Die Vaterländische Union und das "Liechtensteiner Vaterland" treten an die Öffentlichkeit


Leitartikel in der Erstnummer des "Liechtensteiner Vaterlands" [1]

1.1.1936

Vaterländische Union

Das "Liechtensteiner Vaterland"

Zum Geleit

Mit einer imponierenden Stimmenzahl ist die heutige Opposition am 30. Mai des abgelaufenen Jahres aus dem Abstimmungskampf um den Proporz hervorgegangen. Dieser Tag war Beweis, dass wir über eine Stärke verfügen, die uns erlaubt, uns als gleichwertige Gruppe neben die herrschende Mehrheit, die Bürgerpartei, zu stellen und mit vollem Recht gleiche politische Behandlung zu verlangen. 47 Prozent des liechtensteinischen Volkes haben sich unter die Führung der Opposition gestellt und haben damit bekundet, dass sie eintreten wollen für eine wahrhaft demokratische und gerechte Behandlung aller Liechtensteiner. Diese Abstimmung aber war es auch, die uns den Weg wies, den wir zu gehen hatten und den wir heute mit der Herausgabe dieser neuen Zeitung auch mutig beschritten haben. In enger Kampfesbrüderschaft sind L.H.D. und Volkspartei einem starken und unnachgiebigen Gegner gegenüber getreten und haben ihre Interessen und die wirklichen Interessen des Landes gemeinsam verteidigt. Wie konnte es anders sein, als dass aus dem gemeinsamen Kampf um gemeinsames Recht sich dauernde Verbindungen knüpften? Vielfach konnte man schon vor der Abstimmung um den Proporz und während und nach derselben den stürmischen Wunsch vernehmen, die beiden oppositionellen Gruppen möchten sich unter einer einheitlichen Führung vereinigen und Schulter an Schulter weiter kämpfen um das Recht des freien Liechtensteiners. Nach vielen Schwierigkeiten sind wir heute so weit, diesem Wunsche der liechtensteinischen Bevölkerung entsprechen zu können. Die Volkspartei, die alte Vorkämpferin um die liechtensteinische Demokratie, hat sich aufgelöst, die "Liechtensteiner Nachrichten" erscheinen nicht mehr. Gleichzeitig hat sich aber auch der Liechtensteiner Heimatdienst aufgelöst und stellt das Erscheinen seiner Zeitung ein, um einer neuen Gruppe und einer neuen Zeitung den Platz in der liechtensteinischen Politik frei zu geben.

Unsere Grundsätze und das Ziel unseres Kampfes bleiben die alten. Nichts anderes ist unser Programm, als zu kämpfen für eine bessere Zukunft unseres Landes. Das kulturelle und wirtschaftliche Wohl unserer Heimat ist unser oberster Grundsatz, nach ihm werden sich unsere Entschliessungen und Handlungen bestimmen. Nicht Politik um des Kampfes Willen, sondern Kampf um das Recht und um eine bessere Zukunft unseres Landes ist unsere Losung. Das in der ersten Nummer der neuen Zeitung veröffentlichte Programm ist uns Wegleitung und Ziel. [2]

"Liechtensteiner Vaterland", der Name unserer Zeitung, ist schon Programm an sich. Schon dieser Name beweist, worum es uns geht. Das gemeinsame Vaterland des Liechtensteiners wollen wir uns ausbauen, so dass sich jeder Liechtensteiner zu Hause fühlen wird. Nicht Vernichtung des politischen Gegners, nicht Kampf bis aufs Messer wollen wir, sondern nur ein Sonnenplätzchen an der liechtensteinischen Politik, mitarbeiten für unser Vaterland, Zusammenfassung aller gutgesinnten und verständigen Liechtensteiner zu einem liechtensteinischen Block, Hebung des Vertrauens im Inland, Hebung des Vertrauens des Auslandes zu unserer Politik und Wirtschaft. Unser Vaterland voran; in erster und letzter Linie unser Vaterland.

So soll denn das "Liechtensteiner Vaterland" hinausgehen ins politische Leben unseres Landes und soll den Tag vorbereiten, da es nur mehr gleichberechtigte und freie Liechtensteiner geben soll, da unser Land im Rahmen des Möglichen einer bessern Zukunft entgegengehen darf.

