Handschriftliche Aufzeichnungen von Oberstleutnant a.D. Rudolf Lucke, ehemaliger Grenzschutzkommandant in Feldkirch [1]
o.D. (1925)
Zur Geschichte der Sixtusbriefe! [2]
Über die Sixtusbriefe haben schon während des Krieges und nach demselben In- und Ausländische Zeitungen wiederholt berichtet. Wohl schrieben diese Blätter über die Absichten, welche durch diese Briefe erreicht werden sollten, doch über das wie, wann und in welcher Art die Träger dieser Briefe [Sixtus und Franz Xaver von Bourbon-Parma] ihre Reisen bewerkstelligen, konnten die Tagesblätter nur allgemein vermuten, aber nicht das Richtige treffen.
Zweimal haben die Träger dieser Briefe die Reise gemacht. Das erstemal ging der Grenzübertritt so ruhig, still und ohne jedes Aufsehen vonstatten, dass nur die wenigen dabei beteiligten Personen von der Ein- und Ausreise der beiden Prinzen Parma Kenntnis hatten – und diese Personen schwiegen – schweigen bis heute!
Die zweite Fahrt der Prinzen erfolgte schon unter Umständen, die auffallen mussten, denn gross war schon die Anzahl derjenigen, die von den Grenzübertritten Kenntnis hatten und die Fahrt selbst glich wenigstens auf Vorarlberger Boden eher einem lustigen Automobilausflug denn einer geheimen Reise.
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Durch vielfache Beziehungen zu Mitgliedern des gewesenen Kaiserhauses war ich einem Teil derselben bekannt. Als ich im Jahre 1915, von meiner schweren Verwundung halb geheilt, nach Feldkirch in Vorarlberg kam und dort das Grenzschutzkommando übernommen habe, lernte ich weitere Mitglieder des Kaiserhauses kennen und war in der angenehmen Lage, manche Wünsche derselben zu erfüllen.
So habe ich den nachmaligen Kaiser Karl und Kaiserin Zita schon von meinem Wiener Aufenthalt gekannt, Herzogin Maria Antonia von [Bourbon-]Parma, ferner zwei Söhne und die Tochter derselben und endlich auch die kleinen Geschwister der Kaiserin Zita kennen gelernt.
Durch den Umstand, dass zwei junge Erzherzoge [Theodor Salvator und Clemens Salvator von Habsburg-Lothringen] und Prinz Louis von [Bourbon-]Parma im Jesuitenkolleg [Stella Matutina] in Feldkirch waren, trat ich auch mit den hohen Eltern dieser Prinzen [3] in Verbindung. Ich war und bin stolz darauf, dass diese Herrn und Damen mich mit ihrem Vertrauen beehrten, waren es doch Verwandte und nahestehende Personen des allgeliebten Kaisers, denn im Herzen eines jedes altösterreichischen Offiziers, der von Jugend an in der Armee aufgewachsen war, verkörperten sich die idealen Begriffe von Heimat- und Vaterlandsliebe in der Person des Kaisers und Königs.
Wenn ich jetzt, sieben Jahre nach dem Kriege und neun Jahre nach den Begebenheiten der Sixtusbriefe über diese Begebenheiten schreibe, so werden nur historische Tatsachen enthüllt, welche niemandem schaden können und deren Wahrheit sowohl für den Geschichtsschreiber als auch für sein lesendes Publikum von einigem Wert sein dürften.
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Verschiedene Reisen der Herzogin Maria Antonia von Parma, die sie aus der Monarchie nach der Schweiz und wieder zurück machte, brachten mich stets mit ihr in Berührung. Gewöhnlich hielt sie sich in Feldkirch mehrere Stunden auf, blieb auch einigemale über Nacht, in wiederholten Fällen führte ich sie von Feldkirch per Auto in ihr Schweizerschloss Wartegg, oder ich holte [sie] wieder mit Auto aus Buchs ab.
