Hermann von Hampe, Leiter der Hofkanzlei, informiert Landesverweser Karl von In der Maur über den Abschluss der Verhandlungen zum Handelsvertrag zwischen Österreich-Ungarn und der Schweiz


Maschinenschriftliches Schreiben von Hermann von Hampe, Leiter der Hofkanzlei, an Landesverweser Karl von In der Maur [1]

5.3.1906, Wien

Euer Hochwohlgeboren!

Hochverehrter Herr Kabinettsrat!

Heute erhielt ich neuerlich eine Einladung von Herrn Ministerialrat von Michailovich [Johann von Mihalovich] und teilte mir derselbe mit, dass die Schweizer Verhandlungen nunmehr glücklicherweise zu einem Abschluss geführt haben. [2]

In Bezug auf die drei, von der fürstlichen Regierung betonten Punkte: Wein, Stickereiverkehr und Viehverkehr, resp. Seuchen-Convention sei folgendes erreicht:

  1. Weinzoll 8 Francs, wie die Meistbegünstigten. Man habe ihn überdies wiederholt versichert, dass Liechtenstein nach wie vor seinen Wein in der Schweiz leicht absetzen werde.
  2. In Bezug auf den Stickereiverkehr sei Gleichstellung Liechtenstein's mit Vorarlberg bedungen.
  3. Was den Viehverkehr betrifft, so sei jetzt eine Seuchen-Convention nach hartem Kampfe zugestanden worden, welcher zufolge eine präventive Sperre der Grenze gegen die Vieheinfuhr ausgeschlossen ist und nur im Falle einer konstatierten Seucheneinschleppung die Sperre verfügt werden kann.

Herr Ministerialrat versicherte, dass mehr überhaupt nicht erreichbar war; man hätte, wenn man sich nicht mit diesem Ergebnisse zufriedenstellen würde, nur den vertragslosen Zustand haben wählen müssen.

Ministerialrat von Michailovich ersuchte um die baldmöglichste Zustimmung der Regierung des Fürstentumes zu dieser Abmachung und bat bis längstens Mittwoch vormittags um die diesfällige Erklärung, da er sodann an Seine Majestät [Franz Joseph I.] berichten müsse, damit Donnerstag oder Freitag der Abschluss erfolgen könne.

Ich erlaube mir, in der Anlage sub ./., ./2 [3] die mir vom Herrn Ministerialrat von Michailovich mitgeteilten Bürstenabzüge des Handelsvertrages und der Viehseuchen-Convention [4] zu übersenden und ersuche Euer Hochwohlgeboren, mir – wenn möglich morgen abends oder längstens Mittwoch früh – die Zustimmung der fürstlichen Regierung zum Abschlusse telegraphisch bekanntgeben wollen. [5]

Indem ich gleichzeitig den Empfang Ihres sehr geschätzten Schreibens dto. 3.d.M. samt Beilage [6] dankend bestätige, habe ich die Ehre, mich mit der Versicherung meiner vorzüglichsten Hochachtung zu zeichnen

Euer Hochwohlgeboren

ergebenster

______________

[1] LI LA RE 1906/0442 ad 425. Aktenzeichen: 1998. Eingangsstempel der Regierung vom 6.3.1906. Handschriftliche Betreffangabe: Handelsvertrag.
[2] Österreich-Ungarn und die Schweiz verhandelten seit 12.10.1905 über ein neues Handelsabkommen. Vgl. dazu DDS, Bd. 5, Nr. 89, 91-94, 106, 113.
[3] Bürstenabzüge des Handelsvertrags und des Viehseuchenübereinkommens, o.D. (März 1906).
[4] Handelsvertrag und Viehseuchenübereinkommen zwischen Österreich-Ungarn (gleichzeitig in Vertretung des Fürstentum Liechtensteins) einerseits und der Schweiz andererseits vom 9.3.1906 (LGBl. 1906 Nr. 8; AS, Bd. 22, 1906, S. 423-538; öst. RGBl. 1906 Nr. 156-158). Die Originale unter LI LA SgSTV 1906.03.09.
[5] In der Maur teilte mit Telegramm vom 6.3.1906 mit, dass die Regierung dem Handelsvertrag und dem Viehseuchenübereinkommen zustimme (LI LA RE 1906/0442 ad 425, In der Maur an Hampe, 6.3.1906).
[6] LI LA RE 1906/0425, In der Maur an Hampe, 3.3.1906.