Der Staatsgerichtshof spricht Alt-Regierungschef Gustav Schädler im Ministeranklageverfahren wegen des Sparkassaskandals frei


Urteil des Staatsgerichtshofes [1]

14.12.1931

Im Namen Seiner Durchlaucht des Landesfürsten [Franz I.]:

Urteil

Der fürstlich liechtensteinische Staatsgerichtshof hat über die Ministeranklage des Landtages des Fürstentums Liechtenstein vom 8. März 1931 gegen N.N. [Gustav Schädler] zu Recht erkannt:

Der Angeklagte

wird von der erhobenen Anklage,

er habe, als in der Zeit vom 6. Juni 1922 bis 15. Juni 1928 bestellter Regierungschef des Fürstentums Liechtenstein in Ausübung seiner Amtstätigkeit überhaupt, insbesondere auch als Inhaber des Finanzressorts, in grobfahrlässiger Weise

1.) in der Zeit von anfangs 1924 bis anfangs Juni 1928 die ihm zufolge der allgemeinen verfassungsmässigen Aufgaben und Pflichten der Regierung, insbesondere des Regierungschefs sowie auf Grund des Gesetzes vom 12. Jänner 1923, L.G.Bl. Nr. 5, betreffend die Spar- und Leihkasse für das Fürstentum Liechtenstein und nach Massgabe des, auf Grund dieses Gesetzes erlassenen, von der fürstlichen Regierung am 16. Juli 1924 genehmigte Geschäftsreglements obliegende Beaufsichtigung der Geschäftsgebarung der Spar- und Leihkasse unterlassen;

2.) die der Regierung bezw. dem Regierungschef gemäß Art. 23, lit e, des Gesetzes betreffend die Spar- und Leihkasse vom 12. Jänuar 1923, L.G.Bl. Nr. 5, sowie überhaupt im Hinblick auf ihren verfassungsmässigen Wirkungs- und Aufgabenkreis obliegende Verpflichtung zur Berichterstattung an den Landtag und zur bezüglichen Antragstellung bei demselben, weiters aber auch ein entsprechendes Einschreiten beim Verwaltungsrat der Spar- und Leihkasse, bezw. die Erteilung erforderlicher Weisungen an denselben, in der Zeit von anfangs 1924 bis anfangs Juni 1928 unterlassen, dies insbesondere hinsichtlich der von der Ostschweizerischen Treuhandgesellschaft AG in St. Gallen als Mitglied der für die Spar- und Leihkasse im Sinne des vorerwähnten Gesetzes berufenen Kontrollstelle während des vorerwähnten Zeitraumes neben den kurzen, summarischen Berichten erstatteten eingehenden, schwerwiegenden Bemängelungen und Beanständungen enthaltenden, ausführlichen Revisionsberichte;

3.) es unterlassen, gemäss den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen und den ihm als Regierungschef obliegenden Aufsichts- und Amtspflichten für eine ordnungsgemässe Funktion des Verwaltungsrates der Spar- und Leihkasse Vaduz, insbesondere in der Zeit vom Frühjahr 1927 bis Juni 1928, Sorge zu tragen, bezw. das Erforderliche zu veranlassen, dass rechtzeitig den gesetzlichen Bestimmungen gemäss die Neubestellung des Verwaltungsrates der Spar- und Leihkasse sowie der Kontrollstelle erfolgt und dieselben ihre Tätigkeit gesetz- und reglementgemäss ausüben;

4.) es unterlassen, durch entsprechende Regierungsmassnahmen des früheren Sparkasseverwalters Franz Thöny in Vaduz von seiner Funktion oder wenigstens die Beschränkung der Zeichnungsbefugnis desselben und die Schaffung einer Kollektivzeichnung herbeizuführen, letzteres überhaupt in der Zeit von anfangs 1924 bis anfangs 1928, ersteres insbesondere im ersten Halbjahre 1928, und zwar namentlich in den Monaten März, April und Mai 1928;