Bei allen diesen Gelegenheiten lagen unsere Gespräche weit ab von jeder politischen Basis und nichts konnte mich vermuten lassen, dass ich einmal dazu ausersehen sein durfte, die Träger einer hochwichtigen politischen Mission im Geheimen über die Grenze zu bringen – besser gesagt, zu schmuggeln.
Es war gegen Ende 1916, da erhielt ich in meiner Kanzlei den Besuch des Pater "Stenars" [Johann Steenaerts]. Es war nicht das erstemal, dass dieser Herr bei mir vorsprach. Der Besuch konnte mir auch deshalb nicht weiter auffallen.
Nachdem sein Anliegen erledigt war, blieb der Pater noch sitzen, erzählte noch vielerlei und blieb lange – auffallend lange. Dieses lange Bleiben fiel mir umsomehr auf, als der Herr in allen früheren Fällen nach Erledigung seines Anliegens gleich fortgegangen war.
Plötzlich fragte der Pater: "Herr Oberstleutnant, was sagen Sie dazu, dass der Kaiser Karl seinen beiden Schwägern des 'Signum Laudis' verliehen hat?" Wohl wusste ich, welche Schwäger der Pater meinte, denn in Offizierskreisen wurde das Gerücht, dass der Kaiser seinen beiden in der belgischen Armee dienenden Schwägern das "Signum Laudis" verliehen hat, viel kollportiert und kommentiert. – Ich meinerseits fühlte mich jedoch gar nicht verpflichtet, dem Pater darüber meine Meinung zu sagen, stellte mich unwissend und stellte die Gegenfrage, warum denn nicht die Brüder der Kaiserin, welche in unserer Armee dienen, sich auch eine Dekoration erwerben sollen?
Nun wurde der Pater aber deutlich! Fast entrüstet wies er darauf hin, dass die beiden in der belgischen Armee dienenden Schwäger vom Kaiser ausgezeichnet wurden, fand dies merkwürdig – sehr merkwürdig und setzte hinzu, dass dies wohl nicht richtig sei! Mich leitete das unbestimmte Gefühl, dass der Pater mich verleiten wollte, auch meinerseits die Sache zu kritisieren, wozu ich mich keineswegs veranlasst sah. Meine Erwiderung hatte ungefähr folgenden Wortlaut: "Es kann ja sein, dass die beiden beim Feinde dienenden Prinzen unseren eigenen Gefangenen im Feindeslande Wohltaten erwiesen haben, wie es ja Gott sei Dank oft vorkommt, und dass der Kaiser diese humanitäre Sorge durch eine Dekoration belohnt hat." Der Pater gab dies zu und ging.
Ich habe über dies Gespräch oft nachgedacht und bin bis heute das Gefühl nicht losgeworden, dass dieses Gespräch den bestimmten Zweck hatte, meine Ergebenheit gegenüber dem Kaiser zu prüfen. Andererseits habe ich gar keinen Beweis für die Richtigkeit dieses Gefühls; doch erschien es mir auffallend, dass gerade dieser Jesuiten Pater, der ein Vertrauensmann des Hofes war, sich mir gegenüber ohne Grund zu einer kritisierenden Bemerkung über eine Handlung des Kaisers hinreissen liess.
Die späteren Vorfälle haben dieses misstrauische Gefühl nur noch bestärkt, denn kurze Zeit darauf kam die Herzogin von Parma nach Feldkirch, blieb dort über Nacht, und da wurde ich zu einer Unterredung mit ihr befohlen, wo die Angelegenheit der Sixtusbriefe ihren Anfang nahm. Mit der Herzogin, ihrer Tochter, Prinz Luis und einer Hofdame hatten wir zu Mittag gegessen. Nach dem Essen, in ruhigem Gespräche sitzend, hob die Herzogin die Tafel bald auf, und sagte zu mir beim Abschied: "Herr Oberstleutnant, ich möchte sie in einer halben Stunde in meinem Zimmer allein sprechen."
