Druckschrift vermutlich der Regierung (2 Teile), 12 Seiten, nicht gez. [1]
o.D. (1938)
Vor Ausarbeitung des Proporzgesetzes [2] sind verschiedene Fragen grundsätzlicher Natur zu reglen; Fragen, die verschiedener Lösung zugeführt werden könnten. Es erscheint unmöglich, vor Bereinigung dieser Fragen einen halbwegs endgiltigen Entwurf vorzubereiten.
1. Frage der Wahlkreise
Nach den jetzt bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen sind zwei Wahlvorgänge vorgesehen. Im ersten Wahlgang bildet das Land 10 Wahlkreise (Gemeinden), im zweiten Wahlgang bildet das Land einen Wahlkreis zur Wahl der restlichen 5 Mandate. Es erscheint notwendig, bei Schaffung eines Proporzgesetzes nur einen Wahlgang ins Auge zu fassen, da es absolut unmöglich erscheint, nach dem reinen Proporz gemeindeweise zu wählen bzw. jede Gemeinde als eigenen Wahlkreis zu erklären. Es wäre dies höchstens dann möglich, wenn man die restlichen 5 Mandate als Restmandate erklärt und die Zuteilung dieser 5 Mandate durch ein Wahlgericht bzw. eine Wahlkommission vornehmen läßt, wobei es wohl notwendig wäre, für die Verteilung dieser Restmandate die Reststimmen der Gemeinden des ganzen Landes in einen Wahlkreis zusammenzufassen, ein Vorgang, der mit den Grundsätzen der Demokratie wohl schwerlich vereinbar wäre, weil effektiv die Zuteilung von einem Drittel der Mandate nicht Sache des Volkes, sondern Sache des Wahlgerichtes wäre. Will man aus diesen Gründen von der Einteilung des Landes in 10 Wahlkreise Abstand nehmen, so ergibt sich die Frage: Soll im Proporzgesetze vorgesehen werden, das Land in einen Wahlkreis zusammenzufassen, oder aber soll auf Einteilung des Landes in zwei Wahlkreise wieder zurückgegriffen werden. In diesem Zusammenhang muss gleich von vornherein auch über die Frage entschieden werden, ob die bisherige Teilung zwischen Oberland und Unterland beibehalten werden soll oder nicht, bzw. ob dem Unterland nach wie vor 6 Landtagsmandate verfassungsmässig verbleiben sollen oder nicht. Bei Bejahung dieser Frage scheint es wohl das natürlichste zu sein, dass für den Wahlvorgang die Einteilung des Landes in zwei Wahlkreise vorgesehen wird. Es wäre aber immerhin nicht unmöglich und steht zur Diskussion, ob das Land nicht einen einheitlichen Wahlkreis darstellen soll, trotz dem bisherigen Verhältnis Unterland-Oberland 6 : 9. Bei der Einteilung des Landes in zwei Wahlkreise wird es jeweils 2 Restmandate ergeben und zwar eines im Unterland und eines im Oberland. Wird jedoch das Land in einen Wahlkreis zusammengefasst, wird es voraussichtlich nur ein Restmandat ergeben. Letzteres hätte unbedingt den Vorteil, dass die Wahl möglichst unmittelbar wäre, insoferne als das Wahlgericht bzw. die Wahlkommission nicht über zwei, sondern nur mehr über ein Mandat zu verfügen hat. Bei der Einteilung des Landes in zwei Wahlkreise entsteht wiederum die Frage, ob bei einer Zuteilung der Restmandate die Teilung des Landes Oberland und Unterland beibehalten werden soll oder nicht. Es wird möglich sein, die Restmandate nur auf Grund der Reststimmen der einzelnen Kreise zuzuteilen, d.h. für die Zuteilung des unterländischen Restmandates nur die Unterländer Reststimmen und für die Zuteilung des oberländischen Restmandates nur die oberländischen Reststimmen in Betracht zu ziehen. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, für die Zuteilung der Restmandate das Land als einen Wahlkreis zusammenzufassen, d.h. die Oberländer und Unterländer Reststimmen zusammenzufassen, was zweifellos den Vorteil hätte, einen möglichst vollkommenen Ausgleich der Parteistimmen zu erzielen.
