Der Landtag behandelt das Urteil des Staatsgerichtshofes über Alt-Regierungschef Gustav Schädler in Sachen Sparkassaskandal


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Schriftführer Bernhard Risch, Schriftführer Franz Xaver Hoop und Landtagspräsident Anton Frommelt [1]

14.1.1932

Präsident: beginnt mit der Verlesung des Urteiles in der Ministeranklage des Professor [Gustav] Schädler. [2]

Nach der Verlesung des Urteiles:

Präsident: Sie haben das abgefasste Urteil zur Kenntnis genommen und es wird nun dem Landtage zustehen, zum Urteile Stellung zu nehmen. Es handelt sich darum, ob der Landtag beabsichtigt, weitere Schritte zu tun oder ob es bei der Kenntnisnahme bleibt. Es ist vielleicht den Abgeordneten durch die einmalige Lesung nicht alles klar geworden. Vielleicht könnte man die Angelegenheit durch eine Kommissionssitzung behandelt werden.

[Peter] Büchel: Wie der Landtagspräsident richtig bemerkt, können wir Abgeordnete aus einer einmaligen Lesung nicht alles herausnehmen, wie es aufzufassen ist. Das glaube ich heute verstanden zu haben, dass sich das Urteil hauptsächlich auf Verjährung und auf Unfähigkeit stützt, wenn ich es richtig verstanden habe. Bekanntlich ist auch gegen mich ein Verfahren im Zuge, [3] das bald vollzogen wird und ich müsste lebhaft bedauern, wenn auch ich nur gestützt auf solche Momente freigesprochen werde. Wenn es angängig ist, verzichte ich zum vorneherein auf die Verjährung und auch auf die Entschuldigung der Dummheit. Wenn ich mich aus Dummheit irgendwie schuldig gemacht habe, so soll der Staatsgerichtshof ruhig über mich das Urteil fällen. Man wolle entschuldigen, dass ich hier das ins Treffen führe. Es kommt mir der Gedanke eines Bauern in einer Versammlung, welcher sagte: Professor Schädler ist wohl vor dieser Welt freigesprochen worden, aber wehe ihm, er hat noch vor einem anderen Richter sich zu verantworten. Ich möchte lieber vom Staatsgerichtshof verurteilt werden als vom ewigen Richter. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass ich meine Pflicht getan habe und dass der Staatsgerichtshof Veranlassung hat, mich freizusprechen. Wenn eine Presse und andere böse Zungen sagen, ich sei bei der Zeugenaussage zusammengebrochen und habe hinausgeführt werden müssen, so stelle ich fest, dass das vollkommen verlogen ist und dass ich Gelegenheit hatte, andere Zeugen zu hören, die ganz abstrakte Aussagen gemacht haben. Ich habe mich an den Reg.Chef [Josef Hoop] gewandt, er möchte die Staatsanwaltschaft ersuchen, dass er beim Staatsgerichtshofe vorstellig werde, dass ich mit verschiedenen anderen Zeugen konfrontiert werde. Von einem Zusammenbruch meinerseits kann nicht gesprochen werden und bei einer Konfrontation wäre vielleicht noch mehr herausgekommen.- Wenn man sagt, der frühere Landtag habe die Wahl des Verwaltungsrates der Sparkasse durch Abtreten verunmöglicht, so ist das eine glatte Lüge, wenigstens stimmt das nicht. Diese Zeugen, die so etwas behaupten, befinden sich in einem Irrtum oder haben absichtlich die Unwahrheit gesagt. Wir sind damals abgetreten im Jahre 1926 bei der Wahl des Regierungsrates und Regierungschefstellvertreters, aber nicht bei der Wahl des Sparkasseverwaltungsratmitgliedes. Wir haben damals durchblicken lassen, dass wir abtreten würden, wenn unseren gerechten Wünschen nicht Rechnung getragen würde. Wir haben dann das Präsidium ersucht, ob wir nicht zur Besprechung ins Konferenzzimmer abtreten dürften, was uns bewilligt wurde.- Ich möchte mich nicht zu lange aufhalten, behalte mir aber vor, zu dieser Angelegenheit in einer späteren Sitzung Stellung zu nehmen.

