchen Kontakt absolut nicht notwendig, dass Sie Empfänge und Diners geben, wozu Sie als Geschäftsträger auch als Erwiderung für erhaltene Einladungen nach internationalem Brauch nicht bemüssigt sind, [7] wohl aber müssen die einfachen Formen des gesellschaftlichen Verkehrs, Besuche u.s.w. eingehalten werden. Ich habe nun nicht nur von verschiedener Seite mehrfach gehört, dass es recht schwierig ist, Sie aufzufinden und zu erreichen, sondern es wurde mir auch gesagt, dass die Gesandtschaft nicht im Berner Telephonverzeichnis zu finden sei und dass man selbst auf dem Postamte die Adresse nicht ersehen konnte. Ich ersuche, falls dies richtig ist, entsprechende Veranlassungen zu treffen. Zu meinem lebhaften Bedauern hat mir auch Graf Mensdorf [Albert von Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein], mit dem wegen der Völkerbundangelegenheit in Verbindung zu treten ich Euer Hochwohlgeboren so dringend nahe gelegt hatte, mitgeteilt, dass er nicht das Vergnügen hatte, Sie in Genf zu begrüssen, und ebenso sagte mir Graf [Walther von] Berchem, bezüglich dessen ich Ihnen mündlich empfohlen hatte, ihn, als er als bayrischer Geschäftsträger in Bern war, zu besuchen, dass er Sie während seiner ganzen Berner Amtstätigkeit nicht kennen gelernt hat. Auch andere Berner Diplomaten sagen mir, sie hätten Sie nie kennen gelernt. Ich beehre mich daher, Euer Hochwohlgeboren wärmstens zu ersuchen, dieser wichtigen Seite Ihrer Amtstätigkeit in Hinkunft ein grösseres Augenmerk zuwenden zu wollen.

Indem ich Sie bitte, mir diese im Interesse des Ansehens unseres gemeinsamen Vaterlandes und des Dienstes gemachten freundschaftlichen Bemerkungen nicht zu verübeln, [8] bin ich mit dem Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung

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[1] LI LA V 003/1150. Aktenzeichen: 823/2. Ebd. ein handschriftlicher Entwurf, der Regierungschef Josef Peer vorgelegt und von diesem zur Kenntnis genommen wurde.
[2] Das Dokument ist irrigerweise auf den 3.1.1920 datiert.
[3] LI LA V 003/1149, Beck an Gesandtschaft Wien, 30.10.1920.
[4] LI LA V 003/1150, Peer an Prinz Eduard, 10.12.1920.
[5] LI LA V 003/1149, Prinz Eduard an Peer, 16.11.1920.
[6] Peer hatte Prinz Eduard geschrieben, er habe bisher darauf verzichtet, die Miete der Räume an der Muldenstrasse "zum Anlass einer leisen Rekrimination" zu nehmen, da er Prinz Eduard "den Vortritt lassen wollte." Er sei aber "über weiteren Wunsch bereit, Herrn Dr. Emil Beck im Sinne der erhobenen Bemängelung eine sanfte Weisung für die Zukunft zukommen zu lassen" (LI LA V 003/1150, Peer an Prinz Eduard, 10.12.1920).
[7] Vor der Ernennung von Beck zum Vertreter Liechtensteins in Bern hatten sich Regierung und Prinz Eduard mit der Frage beschäftigt, ob Beck als Gesandter oder als Geschäftsträger ernannt werden solle. Prinz Eduard holte bei Charles-Daniel Bourcart, schweizerischer Gesandter in Wien, Auskünfte ein, der darauf hinwies, dass ein Gesandter viel weitergehende Repräsentationspflichten habe als ein Geschäftsträger. Vgl. LI LA SF 01/1919/046, Prinz Eduard an Prinz Karl von Liechtenstein, 26.6.1919.
[8] Prinz Eduard gab Beck wiederholt Hinweise (in etwas belehrendem Ton), worauf dieser bei seiner Amtstätigkeit zu achten habe. Vgl. etwa LI LA SF 01/1919/110, Prinz Eduard an Emil Beck, 23.10.1919, sowie die Korrespondenz in LI LA V 002/0001.