2. Gemeindebindungen
Nach den bisherigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen ist bei der Landtagswahl jede Gemeinde zu berücksichtigen, und zwar die großen Gemeinden wie die kleinen Gemeinden mit Ausnahme von Planken, eine Einrichtung, die zweifellos ihre Vorteile und ihre Nachteile besitzt. Die Nachteile dieser Gemeindebindungen bestehen darin, dass die Gefahr besteht, dass der Landtag nicht so sehr als Organ des Landes, sondern mehr als Organ der einzelnen Gemeinden bzw. als Verfechter deren Interessen in Erscheinung tritt. Diese Nachteile sind bestimmt geeignet, für das Land eine gewisse Gefahr zu bilden, und zwar besonders in Zeiten größerer Geldknappheit. Andererseits ist die Gemeindebindung bzw. die Tatsache, dass jede Gemeinde im Landtag vertreten ist, bereits sehr stark im politischen Denken des liechtensteinischen Volkes verankert, sodass es schwer fallen dürfte, von der bisherigen Praxis Abstand zu nehmen. Der Vorteil der Aufgabe der Gemeindebindung jedoch besteht darin, dass der Landtag unabhängiger ist, unabhängiger besonders von kleinlichen Gemeindeüberlegungen und Interessen. Auch wird die Gemeindebindung sich bezüglich der Wahltechnik sehr ungünstig auswirken bei Einführung des Verhältniswahlrechtes. Naturgemäss wird dem Wahlgericht eine ganz überwiegende Funktion bei der Zuteilung der Mandate zukommen. Es erscheint durchaus möglich und wahrscheinlich, dass Kandidaten, die mit einem verhältnismässig grossen Mehr von der Bevölkerung gewählt werden, vor solchen Kandidaten zurücktreten müssen, die eine geringere Stimmenzahl auf sich vereinigen, weil sich hier das Prinzip der Gemeindebindung vordrängt. Es könnte z.B. der Fall sein, dass der Vertreter bzw. die Vertreter der Gemeinde X (und zwar der Vertreter aller Parteien dieser Gemeinde) im Gesamtergebnis eine geringere Stimmenzahl aufweisen; das Wahlgericht ist dann gezwungen, dieser Gemeinde X einen Vertreter zuzuerkennen und dafür einen Kandidaten auszuscheiden, der eventuell eine weitaus größere Stimmenzahl im Gesamtergebnis auf sich vereinigt als eben der Vertreter dieser Gemeinde X.
3.
In der Vorlage vom Jahre 1935 war die Stellung von Ersatzkandidaten vorgesehen, für den Fall des Ausscheidens eines Kandidaten. Die Anerkennung der Institution der Ersatzkandidaten im Proporzgesetze wird jedoch den Wahlvorgang technisch erschweren und kann leicht durch das sogenannte Nachrückungssystem ersetzt werden.