Ich war zur rechten Zeit zur Stelle. Es war eine "Rapport Audienz". Ich fühlte mich einem hohen Vorgesetzten gegenüber, denn die Herzogin leitete das Gespräch mit folgenden Worten ein:
"Herr Oberstleutnant, ich spreche im Auftrage Seiner Majestät des Kaisers!" –
"Sie wissen, dass zwei Brüder der Kaiserin in der belgischen Armee dienen!?"
Meine Antwort war ein stummes Bejahen!
"Die Kaiserin hat diese beiden Brüder schon zwei Jahre nicht gesehen; sie hat Sehnsucht nach ihnen und wünscht, dass diese beiden Prinzen nach Wien kommen. Natürlich muss die Reise geheim geschehen. Denken Sie darüber nach, wie die Prinzen insgeheim über die Grenze kommen können. Setzen Sie sich mit unserem Militärattaché in Bern 'Oberst Baron [William von] Einem' in Verbindung, denn anders als über die Schweiz können die Prinzen die Reise nicht machen."
"Glauben Sie, dass Sie die Sache machen können?" Ein bestimmtes "Ja" war meine Antwort.
Am liebsten hätte ich der Herzogin gesagt, dass ich keine weitere Mittelsperson brauche; man solle mir nur sagen, an welchem Tage und in welchem Orte ich die Prinzen in der Schweiz treffen kann. Ich hätte mir sie geholt – über die Grenze – nach Wien und wieder zurückgebracht und kein Mensch hätte davon etwas ahnen müssen!
Doch der Auftrag war bestimmt gegeben, und er wurde auch ausgeführt, sodass bei der ersten Reise tatsächlich nur fünf Personen in's Vertrauen gezogen waren. Bei der zweiten Reise – doch davon später.
Die Herzogin legte mir die Sache nochmals ans Herz, indem sie nochmals betonte: "Von der Sache darf niemand etwas erfahren, am allerwenigsten die Deutschen."
War es mir von Haus aus klar, dass diese so geheim zu betreibende Reise einen anderen Zweck als den des blossen Wiedersehens haben musste, so haben mich die letzten Worte der Herzogin, "dass besonders die Deutschen" nichts davon erfahren dürfen, bestimmt überzeugt, dass etwas los ist, was eventuell gegen Deutschland gerichtet sein könnte.
Meine Gedanken habe ich für mich behalten, und ich war gewiss, dass der deutsche Verbindungsoffizier in Feldkirch von der Reise nichts erfahren wird. – Und er hat von der ersten Reise auch nichts erfahren. Um was es sich gehandelt hat, das wusste ich damals nicht. Erfahren habe ich es erst durch die nachfolgenden Begebenheiten, die unter dem Titel "Sixtusbriefe" durch die ganze Welt gingen. Erst damals wurde mir klar, dass die Träger der beiden Briefe durch meine Hand gingen – meine Gäste waren.
In der Folgezeit traf ich mit "Oberst Baron Einem" zusammen. Er kam aus Wien, hatte dort seinerseits die Befehle über die Sache erhalten, verständigte mich von seiner Rückreise.
Ich fuhr ihm einige Stationen entgegen, wir besprachen die Grundprinzipien der Durchführung des Auftrages und blieb das andere der Erledigung auf schriftlichem Wege vorbehalten.
(Für das folgende bezeichne ich nebenstehend die Beilagen, die ich nur durch Kommentare ergänze.)
Beilage I. [4]
Die Pässe sollten vom österreichischen Konsul in St. Gallen ausgestellt werden, wären auf das Schloss Wartegg gekommen und die Prinzen durch einen Vertrauensmann zugestellt worden, sobald sie von Frankreich aus Schweizer Boden betreten haben.
Beilage II. [5]
Stellt nur eine Anfrage dar.
Beilage III. [6]
In der Zwischenzeit 7./2.–26./2. haben folgende Unterredungen stattgefunden, wodurch der bisherige Kreis der Eingeweihten Oberst von Einem und mir um weitere 3 Personen erteilt worden ist.
- Oblt. Graf [Thomas von] Erdödy, zugeteilt dem Hoflager des Kaisers als Gendarmerieoffizier.
