J. G. Rheinberger schildert David Rheinberger die Gründe für die Absage der Stelle in Frankfurt


Brief von Josef Rheinberger an David Rheinberger:

 

München, 19.5.1877

Mein lieber David!

Wenn ich Dir sehr lange nicht geschrieben habe, so musst Du ja nicht glauben, dass ich Dich vergessen hätte - ich schreibe ausser den nöthigsten geschäftlichen Briefen eigentlich fast nur Noten. Über die sonstigen Vorkommnisse seid Ihr, Du u. Vater, doch immer durch Fanny im Laufenden erhalten. Wenn ich von dem Speziellmusikalischen, was ja für Dich wenig Interesse haben kann, absehe, so habe ich auch diessmal wenig zu berichten. Dass ich nahe daran war, nach Frankfurt überzusiedeln, weisst Du wohl; doch glaube ich, wenigstens als Komponist besser gethan zu haben, hier zu bleiben, obschon die Frankfurter bis zu 10000 M. Gehalt geboten hätten. Dafür ist Frankfurt viel theurer als München und das Leben für einen Künstler dort unter den tonangebenden Geldmenschen aus dem "Landgericht Jerusalem" eben speziel nicht angenehm. Und schliesslich ist mir die freie Zeit, die ich für künstlerische Produktion verwende, überhaupt für Geld nicht feil! - und so bin ich geblieben. Die Geldwirren in Liechtenstein scheinen sich nun gelegt zu haben; ich stelle mir dergleichen recht ungemüthlich vor, wenn man so mitten in diesen kleinlich egoistischen und unerquicklichen Kirchthurmsinteressen ausharren und mitmachen muss. Wie Peter früher berichtete, hast Du Dich ganz in Deine Einsiedlerrolle eingelebt - ich kann mich heuer noch nicht entschliessen nach Vaduz zu kommen. Die Leere welche unsere unvergessliche Maly /hinterliess/ ist mir noch zu neu. Ohne abergläubisch zu sein, möchte man es aber fast werden, wenn man bedenkt, dass nach jedem unserer Besuche der Tod in unserer Familie einkehrte. Ihr dürft es mir nicht Übel nehmen, wenn ich diessmal nicht komme,- aber das elterliche Haus in seiner jetzigen Vereinsamung würde mir einen geradezu ziemlich melancholischen Eindruck machen.

Glaube ja nicht, lieber David, dass es mir nicht eine grosse Freude wäre, Dich und Peter zu sehen und dass ich Dir nicht die Theilnahme und Liebe eines herzlich ergebenen Bruders bewahre; aber ich kann Dir gar nicht sagen wie entsetzlich traurig es mir vor 2 Jahren, die lieben Eltern nicht mehr, und Maly in so leidendem Zustand zu finden. Darüber hilft Gottlob die Zeit hinweg, aber sie hat noch nicht hinweg geholfen. Pöhly aus Schlanders schreibt von Zeit zu Zeit und hat mir auch seine Photografie geschickt.-

In diesen Ferien will einer meiner Schüler, ein Hr. von Welz, die Vaduzer Orgel besuchen, wenn Du oder Peter ihm freundlich sein könnt, so bitte ich darum; er wird in keiner Art lästig sein.-

Unsere Ferien sind heuer vom 15/7 - 15/9, also um zwei Wochen vorgerückt; zunächst gebrauche ich wie immer in Kreuth die Molkenkur (und meine Frau die „Luftkur") und sodann möchten wir wieder ein Stück Welt kennenlernen, das heisst eine Reise thun. Den nächsten Brief erhältst Du also aus Kreuth.

In der Hoffnung, dass Du, Peter und Familie, Euch in bester Gesundheit befindet, verbleibe ich

Dein Dich herzlich liebender Bruder

J. Rheinberger.

Meine Frau grüsst bestens. Gerne möchte ich Dir für Deine Bibliothek ein schönes Buch geben; sei so freundlich mir Deine Wünsche mitzutheilen

D.O.

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