5.) es unterlassen, in der Zeit von anfangs 1924 bis anfangs Juni 1928 die ihm aus den eingehenden Berichten der Ostschweizerischen Treuhandgesellschaft A.G. in St. Gallen als Mitglied der Kontrollstelle für die Spar- und Leihkasse bekanntgewordenen schwerwiegenden Bemängelungen und Beanstandungen, bezw. überhaupt diese eingehenden Revisionsberichte, weiters aber auch die ihm im ersten Halbjahr 1928 durch Mitteilungen seitens verschiedener Personen, namentlich der Herren Richard Zatloukal, Vorstand und Direktor der fürstlich liechtensteinischen Vermögensverwaltung in Olmütz sowie Franz Schredt, Direktor der "Bank in Liechtenstein" in Vaduz, bekannt gewordenen äusserst bedenklichen Wechselmanipulationen und hinsichtlich der Spar- und Leihkasse umgehenden Gerüchte und eingelangten Anfragen der übrigen Regierungsmitglieder im Sinne der einschlägigen verfassungsmässigen Vorschriften zur Behandlung, Beratung und Veranlassung entsprechender Verfügungen, bezw. Herbeiführung erforderliche Beschlüsse im Regierungskollegium zur Kenntnis zu bringen; ferner die eingangs erwähnten Revisionsberichte vielmehr ohne weitere Verfügungen ad acta gelegt und es trotz der in demselben enthaltenen schwerwiegenden Bemängelungen auch unterlassen, auf die Vornahme mindestens vierteljähriger Revisionen seitens der Kontrollstelle und Vorlage von bezüglichen Revisionsberichten an die Regierung (Art. 64, 65 des Geschäftsreglements vom 6. Oktober 1923) zu dringen;

6.) durch die völlige Ausserachtlassung der ihm nach der Verfassung, dem Gesetze über die Spar- und Leihkasse und dem Geschäftsreglement derselben obliegenden Aufsichtspflichten sowie sonstigen Amtspflichten, in der Zeit von anfangs 1924 bis anfangs Juni 1928, mit dazu beigetragen, dass der Spar- und Leihkasse für das Fürstentum Liechtenstein, bezw. dem Lande Liechtenstein als Garantiefaktor für die erste einerseits aus den, in der Strafsache gegen Franz Thöny und Genossen festgestellten Wechselmanipulationen derselben, andererseits aus, von der Spar- und Leihkasse, bezw. Verwalter Franz Thöny, verschiedenen Parteien unter völliger Ausserachtlassung der im Gesetze über die Spar- und Leihkasse sowie im Geschäftsreglement vorgesehenen Kautelen gewährten "faulen" Kredite vorläufig bis Ende 1930 ein Schaden von über 1 ½ Millionen Franken erwachsen ist;

N.N. habe sich durch die zu 1 bis 6 bezeichneten Handlungen, bezw. Unterlassungen in Ausübung seiner Amtstätigkeit als in der Zeit vom 6. Juni 1922 bis 15. Juni 1928 bestellter Regierungschef des Fürstentums Liechtenstein überhaupt, insbesondere auch als Inhaber des Finanzressorts grobfahrlässiger Verletzungen der Vorschriften des Art. 14, 23, 78, 79, 84, 85, 89, 90, 93, lit. f und g 94 der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5. Oktober 1924 sowie der die Einflussnahme der Regierung auf die Geschäftsführung der Spar- und Leihkasse und die Bestellung des Verwaltungsorganismus betreffenden Bestimmungen des Gesetzes vom 12. Jänner 1923, L.G.Bl. Nr. 5, insbesondere der Art. 23, 24, 27, 34 und 36 und des auf Grund des vorerwähnten Gesetzes erlassenen Geschäftsreglements der Spar- und Leihkasse vom 6. Oktober 1923, insbesondere der Art. 55, 64 und 65 desselben sowie der ihm als Regierungschef wie auch als Inhaber des Finanzressorts auf Grund dieser vorerwähnten Vorschriften wie überhaupt nach allgemeinen, verfassungs-, staats- und verwaltungsrechtlichen Grundsätzen obliegenden Amtspflichten schuldig gemacht, welche Handlungen bezw. Unterlassungen Verfassungs-, Gesetzes- und Pflichtverletzungen dazu beigetragen haben, dass dem Lande Liechtenstein ein Schaden von über 1 ½ Millionen Franken zugefügt wurde,

und habe hiedurch in Ausübung seiner Amtstätigkeit grobfahrlässig die Vorschriften der vorbezeichneten Bestimmungen der Verfassung für das Fürstentum Liechtenstein vom 5. Oktober 1924 [2] des Gesetzes über die Spar- und Leihkasse für das Fürstentum Liechtenstein vom 12. Januar, L.G.Bl. Nr. 5, des Geschäftsreglements für die letztere vom 6. Oktober 1923 sowie die ihm als Regierungschef und insbesondere auch als Inhaber des Finanzressorts auf Grund dieser Vorschriften obliegenden Amtspflichten schuldhaft verletzt.

freigesprochen.

