Das Nebenzollamt Vaduz ersucht die Regierung um Weisung, ob nach Liechtenstein entflohene russische Kriegsgefangene zu verhaften sind


Handschriftliche Anfrage des österreichisch-liechtensteinischen Nebenzollamtes Vaduz an die liechtensteinische Regierung [1]

9.10.1916

Laut Mitteilung des k.u.k. Grenzschutzkommando in Feldkirch vom 8.10.1916, Zl. 259/92, sind die russischen Kriegsgefangenen zum grössten Teile mit militär-ärarischen [2] Kleidungsstücken / Lager Montur, Schuhwerk auch Mantel / versehen und tritt daher ausnahmslos bei der Flucht jedes Kriegsgefangenen der Fall ein, dass sich derselbe des Diebstahles von ärarischen Eigentum schuldig gemacht und daher auch auf Liechtensteiner Boden zu verhaften ist.

Es wird daher um Weisung gebeten, was das gefertigte Amt im Falle der Aufgreifung solcher Kriegsgefangener zu tun hat, nämlich ob dieselben verhaftet werden sollen oder nicht. [3]

 

______________

[1] LI LA RE 1916/3631 (Aktenzeichen 507). Stempel des „k.k.Ö. u. F.L. Nebenzollamtes Vaduz". Unterschrift unleserlich. Eingangsstempel der Regierung vom 10.10.1916. Die Auslieferung nach Liechtenstein geflohener Kriegsgefangener an Österreich-Ungarn war im Hinblick auf den Neutralitätsstatus' Liechtensteins von besonderer Brisanz. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die grundsätzliche Äusserung der liechtensteinischen Regierung gegenüber dem k.u.k. Gericht des Militärkommandos Innsbruck vom 29.1.1916, in welchem Landesverweser Leopold von Imhof die Auslieferung österreichischer Deserteure an Österreich-Ungarn u.a. mit dem Hinweis auf die liechtensteinische Neutralität und die darauf basierende Lebensmittelversorgung des Landes ablehnte (LI LA RE 1916/0407 ad 0207).
[2] Ärarisch: staatlich.
[3] Landesverweser Imhof antwortete am 10.10.1916, dass es dem Nebenzollamt Vaduz überlassen bleiben müsse, hinsichtlich der Behandlung entwichener Kriegsgefangener im Dienstweg die Weisung der vorgesetzten Finanzbehörde einzuholen, welche diesfalls mit der liechtensteinischen Regierung das Einvernehmen pflegen werde (LI LA RE 1916/3631 Revers, reingeschrieben von David Strub am 11.10.1916).