4. Stille Wahl
Es wurde wiederholt besprochen, es soll im zu schaffenden Proporzgesetze die Institution der sogenannten stillen Wahl verankert werden, d.h. es soll gesetzlich die Möglichkeit geboten werden, einen Wahlkampf dadurch zu verhindern, dass die bestehenden Parteien eine gemeinsame Liste einbringen, die Liste vorlegen und wenn kein Einspruch gegen die Liste erfolgt, die Wahl bereits getätigt wäre, und zwar erschienen dann gewählt die Kandidaten dieser Liste (Einheitsliste). Hier ergeben sich nun verschiedene Fragen grundsätzlicher Natur. Nehmen wir als Ausgangspunkt zur Betrachtung dieser Frage den parteipolitischen Status quo, so wird für die Aufstellung einer solchen Einheitsliste die Bürgerpartei und die Unionspartei in Frage kommen. Der Vorgang wäre folgender:
Die beiden Parteien verständigen sich zur Eingabe einer Einheitsliste und bringen diese Einheitsliste der Regierung zur Auflage vor. Die Regierung wäre zu verpflichten, die Einheitsliste bekanntzugeben und eine Frist (etwa 14 Tage) zur Einsprache gegen diese Liste zu geben. Erfolgt während dieser Frist keine Einsprache, durch eine noch zu bestimmende Anzahl von Wählern, so gilt die Einheitsliste als gewählt. Eine weitere Wahl fällt aus.
Hier erhebt sich nun die Frage: Wie hoch soll die Stimmenanzahl sein, die die stille Wahl verunmöglichen kann? Bei der Bestimmung dieser Zahl wird es notwendig sein, die demokratischen Grundsätze mit den zweifellos bedeutenderen Vorteilen einer stillen Wahl in ein Verhältnis zu bringen, d.h. das Stimmenminimum zur Einsprache so zu bestimmen, dass eine stille Wahl bestmöglich gesichert erscheint, ohne dass von einer eventuell entstehenden Opposition der Vorwurf erhoben werden kann, das Volk sei durch die stille Wahl bevormundet. Weiter wird die Frage auftauchen, soll die Einsprache durch freie Stimmensammlung oder nach den abgeänderten Bestimmungen des Gesetzes über die Ausübung der politischen Volksrechte durch Eintragung der Unterschrift vor dem Vorsteher der betreffenden Gemeinde erfolgen. Der Vorgang der stillen Wahl erscheint verhältnismässig einfach, wenn die beiden traditionellen Parteien allein für eine evtl. Wahl in Erscheinung treten. Er kompliziert sich dann, wenn eine dritte, vierte oder fünfte Partei entsteht. Es wäre dann theoretisch möglich, dass die beiden Parteiem sich auf eine Einheitsliste einigen und gleichzeitig aber eine dritte oder vierte Partei mit einer ganz geringen Anzahl von Parteianhängern ebenfalls eine Liste eingeben. Die stille Wahl wäre dann in diesem Falle verunmöglicht, weil nicht mehr eine, sondern zwei bzw. drei Listen vorliegen.
Es ist nun zu überlegen, ob man nicht daran denken soll, eine stille Wahl dadurch zu sichern, dass in das Gesetz die Bestimmung aufgenommen wird, dass der Vorgang der stillen Wahl platzgreifen kann, wenn eine Einheitsliste durch Parteien eingebracht wird, die zuverlässig eine bestimmte Mindestanzahl (vielleicht 80 bis 90 % der Stimmen) auf sich vereinigen. Als Schlüssel für die Untersuchung, ob die Parteien, die eine Einheitsliste eingeben, auch die entsprechende Mindestanzahl von Wählern auf sich vereinigen, könnte entweder das Stimmenergebnis der vorgängigen Landtagswahl oder aber der Nachweis eingeschriebener Mitglieder gelten. Im ersten Falle müsste, um eine Vergewaltigung der Volksstimmung vorzubeugen, das Einspracherecht so ausgebaut werden, dass dasselbe möglichst wenig beschränkt und erschwert würde, d.h. es müsste im ersten Falle das Einspracherecht durch freie Stimmensammlung gewährleistet werden.
Es wird sich erübrigen, auf die ausserordentlichen Vorteile der stillen Wahl hinzuweisen; jedoch darf nicht unausgesprochen bleiben, dass eine Vermeidung des Wahlkampfes unter Umständen für das Land von ausserordentlichem finanziellem Vorteil wäre, indem Störungen auf die Einnahmsmöglichkeiten des Landes tunlichst vermieden würden.