II. Die gegen N.N. erhobenen Schadenersatzansprüche werden abgewiesen.

III. Die Gerichtskosten hat der Staat zu tragen.

IV. Der Staat hat binnen 14 Tagen nach Rechtskraft dieses Urteiles dem Angeklagten an Verteidigungskosten den Betrag von Schwfrc. 2600.- zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Angeklagte verantwortet sich im Wesentlichen dahin,

1. dass der Regierung nur die im Art. 23 des Gesetzes vom 12. Januar 1923, L.G.Bl. Nr. 5 (im Folgenden nur Sparkassegesetz genannt), aufgezählten Formalgeschäfte obliegen, welche während seiner Amtstätigkeit restlos erfüllt worden seien;

2. dass ihm keinerlei grobfahrlässige Verletzung einer Verfassungsbestimmung oder eines Gesetzes zur Last falle und

3. dass alle allfälligen drei Jahre vor Erhebung der Anklage zurückliegenden Verfassungs- und Gesetzesverletzungen verjährt seien.

Der Staatsgerichtshof hat sich demnach klar zu werden, welche Verpflichtungen nach der Verfassung und den Gesetzen der Regierung im Allgemeinen und dem Regierungschef im Besonderen der Sparkasse gegenüber obliegen.

Bei Beurteilung dieser Frage kommen folgende Gesetzesstellen in Betracht:

a) Aus dem Gesetze vom 12. Januar 1923 betreffend die Spar- und Leihkasse für das Fürstentum Liechtenstein:

Art. 1, Abs. 1: Die Spar- und Leihkasse für das Fürstentum Liechtenstein (Liechtensteinische Landesbank mit unbeschränkter Landesgarantie) ist eine Anstalt des öffentlichen Rechtes, deren Verwaltung von der übrigen Landesverwaltung getrennt geführt wird. Sie wird in diesem Gesetz kurz als die Anstalt bezeichnet.

Art. 4, Abs. 1: Das Land haftet für sämtliche Verbindlichkeiten der Anstalt, für deren Erfüllung die eigenen Mittel der Anstalt nicht ausreichen.

Art. 21: Die Anstalt wird unter Mitwirkung und Aufsicht des Landtages und der Regierung durch eigene Organe verwaltet.

Die Verwaltungsorgane der Anstalt sind:

a) der Verwaltungsrat,

b) die Kontrollstelle,

c) der Verwalter.

Art. 22: Die Mitwirkung des Landtages bei der Verwaltung und Beaufsichtigung der Anstalt vollzieht sich durch:

a) Beschlussfassungen über die Erhöhung des Dotationskapitales,

b) Wahl des Verwaltungsrates,

c) Wahl eines Mitgliedes der Kontrollstelle,

d) Genehmigung der Jahresrechnung,

e) Beschlussfassung über die Verwendung des Reingewinnes.

Art. 23: Die Mitwirkung der Regierung bei der Verwaltung und Beaufsichtigung der Anstalt vollzieht sich durch:

a) Wahl eines Mitgliedes der Kontrollstelle,

b) Bestätigung der vom Verwaltungsrate zu treffenden Wahl des Verwalters,

c) Genehmigung der vom Verwaltungsrate aufzustellenden Geschäftsbedingungen,

d) Genehmigung des vom Verwaltungsrate zu erlassenden Geschäftsreglements,

e) die Berichterstattung an den Landtag über die Jahresrechnung und die Antragstellung an den Landtag über die Verwendung des Reingewinnes.

Art. 24, Abs. 1: Der Verwaltungsrat besteht aus fünf Mitgliedern, welche vom Landtag für die Dauer von vier Jahren gewählt werden. Gleichzeitig mit den fünf Mitgliedern wählt der Landtag zwei Ersatzmänner. Zu Mitgliedern und Ersatzmänner des Verwaltungsrates sind auch Personen wählbar, welche nicht Mitglieder des Landtages sind.

Art. 25: Dem Verwaltungsrate liegt ob:

a) die Wahl des Verwalters sowie aller anderen Beamten und Angestellten der Anstalt;

b) die Aufstellung der Geschäftsbedingungen und der Erlaß des Geschäftsreglements;

c) die Festsetzung der Besoldungen der Beamten und Angestellten;

d) die Festsetzung und Genehmigung der von den Beamten und Angestellten zu bestellenden Kautionen;

e) die Erteilung und Entziehung der rechtsverbindlichen Unterschrift für die Anstalt;

f) die Festsetzung der Zinssätze, welche die Anstalt für fremde Gelder bewilligt und welche sie bei Kreditgewährungen fordert;

g) die Genehmigung aller Geschäfte zu ausserordentlicher Mittelbeschaffung;