Derselbe soll die beiden Prinzen in der Schweiz voraussichtlich in Genf treffen, auf der Reise in der Schweiz begleiten, dann auf dem Kurierwege, da er ja offiziell als Kurier fährt, allein nach Buchs kommen und [sie] des weiteren von einer Vorarlberger Station nach Wien begleiten.
Meiner Ansicht nach war diese Mittelsperson vollkommen überflüssig, denn Erdödy, der den Entent Spionen als österreichischer Offizier bekannt ist, kann den Prinzen bei der Reise in der Schweiz nichts nützen; macht aber, weil sie in seiner Begleitung sich befinden, nur auf sie aufmerksam.
Tatsache blieb, dass die Prinzen durch Erdödy nicht über die Grenze gebracht werden konnten. Dazu war eine einwandfreie, den Schweizer Behörden als unverdächtig bekannte Person notwendig. - Diese Person glaubte ich in Baron Leopold von Imhof, Fürst Liechtensteinischer Landesverweser in Vaduz, gefunden zu haben.
Mit Zustimmung des Oberst Baron Einem habe ich Baron Imhof und Gemahlin [Ida, geb. Hoffmann] in's Vertrauen gezogen und fand ich bei dem genannten Ehepaar das grösste und liebenswürdigste Entgegenkommen.
Beilage IV und V. [7]
Die Prinzen werden unter dem Namen "Richard Pfister" und "Stephan Plattner" die Pässe erhalten.
Oberst E. hat Recht. Der Einbruch in der Österreichischen Gesandtschaft hat viel Staub aufgewirbelt – sollten die Einbrecher vielleicht auch Dokumente gesucht haben, welche sich auf die Einreise der beiden Prinzen beziehen?
Beilage VI. [8]
Stellt nur die näheren Modalitäten fest, unter welchen die gedeckte Einreise erfolgen soll. Desgleichen sind die weiteren Beilagen VII und VIII [9] weitere Ergänzungen.
Beilage IX. [10]
Bei grösster Genauigkeit der Vorbereitungen ereignen sich Zufälligkeiten, mit denen nicht im Vornhinein gerechnet werden kann. Das Telegramm des Militärattachés, welches mich rechtzeitig von der Reise der Prinzen hätte verständigen sollen, war nicht als dringend bezeichnet. Es kam "Chiffriert" an die N. Stelle (Nachrichtenstelle). Ich erhielt es erst nach 11 Uhr Vormittag. Dadurch war bedingt, dass Baron Imhof den beiden Herrn nicht bis Weesen entgegen fahren konnte, sondern nur bis Sevelen.
Nachdem ich das Telegramm erhalten hatte, fuhr ich sofort zu Imhof nach Vaduz. Wir besprachen seine nur bis Sevelen möglich Fahrt, welche er auch sofort angetreten hat.
Die Wartezeit bis zu seiner Rückkehr war mir eine harte Nervenprobe und ich atmete erleichtert auf, als endlich der Wagen kam und ich vom Fenster aus zwei fremde Herrn neben Imhof im Wagen sitzen sah. – Es waren die beiden Prinzen.
Bis zum Eintritt der Nacht blieben wir bei Imhof's, dann erst bestiegen wir das Auto, fuhren nach Feldkirch, wo mittlerweile Erdödy eingetroffen war. Erdödy fuhr mit dem Nachtzuge von Feldkirch gegen Wien; ich brachte die Prinzen mit Auto nach Frastanz, wo sie zu Erdödy in das reservierte Coupé einstiegen.
Der erste Teil meiner Aufgabe war damit erfüllt.
Beilage X. [11]
Die Ankunft der Prinzen nach Wien wurde an Exzellenz Graf [Georg von] Wallis, Wien, avisiert. Erdödy brachte die Prinzen vom Wiener Westbahnhof in seine Privatwohnung, wo selbe nächtigten und am 23./3. früh mit Auto nach Laxenburg fuhren, wo sich der Kaiser, die Kaiserin und die Herzogin von Parma aufhielten.
Beilage XI. [12]
Der Militärattaché in Bern wurde von mir über die glückliche Ankunft auf österreichischem Boden avisiert.