5. Das Quorum
Um eine zu starke Parteizersplitterung infolge des Proporzes zu verhindern, wird es notwendig sein, ein Stimmenminimum für die Anerkennung einer Partei im Gesetze selbst zu bestimmen. Dieses Stimmenminimum wird verschieden ausfallen, je nachdem man sich entschliesst, in einem Wahlkreise oder in mehreren Wahlkreisen zu wählen. Bei Wahlen in einem Wahlkreise wird das Stimmenminimum naturgemäss höher sein müssen als bei Teilung des Landes in verschiedene Wahlkreise. Die Teilung des Landes in die traditionellen Wahlkreise Oberland und Unterland wird wiederum das Stimmenminimum grösser sein müssen als im Unterland. Beim Stimmenminimum sind die Interessen einer geordneten Wahl mit den demokratischen Grundsätzten unseres Staates in Einklang zu bringen. Je höher das Stimmenminimum gewählt wird, desto grösser werden jedoch auch die Möglichkeiten einer Kritik an dem Wahlgesetze. Wenn das Stimmenminimum zu hoch gewählt wird, kann gegen das Wahlgesetz der Vorwurf erhoben werden, dasselbe erscheine undemokratisch und bedeute eher ein Mehrheitswahlsystem als ein Verhältniswahlsystem. Dieses Stimmenminimum wird demnach nur auf Grund vorgängiger Parteivereinbarung festgesetzt werden können.
6. Wahlschlüssel
Als Wahlschlüssel wird die gesamte Anzahl der Stimmberechtigten, geteilt durch die Anzahl der Mandate plus 1 genommen werden können, z.B. bei einer Anzahl von 3000 Stimmberechtigten wird der Schlüssel 3000 : 15 plus 1, also gleich 201 sein. Dieser Schlüssel wird selbstverständlich bei Teilung des Landes in zwei Wahlkreise für Oberland und Unterland verschieden sein.
7.
Eine sehr wichtige Frage für die Schaffung eines Proporzgesetzes ist der Charakter der Liste. Es gibt hier drei Möglichkeiten: Die gebundene Liste, die freie Liste und ein Mittelding zwischen gebundener und freier Liste. Bei der gebundenen Liste werden die Wahllisten von den Parteien eingebracht. Der Wähler hat die Möglichkeit, sich für eine der anerkannten Parteilisten zu entscheiden. Es ist ihm jedoch verwehrt, Streichungen oder Änderungen der von ihm gewählten Liste vorzunehmen bzw. Änderungen oder Streichungen bei gebundener Liste werden nicht gezählt, sodass sämtliche Kandidaten einer bestimmten Partei gleichviel Stimmen auf sich vereinigen. Gewählt wird faktisch die Parteiliste und nicht die Person. Die gebundene Liste hat zweifellos verschiedene Vorteile. Der hauptsächlichste ist der, dass Zersplitterungen nicht in Frage kommen und vor allem wäre es dem Wahlgerichte bei Einhaltung des Gemeindeprinzipes leichter, Verschiebungen vorzunehmen, um das Gemeindeprinzip zu wahren, ohne gezwungen zu sein, Kandidaten mit verhältnismässig grosser Stimmenanzahl auf die Seite zu stellen. Gewählt erscheinen bei der gebundenen Liste die Kandidaten in der von der Partei selbst aufgestellten Reihenfolge. Nehmen wir z.B. an, die Partei X erhalte auf Grund der Proporzabstimmung 5 Mandate. Gewählt erscheinen dann die ersten 5 Kandidaten auf der Liste der Partei X. Der Nachteil der gebundenen Liste liegt in erster Linie darin, dass sie kaum populär werden kann, weil sie eine gewisse Bevormundung des Wählers durch die Parteileitung darstellt. Der Wähler ist nicht in der Lage, ihm missliebige Personen wirksam von der Liste zu streichen. Die gebundene Liste stellt demnach ein reines Parteiwahlsystem dar und es dürfte sich deshalb der Widerstand gegen die gebundene Liste innerhalb der Bevölkerung trotz ihrer technischen Vorteile ziemich bemerkbar machen. Bei der freien Liste können ebenfalls Listen der einzelnen Parteien zur Anerkennung eingereicht