Präs.: Ich möchte betonen, dass selbstverständlich der Staatsgerichtshof an die bestehenden Gesetze gebunden war. Die Absicht des Landtages bei der Erhebung der Ministeranklage war, dass durch diese Abklärung der Rechtsstand abgeklärt werde und das die Öffentlichkeit beunruhigende Element gebannt werde. Der eine Teil sagt, eine Schuld liegt vor, der andere Teil behauptet, die Schuld ist fahrlässig etz. Das, was in der öffentlichen Meinung beunruhigend und unverständlich war, ist nicht behoben worden. Ich muss bedauern, dass der Staatsgerichtshof zu diesem Schluss gekommen ist. Es wäre wünschenswert gewesen, dass eine restlose Abklärung erfolgt wäre, die Sache voll zu klären, das wäre sehr wünschenswert gewesen. Die öffentliche Meinung hätte sollen beruhigt werden. Der Landtag hatte nicht die Absicht, wie man es ihm zumutet, einen Menschen in den Boden hineinzustampfen, er fühlte sich vielmehr verpflichtet, eine derartige Frage, die die Bevölkerung in so grossem Masse interessierte, abklären zu lassen.

Eine Abklärung ist erfolgt, eine Beruhigung nach aussen ist aber nicht festzustellen.- Es ist nun unsere Aufgabe, ob man die Sache nochmals in einer anderen Sitzung behandelt wissen will oder ob diese Kenntnisnahme dem Landtage genügt.

Risch B.: Ich stelle den Antrag, dass die Angelegenheit noch vertagt wird.

Büchel: Ich möchte mir meine Stellungnahme auf eine weitere Sitzung vorbehalten, weil wir keine Juristen sind. Dann haben wir Gelegenheit, sich zur Sache zu äussern. Was herauswächst, lasse ich dahingestellt. Aber nur die Sache kurzerhand ad acta legen, wie es der frühere Reg.Chef getan hat, könnte verhängnisvoll werden. Wenn ich der Sache etwas skeptisch gegenüberstehe, so ist das vor allem darin begründet, weil ich bei der früheren Regierung war und obwohl ich dem früheren Reg.Chef viel Zutrauen schenkte, aber eine solche Fahrlässigkeit hätte ich ihm nie zugemutet, dass er solche schwerwiegende Berichte einfach ad acta legen konnte. Jetzt bin ich erst recht davon überzeugt, dass ich dem früheren Reg.Chef nur zuviel getraut habe. Es ist eine Blamage, wenn einer so hinters Licht geführt wird. Das ist eine Unverantwortlichkeit, die nie gutgemacht werden kann. Wenn eine dem Prof. Schädler nahestehende Presse von furchtbaren Wechselkenntnissen meinerseits faselt, so ist das ein Hohn, wie man ihn nicht höher denken kann. Man möchte entschuldigen wenn ich in dieser Beziehung etwas gereizt bin. Das ist eine Bosheit, wenn man Jahrelang miteinander in der Regierung sitzt und wenn man dann einen so hinter das Licht führt. Eine solche Bosheit ist zum mindesten recht grobfahrlässig zu bezeichnen. Er ist auch von diesem Punkte nicht freigesprochen, nur die Verjährung hat ihn entschuldigt. Ich möchte nicht am Staatsgerichtshof herumflicken, er hat gesprochen, aber das Volksempfinden ist nicht befriedigt.

Präs.: Der Staatsgerichtshof hatte seine richterlichen Grundlinien und war an die Gesetze gebunden. Ich hoffe nicht, dass meine zum Ausdruck gebrachte Meinung ein öffentliches Misstrauensvotum bedeuten soll. Bedauerlich ist nur, dass der Zweck der Sache, die Beruhigung der öffentlichen Meinung, durch das Urteil nicht erfüllt worden ist. Es hätte sollen in dieser äusserst schwerwiegenden Sache ein beruhigendes Urteil gefällt werden.

Wir stimmen nun ab, ob die Behandlung der Sache auf eine spätere Sitzung vertagt werden soll.

Die Abstimmung lautet einstimmig auf Vertagung. [4]

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[1] LI LA LTP 1932/031.
[2] EStGH 1931, S. 57-79.
[3] Der Landtag beschloss in der Sitzung vom 7./8.5.1931 auf Drängen der Volkspartei sowie von Büchel selbst, den Staatsgerichtshof mit der Untersuchung zu beauftragen, ob Büchel pflichtwidrig gehandelt habe (LI LA LTP 1931/066). Der Staatsgerichtshof entlastete Büchel in seinem Bericht vom 16.1.1932 vollständig (EStGH 1931, S. 45-56).
[4] Die Angelegenheit wurde vom Landtag nicht mehr behandelt.