Beilage XII. [13]
Als die Prinzen bei mir in Feldkirch in meiner Privatwohnung waren, brachte ich einen schon früher gefassten Entschluss zur Ausführung. Ich bat den Prinzen Sixtus, mir doch einen Befehl des Kaisers zu überbringen, damit ich doch etwas in der Hand habe, was mich deckt, weil ich ja doch in dieser Angelegenheit weit über meine militärischen Befugnisse hinaus handeln musste, und mir nur der mündliche Auftrag der Herzogin zu Teil geworden war.
Oberst Baron Einem war nicht mein Vorgesetzter; unsere Gespräche waren vollkommen privater Natur, ebenso unsere Korrespondenz.
Ich war mir bewusst, dass ich mit diesem meinem Verlangen eventuell an höchster Stelle anstossen konnte, doch das riskierte ich, weil mir eben an dem schriftlichen Befehl gelegen war. Mein Begehren wurde erfüllt und brachte mir Prinz Sixtus bei der Rückreise den vom Kaiser eigenhändig gefertigten Befehl.
In der Zeit, die zwischen der Einreise der beiden Prinzen und der Ausreise derselben liegt, war meine Transverierung zu den Marschformationen nach Südtirol erfolgt. Ich führte jedoch das Grenzschutzkommando noch weiter und geleitete bei der Rückreise die Prinzen wieder nach der Schweiz.
Von Oberleutnant Erdödy wurde ich von Wien aus durch ein verabredetes Telefongespräch verständigt; diese telefonische Unterredung sagte mir genau, wann ich die Prinzen zu erwarten habe.
Die Ankunft derselben erfolgte am 26. März Nachmittags. Ich fuhr nach Bludenz und liess das Automobil in Nenzing warten.
Beilage XIII, XIV und XV. [14]
In Bludenz stieg ich zu den Prinzen ein, fuhr mit ihnen bis Nenzing, verliess mit ihnen dort, auf der verkehrten Seite, aussteigend den Zug. Wir fuhren nach Feldkirch in meine Wohnung, wo ich mich in Zivil umkleidete. Kurz darauf traten wir die Autofahrt nach Vaduz an und stiegen bei Baron Imhof ab. Baron Imhof mit den beiden Prinzen fuhr per Wagen über die eine Brücke nach der Schweiz, ich mit der Baronin Imhof und dem Gepäck der Prinzen fuhr über die Hauptbrücke nach Buchs. Ohne das geringste Aufsehen zu erregen, passierte sowohl Baron Imhof als auch ich die Grenze. Wir trafen uns ausserhalb von Buchs. Die Prinzen stiegen zu mir und Baronin Imhof ins Auto und die Fahrt ging bis nach Nesslau, wo die Prinzen das Auto verliessen, um dort zu nächtigen, und am nächsten Tage die Reise fortzusetzen.
War soweit alles glatt vonstatten gegangen, so hätte uns fast eine Schneelawine an einer Wegstelle der Strasse die Weiterfahrt unmöglich gemacht. Zwar arbeiteten schon Leute an der Freilegung der Strasse, doch war genug Schnee vorhanden, dass das Auto stecken bleibt. Doch endlich war auch dieses Hindernis glücklich überwunden und kamen wir nach Nesslau. Der Abschied von den beiden Prinzen war kurz aber herzlich und zum Schluss sagte mir Prinz Sixtus: "Wir werden uns ja in kurzer Zeit wieder sehen."
Diese letzteren Worte sollten bei der nächsten Reise der Prinzen, was meine Person anbelangt, nicht zur Wahrheit werden. Ich hatte mittlerweile das Grenzschutzkommando an meinen Nachfolger übergeben; war nach Südtirol gefahren, um mich bei meinem Armeekommando zu melden; erbat mir Urlaub und kehrte wieder nach Feldkirch zurück.