werden, doch hat der Wähler die Möglichkeit, bei Parteilisten Streichungen und Änderungen vorzunehmen, und zwar auch Personen zu wählen, die in keiner der vorgelegten Liste enthalten sind, ein System, das eigentlich dem Proporz nicht ganz entsprechen kann. Bei der halbfreien Liste kann der Wähler wählen zwischen sämtlichen eingereichten Kandidaten, er kann Streichungen und Änderungen vortnehmen, jedoch werden Änderungen, die Kandidaten betreffen, die in keiner eingereichten Liste enthalten sind, nicht berücksichtigt. Diese Art der Liste hat bestimmt den Vorteil, dass der Wähler nicht an ein Parteidiktat gebunden ist, sondern immerhin aus einer beschränkten Zahl von Kandidaten auswählen kann; hat jedoch technische Nachteile gegenüber der gebundenen Liste, besonders wenn der Proporzgedanke durch das Gemeindeprinzip durchbrochen wird. Vor allem aber dürfte die Wahl nach derf halbfreien Liste populärer sein als die Wahl nach einer anderen Liste. Man wird sich für die eine oder andere Lösung entscheiden, je nachdem man mehr den wahltechnischen Vorteil der gebundenen Liste betrachtet oder die Popularität der freien Liste, welche letztere auch dem demokratischen Grundsatz unserer Verfassung mehr entsprechen würde.
8.
Es wurde in den letzten Wahlperioden wiederholt der Ruf nach Sicherheit der Wahlfreiheit und der Geheimhaltung der Wahl laut. Es frägt sich, ob man nicht bei Ausarbeitung eines neuen Wahlgesetzes derartige Sichererungen einbauen sollte. Die Erfahrung lehrt, dass wenn die Bevölkerung nicht überzeugt ist, dass die Freiheit und Geheimhaltung der Wahl grösstmöglichst gesichert ist, sie von ständigem Misstrauen gegen den Wahlvorgang erfüllt ist und oft Unkorrektheiten wittert, wo vielleicht gar keine vorhanden sind. Es dürfte deshalb massenpsychologisch unerlässlich sein, dass die Freiheit und Geheimhaltung der Wahl grösstmöglich gesichert wird. Die grösstmöglichste Sicherung gegen direkte Beeinflussungen und gegen Unterschiebungen von Wahlzetteln und dergleichen dürfte in folgendem Vorgang zu erblicken sein:
Die Parteien reichen in ihnen bekanntgemachter Frist ihre Listen ein. Nach Ablauf dieser Frist können weitere Anmeldungen von Kandidaten nicht mehr erfolgen. Die Regierung oder das Wahlgericht läßt für sämtliche eingereichten Listen Wahlzettel drucken; diese Wahlzettel werden entweder abgestempelt oder sonstwie unverkennbar als amtliche Wahlzettel bezeichnet und erst am Wahltage in der Weise ausgegeben, dass diese Wahlzettel im Wahllokal aufgelegt werden, und zwar sollen die amtlichen Listen sämtlicher Parteien in genügender Auflage in ein oder mehreren Zellen im Wahllokale aufgelegt werden. In diesen Zellen müssen ebenfalls amtliche Kuverts und Tintenstifte aufgelegt werden. Bei Aufruf betritt der Wähler die Wahlzelle, nimmt dort den Wahlzettel, für den er sich entscheidet, bringt eventuelle Änderungen an und verschliesst den Wahlzettel in einem ebenfalls aufliegenden Kuvert. Daraufhin verläßt er die Wahlzelle und legt sein Kuvert in die Urne; ein Vorgang, der zweifellos ein Höchstmass an Sicherung der Wahlfreiheit und der Geheimhaltung der Wahl bedeutet. Er bringt zwar gewisse technische Mängel mit sich und könnte bei schlechter Organisation als hemmend empfunden werden, doch ist dieser Nachteil, der sowieso bei entsprechender Organisation auf ein Minimum herabgedrückt werden kann, in keinem Verhältnis zu dem Vertrauen, das ein solcher Wahlvorgang bei der Bevölkerung erzeugen wird. Es dürfte sich deshalb empfehlen, bei der Schaffung des neuen Proporzgesetzes entsprechende Bedingungen aufzunehmen.
