Die "Liechtensteiner Nachrichten" nehmen Stellung zum Programm des Heimatdienstes


Zusendung in den "Liechtensteiner Nachrichten" [1]

17.3.1934

Parteizwang oder freier Mann?

(Um Missdeutungen zu vermeiden, ist vorausgehend zu bemerken, dass die folgenden Artikel die Vorschläge des "Heimatdienstes" nur sachlich kritisieren wollen, nicht aber grundsätzl. den "Heimatdienst" bekämpfen. Manche Anregung des "Heimatdienstes" ist erwägenswert, andere lassen sich mit veränderter Form vielleicht mit der Zeit verwirklichen.)

In manchen Forderungen scheint er aber mit seinen Vorschlägen zu weit zu gehen. Es kann nicht behauptet werden, dass dem Liechtensteiner eine besondere Lust und Liebe zur Vereinsmeierei im Blute liege. Viele Vereinsvorstände können darüber und über die Vereinstreue ihrer Mitglieder die beste Auskunft geben. Sie wissen, dass mit Zwang, mit Drohung oder Ähnlichem gegen die Mitglieder nichts zu erreichen ist. Die einzelnen Mitglieder beugen sich nicht unter den Zwang, unter das Joch der Vereinsfessel. Man darf vielleicht auch sagen, den Liechtensteinern liege der Sinn für Organisation und für Zusammenschluss nicht so nahe wie dem benachbarten Schweizer oder Vorarlberger.

Im Programm und den Artikeln des "Heimatdienstes" konnte man lesen, [2] dass die Parteien einen grossen Zwang auf ihre Anhänger ausüben. Bald wird vom "Parteirat" gesprochen, der einen Zwang auf seine Mitglieder ausübe, der ihnen keinen freien Willen lasse, der ihnen von oben herabdiktiert, was sie in politischen Belangen zu tun und zu unterlassen haben. Bald aber wird auch von der Partei als solcher gesagt, sie übe einen Parteizwang aus, Parteizwang in der Gemeinde, Parteizwang im Lande, im Landtage usw. Bald endlich sollen die "Parteiführer" eine solche Macht besitzen. Kurz und gut, es wird die Parteiherrschaft in allen Farben dem Bürger als eine missliche Erscheinung an die Wand gemalt und dass sie nun bekämpft werden solle. Es wird behauptet, die Verfassung werde tatsächlich nur Parteien ausgesetzt. Die sogenannten Herrschaftsrechte dienen nur den Parteien, nicht aber dem einzelnen Bürger. Daher verlangt man Verbot der Parteien, um den Bürger angeblich freier und unabhängiger zu stellen. Es wird so geschrieben, als ob die Partei ein Wesensgebilde wäre, das nicht aus Teilen des Volkes bestehen würde, als ob das Volk und Parteien einander nichts anginge. Es gibt aber keine Partei ausser und über dem Volke. Vor einigen Jahren hat ein Prinz gesagt, dass Parteien nur Teile des Volkes sind. Es sind Stimmberechtigte, die sich in der Gleichheit der Überzeugung zusammenfinden und das gemeinsam bewirken wollen, wofür der einzelne zu schwach ist. Es ist unwahr, dass das gewöhnliche Volk nie im Besitze eines Vorschlagsrechtes gewesen ist. Nicht die Partei, nicht die Wählergruppe als solche besitzt nach der Verfassung und Gesetz solche Rechte, sondern nur der einzelne Wähler. Es ist ein Zerrbild, wenn man die Partei ausser und über das Volk stellen will, wenn man im Kampfe gegen die Parteien die Rechte des Einzelnen auf Zusammenschluss mit Gleichgesinnten beschränken, ja unterbinden will. Die Parteien, wenn ihnen auch Fehler und Mängel anhaften, wenn auch Auswüchse vorkommen, sind von Natur aus nicht nur auf den ausschliesslichen Hunger nach Macht und Unterdrückung, nach Verhetzung und Heruntermachung eingestellt. Die Geschichte des Parteiwesens lehrt uns etwas anderes.

Selbst die neue Bewegung kommt ohne Zusammenschluss Gleichgesinnter, ohne Werbung für ihre Ideen, ohne Ordnung und im grossen ganzen nicht ohne die Mittel gleich andern Parteien nicht aus. Sie hat Namen und Statuten, sucht Einfluss auf die Stimmberechtigten zu gewinnen, um ihr Gedankengut in die Köpfe einzuhämmern. Sie verlangt Gefolgschaft und beansprucht Geltungsrecht und wie die Worte immer heissen.

Es ist auch gar nicht richtig, dass Parteien Zeichen eines Kulturzerfalles sind. Dagegen sprechen die verschiedenen Zeitepochen in den uns umgebenden Staaten. Es hat Zeiten gegeben, die sich mit der Kulturentwicklung gebildet und selbst dazu beigetragen haben. Die Erfahrung lehrt vielfach, dass in ungünstigen Zeitverhältnissen auch Ausartungen nicht nur von Parteien, sondern auch manch anderer sozialer Erscheinungen auftreten.

Nicht richtig ist auch weiter die Behauptung, ein Parteienverbot treffe nicht das Volk, sondern nur die Führer. Parteien als Teile des Volkes sollen verboten werden. Der Führer, der hierlands niemals die angedichtete Macht ausüben kann, ist wieder nur ein Glied dieser Partei.

Wie weit man in der konstruierten Parteiabneigung kommt, zeigt das Beispiel, in welcher rückschrittlichen Form nach den Vorschlägen die Regierung bestellt werden soll. Könnte man da nicht eher die Frage einer Volkswahl der Regierung aufwerfen? Nicht richtig ist es auch, wenn gesagt wird, das Volk habe nur ein Interesse an der Abberufung der Regierung, nicht dagegen an der Bestellung. Wichtiger ist wohl die Bestellung, als die mit mehr oder weniger unangenehmen Erscheinungen verbundene Abberufung. Nach den Vorschlägen könnte in Zukunft ein Drittel der Abgeordneten jede noch so volkswidrige Regierung stützen und die anderen zwei Drittel müssten schön zusehen – was doch verpönt ist! – wie auf ungesetzlichem Wege für eine Änderung gesorgt würde.

(In dieser und den folgenden Nummern veröffentlichen wir eine zwangslose Serie von Artikeln zu den Vorschlägen des "Heimatdienstes". Es wird nur eine sachliche Kritik beabsichtigt. Dass die Parteien Fehler und Mängel haben, darf nicht besonders erwähnt werden. Ist es aber nicht besser, die Fehler und Mängel zu beheben, statt das Kind mit dem Bade auszuschütten? Für friedliche und schiedliche Zusammenarbeit ist dieses Blatt, ist die Volkspartei stets eingetreten – und noch heute, trotz aller Anfeindungen. Werden andere die Zeichen der Zeit verstehen. Zusammenarbeit aller Parteien und Bewegungen für die Zukunft von Land und Volk. Dazu gehört die Ermöglichung einer solchen Arbeit. Wer will die Initiative ergreifen? Dem Manne gebührt Dank und Anerkennung! D. R. [Die Redaktion])

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[1] L.Na., Nr. 22, 17.3.1934, S. 1-2.
[2] Zum Programm des Heimatdienstes vgl. L.Heimatd., Nr. 1, 14.10.1933, S. 1-2 ("Unser Programm").