Handschriftliches Konzeptschreiben, mit Ergänzungen und Korrekturen, der Regierung, gez. Landesverweser Karl von In der Maur, an die Hofkanzlei [1]
21.11.1904
Note
(halbbrüchig ohne Rubrum)
Mit Reskript der hochlöbl. Hofkanzlei v. 27. Septbr. 1904, No. 7082, [2] wurde der f. Regg. die Note des k.u.k. Ministeriums des Äussern v. 26. Septbr. 1904, No. 68'639/9, [3] mitgeteilt, wornach der schweizerische Bundesrat den mit Österreich-Ungarn abgeschlossenen Handelsvertrag [4] auf den 19. Septbr. 1905 gekündet hat.
Gleichzeitig wurde die f. Regg. aufgefordert, die nötigen Einleitungen zu treffen, um nach gepflogenem Einvernehmen mit den bezüglichen Interessenten jene Wünsche bekanntzugeben, auf deren Geltendmachung im Interesse des Fürstentums bei den mit der Schweiz zu pflegenden Verhandlungen wegen Abschlusses eines neuen Handelsvertrages hinzuwirken sein werde. Die f. Regg. hat nicht verabsäumt, sich zunächst mit dem liechtenst. landw. Vereine [5] und hierauf auch mit dem Landtage [6] ins Benehmen zu setzen, damit diese Wünsche, die ihr übrigens schon im Allgemeinen bekannt waren, zum Ausdrucke gelangen.
Wie aus der beiliegenden Zuschrift des Landtagspräsidiums hervorgeht, [7] beziehen sich die bezeichneten Wünsche auf den Verkehr mit Rindvieh und mit Wein, endlich auf den Stickereiverkehr.
In Hinsicht auf den Viehverkehr wäre darauf hinzuwirken, dass nicht nur die gegenwärtigen Viehzölle der Schweiz keine Erhöhung erfahren, sondern dass die Schweiz auch ein Separatabkommen mit Liechtenstein abschliesse, nach welchem die Einfuhr von Braunvieh liechtensteinischer Provenienz gegen den jeweiligen amtlichen Nachweis, dass Liechtenstein seuchenfrei ist und dass das einzuführende Vieh bereits längere Zeit im Lande gestanden ist, gestattet wird.
Unter dem Vorwande, die Einschleppung von Viehseuchen zu verhindern, in Wirklichkeit aber aus rein agrarischen Rücksichten und speziell um dem schweizerischen Markte eine lästige Konkurrenz vom Halse zu schaffen, sucht die Schweiz bekanntlich die Einfuhr von Vieh aus dem österr. Zollgebiete möglichst zu erschweren, obwohl sie andererseits gerade auf den Import aus diesem Gebiete angewiesen ist; wenn das angegebene Motiv vielleicht für das aus den Hinterländern der österr.-ungar. Monarchie und aus Ungarn stammende Vieh ab und zu mit dem Anschein einer Berechtigung gebraucht werden kann, so trifft dasselbe keinesfalls für das fast immer seuchenfreie Liechtenstein zu, das Viehseuchen, wenn sie ab und zu auftreten, schon im eigensten Interesse stets mit der grössten Strenge bekämpft und tilgt.
Was den Weinzoll betrifft, dessen Erhöhung hierlands besonders schwer empfunden würde, so wäre für den Fall, als eine allgemeine Erhöhung dieses Zolles Platz greifen würde, auf das Zugeständnis einer Ausnahmebestimmung hinzuwirken, wornach dem Fürstentume Liechtenstein die Weinausfuhr bis zu einem jährlichen Gesamtquantum von 1000 Hektoliter gegen amtl. Nachweis der liechtensteinischen Provenienz des Weines zum bisherigen Zollsatze gestattet wird. Eine solche Ausnahmebestimmung würde sich umsomehr rechtfertigen, als die Verhältnisse in Liechtenstein, welches auf die Ausfuhr des Weines nach der Schweiz geradezu angewiesen ist, ganz anders geartet sind als die Verhältnisse in Vorarlberg, welches eine derartige Begünstigung nicht unbedingt benötigt. Sollte es nicht möglich sein, die Begünstigung für das angegebene Quantum von 1000 Hektolitern zu erhalten, so könnte ev. auch mit einem Quantum von 500-600 Hektolitern das Auslangen gefunden werden.
Immerhin bedeutet jedoch die Bewilligung einer solchen Ausnahme geradezu eine Lebensfrage für den hiesigen Weinbau, welcher einer argen Krise zugetrieben würde, wenn die gegenwärtigen Zollsätze eine nennenswerte Erhöhung erfahren würden.
Es steht wohl zu erwarten, dass die Schweiz diese ihren eigenen Interessen durchaus nicht widerstreitende Forderung zugestehen wird, wenn auf derselben mit allem Ernste beharrt wird.
In dritter Linie wäre darauf hinzuwirken, dass dem Stickereiverkehr zwischen Liechtenstein und der Schweiz möglichst wenige Hindernisse bereitet werden.
Da in dieser Hinsicht jedoch die österr. bezw. vorarlbergischen Interessen mit jenen Liechtensteins identisch sind, darf ohne Weiteres erwartet werden, dass von österreichischer Seite alles aufgeboten werden wird, um jene Erfolge zu erzielen, welche überhaupt erreichbar sind.
Nach Art. 27 des österr.-liechtenst. Zoll- und Steuervereinsvertrages vom Jahre 1876 [8] wird Österreich-Ungarn bei den Unterhandlungen über Abschluss von Zoll- und Handelsverträgen mit der Schweiz nicht nur die besonderen Wünsche der fürstl. Regierung berücksichtigen, sondern auch den Vertrag nicht ratifizieren, bevor es sich nicht der Zustimmung Liechtensteins versichert hat.
Da diese Wünsche gegenwärtig einen ohnehin nur bescheidenen Umfang haben und ihre Erfüllung bei der exzeptionellen Lage Liechtensteins weder für Österreich-Ungarn noch für die Schweiz irgendwelche Nachteile im Gefolge hätte, wird hierlands unbedingt darauf gerechnet, dass ihnen werde entsprochen werden. [9]