9. Das Abberufungsrecht
Wiederholt wurde schon das Abberufungsrecht der Wähler für Kandidaten verlangt, die im Laufe der Landtagsperiode offensichtlich ihrer Partei abtrünnig geworden sind. Die Schwierigkeit der Durchführung eines solchen Abberufungsrechtes dürfte wohl darin liegen, dass es schwer fallen wird, die Instanz zu bezeichnen, die das Abberufungsrecht ausübt. Es wäre dies einfach, wenn die liechtensteinischen Parteien derartig organisiert wären, dass sie sich durch Parteibücher über den Stand ihrer Mitgliedschaft ausweisen könnten. Dann könnte das Abberufungsrecht den eingeschriebenen Mitgliedern der betreffenden Partei zugesprochen werden. Das Abberufungsrecht hat an sich mit dem Proporz nichts zu tun, bedeutet jedoch eine Vervollkommnung desselben dadurch, dass jede Partei in die Lage versetzt wird, ihren Stand an Landtagsmandaten für die Dauer der Periode entsprechend dem Stimmenverhältnis anlässlich der Landtagswahl zu wahren, was insbesondere bei der Durchbrechung des Proporzes durch das Gemeindeprinzip von einigem Vorteil wäre. Als Ersatz für den abgerufenen Kandidaten könnte selbstverständlich ja nur wieder ein Parteimann der abberufenden Partei in Erscheinung treten. Eine Ersatzwahl wäre demnach entsprechend zu organisieren.
10. Kumulierung
In verschiedenen Proporzgesetzen ist die sogenannte Kumulierung vorgesehen, und zwar insbesondere für die Zuteilung der Restmandate. Es handelt sich dabei um Parteivereinbarungen bezüglich der Zuteilung der Reststimmen mehrerer Parteien zugunsten bestimmter Kandidaten. Bei der Kleinheit unserer Verhältnisse dürfte sich das System der sogenannten Kumulierung bei uns kaum empfehlen.
11. Das Grundmandat
Das Grundmandat ist unter Punkt 5 an sich bereits besprochen. Es soll im Gesetze vorgesehen werden, dass eine Partei für die Zuteilung der Reststimmen nur dann zugezogen werden darf, wenn sie im regulären Wahlgang wenigstens 1 Mandat (das Grundmandat) erhalten hat. Zu Punkt 5 wäre nachzutragen, dass es vielleicht für die Bestimmung des Stimmenminimums (Quorum) zweckmässig wäre, nicht eine bestimmte Anzahl von Stimmen, sondern einen bestimmten Prozentsatz der Anzahl der Wahlberechtigten als Quorum zu bestimmen, beispielsweise ein Drittel, ein Viertel, ein Achtel der Gesamtanzahl der Stimmberechtigten, und zwar deswegen, weil bei einer fortschreitenden Vermehrung der Stimmberechtigten die Bestimmung des Quorums durch eine genau bezeichnete Anzahl von Stimmberechtigten (200, 300, 400) in einigen Jahren revisionsbedürftig wäre. Hingegen wird sich die Bestimmung des Quorums durch eine Verhältniswahl zur Anzahl der Stimmberechtigten der fortschreitenden Entwicklung anpassen müssen.