Der Urlaub für Feldkirch war für mich eine dringende Notwendigkeit. Die Reise der Prinzen sollte wiederholt werden, ich durfte aber weder meinen Vorgesetzten noch meinen Nachfolger und auch keine andere Stelle einweihen und so musste ich mich in Feldkirch zur Verfügung halten.
Beilage XVI, XVII, XVIII und XIX. [15]
Während meines Urlaubes erhielt ich durch zwei Briefe der Herzogin von Parma insoweit Orientierung, dass in den Plänen einige Veränderungen eingetreten sind und eine allenfallsige Rückkehr von einer anderen Seite bewerkstelligt werden müsste. Ich war also ausgeschaltet und war dessen herzlich froh!
Anfänglich war ich wirklich der Meinung, dass der Grenzübertritt aus der Schweiz nicht nach Vorarlberg, sondern vielleicht in das Gebiet von Nauders erfolgen soll – er erfolgte aber wieder über Feldkirch.
Noch während meines Urlaubs in Feldkirch trafen dort zwei freiwillige Automobilfahrer (Offiziere) vom Landes Verteidigungs Kommando in Bozen ein. [16]
Die Ankunft dieser zwei fremden Offiziere sowie das Ausladen des fremden Automobils erregte allgemeines Aufsehen und die Ankunft des Oberleut. Erdödy sowie sein Verkehr mit den vorgenannten zwei Offizieren sagte mir das Weitere.
Schon vor der ersten Reise stellte mir Erdödy den Antrag, die Fahrt der Prinzen von Feldkirch nach Wien per Auto zu machen, weil es doch schön wäre, eine so lange Autofahrt durch schöne Gegenden zu unternehmen. Ich lehnte diesen Antrag damals kurzweg ab, denn die Situation war doch am wenigsten darnach angetan, Vergnügungsfahrten zu machen.
Die zweite Reise der Prinzen hat gezeigt, dass Erdödy den Plan seiner Autofahrt doch ausführen wollte.
Über die zweite Reise der Prinzen scheint nicht nur der Leiter der Nachrichtenstelle in Feldkirch, Hptm. [Luzian] "Ivasku", sondern alle Offiziere dieser Stelle informiert gewesen zu sein, denn als die Prinzen bei Tag mit dem Bozner Automobil die Fahrt von Feldkirch nach Wien angetreten haben, [17] war das Auto übervoll mit Offizieren.
Die Prinzen, Erdödy, die Bozener Automobilfahrer, der Leiter der Nachrichtenstelle und noch zwei andere Offiziere dieser Stelle sassen darin und gaben kurze Zeit das Geleite.
Zahlreiche Personen auf der Strasse sahen diese merkwürdige Fahrt und ich selbst begegnete dem Auto.
Wie die Rückkehr erfolgte, darüber bin ich nicht orientiert.
Das Automobil war damals von Bozen angefordert worden, der Zweck war dem Landes Verteidigungs Kommando nicht bekannt. Von Kameraden habe ich damals folgendes erfahren: Als die freiwilliger Automobilfahrer sich nach ihrer Rückkehr in Bozen bei Exzellenz Feldmarschall [Franz] Konrad [Conrad] v. Hötzendorf meldeten, antworteten sie ihm auf die Frage, was sie gemacht hätten, dass sie die beiden in der belgischen Armee dienenden Brüder der Kaiserin von Feldkirch nach Wien und wieder zurück geführt hätten. Auf diese Art und Weise erfuhr der Feldmarschall erst davon. Er soll damals an das Armeeoberkommando in sehr scharfen Worten geschrieben haben, dass eine derartige Verbindung mit dem Feinde ohne Kenntnis der Bundesgenossen von ihm in keiner Art gebilligt werden kann. Ich muss erneuert betonen, dass ich dies nur von Kameraden erfahren habe, bin aber geneigt, daran zu glauben, weil die Verurteilung dieser Verbindung der offenen und geraden Denkungsart des Feldmarschalls entspricht. Die politischen Folgen, welche die sogenannten Sixtusbriefe hatten, sind bekannt. Ein Urteil darüber will ich mir nicht anmassen.
Die ausgeworfenen Beilagen sind beigefügt.