"Kämpfe um unser Recht, 'Liechtensteiner Vaterland', aber kämpfe ehrlich, anständig und ohne Hass, achte den ehrlichen politischen Gegner so gut wie Deinen Anhänger." Trotz des bevorstehenden Kampfes wollen wir helfen, die Gegensätze abzubauen und Brücken zu schlagen zwischen hüben und drüben. Der Friede, in den letzten Monaten von uns ehrlich gesucht, soll nicht absterben, dieser Gedanke darf nicht verschwinden und nicht vergessen werden, selbst nicht in Zeiten, da die Wogen des politischen Kampfes hochgehen und manches Gute unter sich zu vergraben drohen.

"Vaterländische Union": Auch der Name der neuen Richtung ist schon ein Programm. Auch dieser Name weist uns den Weg. Nicht nur die neue Zeitung, sondern auch die hinter ihr stehende politische Masse wird und soll handeln nach dem, was Zeit und Umstände für das Wohl unserer kleinen Heimat erheischen. Die Union der liechtensteinischen Patrioten soll alle vereinigen, die in ehrlichem Streben um das Wohl unseres Landes sich bemühen. Sie setzt sich in gleicher Weise ein für die allgemeinen Interessen des Landes, wie für die wirtschaftlichen und sozialen Interessen des liechtensteinischen Bauern, Arbeiters, Gewerbetreibenden und allen anderen Berufsgruppen.

Wir stehen unerschütterlich auf dem Boden katholischer Weltanschauung und sehen im Fürstenhaus den Garanten der Freiheit und der Selbständigkeit unseres Landes. Liechtenstein ist und soll bleiben die katholische Alpenmonarchie am Rätikon, so und nicht anders will es unser Programm.

Aber auch an dem Zollvertragsverhältnis zur Schweiz will die Vaterländische Union festhalten und will sich dafür einsetzen und dafür arbeiten, dass die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zur Eidgenossenschaft vertieft und ausgebaut werden.

Und nicht zuletzt fühlt sich die Vaterländische Union als Hüterin und Wahrerin der Volksrechte; sie wird jedem Übergriff gegen die verfassungsmässigen Rechte des liechtensteinischen Volkes entgegentreten. Was jedem wahrhaften Liechtensteiner heilig geworden ist, darf nicht angetastet werden. Sie will aber auch dafür sorgen, dass jeder politischen Gruppe im Lande, sofern sie staatstreu und staatserhaltend ist, und das ist jede auf katholischer Grundlage stehende und die Selbständigkeit Liechtensteins vertretende Richtung, ihr Recht und ihr Einfluss gewahrt bleiben.

So sammelt Euch, Liechtensteiner, die Ihr für Recht und Gerechtigkeit eintritt unter den Fahnen der Vaterländischen Union. Wir wollen sammeln und nicht zerstreuen. Tretet ein in die neue politische Richtung, die ihr am 30. Mai vergangenen Jahres Schulter an Schulter mit uns für Gleichberechtigung gegen Gewalt und Unduldsamkeit gekämpft habt. Unsere Fahnen sind neu und unser Wollen rein. Wir wollen nicht Vernichtung des politischen Gegners, sondern nur das Recht eines jeden Liechtensteiners, ein Ziel, für das sich jeder Liechtensteiner wohl einsetzen darf.

Offenheit, Ehrlichkeit und absolute Staatstreue sollen die Merkmale der Vaterländischen Union sein und bleiben. Wir wollen schätzen und achten, was gut ist für unser Land, und wollen uns dafür einsetzen, mag das Gute kommen, woher es mag. Wir wollen aber auch bekämpfen, was unserem Lande schadet und unser Volk gefährdet. Das materielle und das geistige Wohl unseres Volkes soll in gleicher Weise unser Ziel sein.

 

 

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[1] L.Va., Nr. 1, 1.1.1936, S. 1.
[2] Vgl. L.Va., Nr. 1, 1.1.1936, S. 1 ("Vaterländische Union").