Landesverweser Leopold von Imhof berichtet Regierungssekretär Josef Ospelt über seine Verhandlungen mit österreichischen Behörden und Banken und teilt mit, dass Grossbritannien sich nach Liechtensteins Stellung im Krieg erkundigt habe


Handschriftliches Schreiben von Landesverweser Leopold von Imhof an Regierungssekretär Josef Ospelt [1]

19.9.1914, Wien (Hotel Residenz)

Lieber Herr Sekretär!

Endlich komme ich dazu, auf ihre Sendungen zu reagieren. [2] Ihr Telegramm wegen der Pferde habe ich erst Mittwoch abends erhalten, da ich untertags nicht ins Hotel kam. Ich habe es noch an demselben Abend einem Bekannten im F. M. [Finanzministerium] gegeben, der versprach mir die Sache zu richten. [3] Sie ist auch bereits in unserem Sinne gelöst, doch musste das Kriegsüberwachungsamt sein Placet geben und heut geht die Weisung an die Finanzbehörde wieder nicht ab, weil der Sektionschef Sitzung hat. Bis Montag bekommt [Karl] Sinz so das Telegramm. Sie können [Edelbert] Fritz sagen, dass ihn die Sache eigentlich nichts angegangen wäre, denn wenn die Pferde nach Lindau gehen, gehen sie jedenfalls über Feldkirch, Bregenz und ihr Aufhalten wäre materiell Sache des dortigen Finanzwachorgans. Zwischen L. und Vorarlb. gibt es aber keine Zollschranke, dies auch die Ansicht des F.M. – Nein, es wird den Rössern nichts schaden, wenn sie eine Woche länger in L. sind. Wegen der künftigen Viehausfuhr werde ich mit dem betreff. Sektionschef des F.M. am Montag noch verhandeln.

Mit der Festsetzung von Maximalpreisen für Brot bin ich ganz einverstanden. [4]

Den Wahltag bestimmen Sie vielleicht Ende September.

Wohnt Dr. [Wilhelm] Beck wirklich im Land? Das Mieten einer Wohnung macht es allein nicht aus. [5]

Gestern war ich den ganzen Tag in Feldsberg. Vorgestern und heut in der Hofkanzlei. Geld habe ich sichergestellt – die fürstl. Kassa hat gar nichts, muss sich selbst Gelder entnehmen. Die Creditanstalt, mit der ich verhandelte, war sehr entgegenkommend – das Geld kommt uns auf 6½ %, wogegen sonst 8 bis 9 zu zahlen sind. (Selbst vom Fürsten [Johann II.]). Der Fürst hat angeordnet, dass uns unbedingt ausgeholfen werden müsse – mit der Hofkanzlei wäre es mir aber zu langsam und umständlig gegangen, ich habe die Sache daher selbst in die Hand genommen mit Zustimmung S.D. Wir werden auch um 200'000 K Silber prägen lassen. [6] Bitte bereiten Sie die Vorlage vor:

für 75'000 K 1 K
für 75'000 K 2 K
für 50'000 K 5 K.

Wie stehts mit den Nachtwächtern fürs Schloss!

Die engl. Regierung hat im Wege der amerikanischen Gesandtschaft anfragen lassen, wie wir uns zum Krieg stellen – ob wir uns neutral erklären oder auch den Krieg erklären. [7] Grosse Aufregung in der Hofkanzlei! Der Fürst hat erst gelacht. Im M. d. Äuss. meinten sie, wir sollen, um unsere Neutralität zu dokumentieren, den Zollvertrag kündigen! [8] Die Sache liess [?] sich einfach beilegen. Das alles näher mündlich. Verzeihen Sie die Schmiererei und die Niederschrift – ich habe schon wieder grosse Eile. Bester Gruss.

______________

[1] LI LA RE 1914/2452 ad 2131.
[2] LI LA RE 1914/2452 ad 2131, Telegramm Ospelt an Imhof, o.D. (16.9.1914); LI LA RE 1914/2452 ad 2131, Ospelt an Imhof, 16.9.1914.
[3] Finanzwachkommissär Edelbert Fritz hatte dem Pferdehändler Karl Sinz die Ausfuhr von zehn Pferden nach Bayern unter Berufung auf die Verordnung der Ministerien des Innern, der Finanzen, des Handels und des Ackerbaues vom 1.8.1914, mit welcher die Aus- und Durchfuhr mehrerer Artikel verboten wird (öst. RGBl. 1914 Nr. 192), untersagt.
[4] Die Regierung setzte mit Kundmachung vom 17.9.1914 Höchstpreise für Roggen- und Maisbrot fest (LI LA RF 1914/2468 ad 2131).
[5] Ospelt hatte Imhof über die Wahlmännerwahlen, die vom 9.–14.9.1914 stattgefunden hatten, informiert. In Triesenberg seien gedruckte Stimmzettel ausgegeben worden, dem Vernehmen nach von Wilhelm Beck, auf denen "der Autor selbst mitglänzte und auch tatsächlich mit 140 Stimmen gewählt" worden sei (LI LA RE 1914/2452 ad 2131, Ospelt an Imhof, 16.9.1914).
[6] Gesetz vom 22.12.1914 betreffend die Neuprägung von Silbermünzen der Kronenwährung, LGBl. 1914 Nr. 13.
[7] LI LA V 003/0040/1, Verbalnote der US-amerikanischen Botschaft in Wien an das k.u.k. Ministerium des Äussern, 14.9.1914.
[8] Vgl. LI LA V 003/0040/1, Bericht Hermann von Hampe an Johann II., 17.9.1914