Eine Gruppe von Eltern fordert eine Verbesserung der Unterrichtsmöglichkeiten für Mädchen


Schreiben von Rosa Batliner, Emil Real, Amalie Wachter-Walch, Josef Vogt, David Strub, Emil Ospelt und Alfred Preuss an den Landesschulrat [1]

13.5.1941, Vaduz

Betreff: Mädchenschulbildung

Die unterzeichneten Eltern haben in berechtigter Sorge um die Schulbildung ihrer Mädchen wiederholt eingehende Aussprachen untereinander gehabt. Es herrscht die einmütige Auffassung, dass die unterrichtlichen Gegebenheiten nicht befriedigen. Insbesondere ist eine zielsichere, zeitgemässe, weibliche Bildung auch in charakterlicher Hinsicht nicht gewährleistet. Es wird absichtlich vermieden, die Missstände und Vorkommnisse aufzuzeigen. Andererseits liegt es den beteiligten Eltern sehr am Herzen, dass die Prägung der seelisch-geistigen Fähigkeiten ganz in den Vordergrund gerückt werden. Ausdrücklich erklären wir, dass keinerlei Absicht davon abgeleitet wird, die Mädchen mit besserer Bildung jemals in eine Staatsstellung kommen zu lassen. Nur ein Wunsch leitet unsere dringende Eingabe: eine zufriedenstellende höhere Bildung.

Heute mehr denn je sind durch die Zeitentwicklung die Bedürfnisse gespannter, aber auch verantwortungsbewusster. Die Gewöhnung an Zucht und Ordnung, an straffes und planmässiges Arbeiten ist für Körper und Seele eine erzieherische Forderung und zugleich ein vaterländischer Wert. Können und Lebensmöglichkeiten stehen und fallen zum Teil mit der genossenen Bildung, wenn das Mädchen tapfer und mutig der Zeit und den oft harten Lebensschicksalen gegenübertreten will. Ausgiebige Förderung aller fraulichen Eigenschaften bedeutet auch einen unbezahlbaren Gewinn für Heimat und Volk. Seelische Tragik gibt es ohnehin schon genug. Wir empfinden es unverantwortlich, zu schweigen, wo die Notwendigkeit einer besseren Mädchenbildung offen ins Auge gefasst werden muss. Sein und Zukunft unseres lieben Vaterlandes fordern immer eindeutiger, sich des Schicksals der Kinder anzunehmen und den erziehungswidrigen Wirklichkeiten nicht bewusst das Auge zu verschliessen. Es ist auch eine Gewissensverpflichtung, die Lebensvorbereitungen unserer Mädchen als Höchstes mitbestimmen zu helfen.

Wenn man in allen Kulturländern eigene Sorgfalt der Mutter zuwendet, dann muss man auch bei uns jetzt schon Rücksicht auf das Mädchen nehmen. Das Schicksal des Vaterlandes wird eine aufsteigende oder eine absteigende Lebenskurve nehmen, so wie die gegenwärtige Bildungsfrage der Mädchen gelöst werden wird. Seelische Gefahren lassen auch unabwendbare sittliche Folgen nachkommen. Das Leben der Familie ist besonders in der Jetztzeit von so vielen Sorgen und Schmerzen durchwebt. Wenn sie überdies dem Gemeinwohl entsprechen will und ihm dienen soll, dann muss die Gesamtentwicklung unserer Mädchen einwandfrei gesichert sein. Das sind die ersten Voraussetzungen für ein gesundes Volk.

Wir anerkennen die rührige Tätigkeit der Landesregierung. So viel Begrüssenswertes geschieht. Der Staat beweist mehr als in früherer Zeit, dass er die Not der Stunde erkannt hat. Der Staat ist aber auch für unsere Kinder da und es darf mit berechtigter Meinung erwartet werden, dass die erziehlichen Wünsche der Eltern nicht übersehen werden. Im Volke gewinnt die wohlbegründete Unzufriedenheit über die nicht günstig geregelten Erziehungs- und Unterrichtsfragen für Mädchen mehr und mehr an Stärke und Ausbreitung. Es muss eine Schulregelung getroffen werden, die die Eltern vollauf zufrieden stimmt. Elternrechte sind in jedem Staat mitbestimmend, wenn es gilt, die höchsten Werte der Kinder zu sichern.

Es wolle daher der Landesschulrat die Frage der Mädchen-Bildung in unserem Sinne gütigst überprüfen, die Eltern anhören und dann handeln, bevor sich alles zum Schlimmeren auswächst. [2]

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[1] LI LA RF 188/299/001/001-002.
[2] Nachdem die Lehrer der Landesschule Vaduz von der Eingabe erfahren hatten, protestierten sie, da sie die Vorwürfe auf sich bezogen, beim Landeschulrat und verlangten, "den Anklägern gegenübergestellt zu werden, um von ihnen konkrete Tatsachen und Beweise verlangen zu können" (LI LA RF 188/299/001/003). Anton Frommelt beraumte hierauf auf den 29.7.1941 eine Aussprache zwischen den Parteien an (LI LA RF 188/299/001/004). Nach dieser Aussprache, von der offenbar kein Protokoll existiert, notierte Frommelt zwar: "In der Conferenz beruhigend abgeklärt u. erledigt" (LI LA RF 188/299/001/004), die Eltern gaben sich mit dem Ergebnis jedoch nicht zufrieden (LI LA RF 188/299/001/047-050). Zum weiteren Verlauf der Angelegenheit vgl. LI LA RF 188/299/001/014.