h) die Beschlussfassung über alle Geschäftsbeschlüsse, durch welche Mittel der Anstalt im Betrage von mehr als eintausend Franken (Fr. 1000.-) engagiert werden; für Kreditgewährungen an Körperschaften des öffentlichen Rechtes, welchen das Besteuerungsrecht zusteht sowie für Kreditgewährungen, deren Sicherheit in marktgängigen Unterpfändern bestellt wird, kann der Verwaltungsrat dem Verwalter die Befugnis zu selbständigen Geschäftsabschlüssen auch in Beträgen von über eintausend (Fr. 1000.-) erteilen;

i) die Aufstellung des Jahresberichtes, der Jahresschlussbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung;

k) alle Massnahmen, welche nach Maßgabe des Gesetzes nicht ausrücklich einem anderen Verwaltungsorgan vorbehalten sind;

l) die Beaufsichtigung der gesamten Geschäftsführung der Anstalt.

Der Verwaltungsrat ist befugt, einen aus seinem Präsidenten und zwei weiteren Mitgliedern bestehenden Ausschuss einzusetzen, dem die Vorberatung aller dem Verwaltungsrate zu unterbreitenden Geschäfte und die Beaufsichtigung des Vollzuges der vom Verwaltungsrate gefassten Beschlüsse übertragen werden kann.

Art. 26: Der Verwaltungsrat versammelt sich mindestens einmal monatlich zu einer ordentlichen Sitzung. Ausserordentliche Sitzungen können durch den Präsidenten jederzeit einberufen und sind einzuberufen, wenn zwei Mitglieder des Verwaltungsrates, oder der Verwalter, oder ein Mitglied der Kontrollstelle es verlangen. Beschlussfassungen nach Art. 25, lit. g, und Beschlussfassungen, durch welche Mittel der Anstalt in Beträgen von mehr als zehntausend Franken (Fr. 10'000.-) engagiert werden, sind nur zulässig bei Anwesenheit von fünf Mitgliedern oder Ersatzmännern und gelten als nicht zustandegekommen, wenn mehr als einer der Stimmberechtigten sich dem Geschäftsabschlusse widersetzt. Im Übrigen ist zu gültigen Verhandlungen die Anwesenheit von mindestens vier Mitgliedern oder Ersatzmännern erforderlich und die absolute Mehrheit der Stimmen entscheidet. Der Präsident stimmt stets mit; bei Stimmengleichheit zählt seine Stimme doppelt.

Über die Verhandlungen des Verwaltungsrates ist ein Protokoll zu führen, welches unmittelbar nach Schluss der Verhandlungen durch den Präsidenten und den Protokollführer zu unterzeichenen ist. Den Protokollführer bezeichnet der Verwaltungsrat.

Alle vom Verwaltungsrat ausgehenden Ausfertigungen sind vom Präsidenten und dem Sekretär des Verwaltungsrates sowie vom Verwalter zu unterzeichnen.

Im Übrigen gibt sich der Verwaltungsrat seine Geschäftsordnung selbst.

Art. 27: Die Kontrollstelle besteht aus zwei Mitgliedern, von welchen eines vom Landtage und eines von der Regierung ernannt wird. Die Ernennung erfolgt für die Dauer von vier Jahren.

Die Kontrollstelle ist befugt, und auf Wunsch des Landtages oder der Regierung verpflichtet, Revisionssachverständige beizuziehen. Die Beiziehung kann auch ständig erfolgen durch Abschluss von Vereinbarungen mit einem Revisionsverbande oder einer Treuhandgesellschaft.

Art. 28: Aufgabe der Kontrollstelle ist die einlässliche Prüfung des Geschäftsbetriebes auf dessen Übereinstimmung sowohl mit den gesetzlichen Vorschriften und den Vorschriften des Geschäftsreglements, ebenso wie mit gesunden bankwirtschaftlichen und bankbetriebstechnischen Grundsätzen.

Die Mitglieder der Kontrollstelle sowie die von der Kontrollstelle beigezogenen Sachverständigen haben vom Verwalter alle Aufklärungen und Nachweise zu verlangen, welche zur sorgfältigen Erfüllung der ihnen obliegenden Kontrollaufgaben erforderlich sind. Der Verwalter hat der Kontrollstelle und den von ihr beigezogenen Sachverständigen die Einsicht in die Bücher, Protokolle und Korrespondenzen, die Untersuchung der Kasse und der Belege, der Portefeuilles sowie aller anderen Wertbestände zu gestatten, alle verlangten Aufklärungen und Nachweise zu liefern und das Personal, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Geschäftsverkehrs möglich ist, zur Verfügung zu stellen.

Über jede Revision ist ein schriftlicher Revisionsbericht zu erstatten, der sowohl der Regierung wie dem Präsidenten des Verwaltungsrates mitgeteilt wird. Auf Wunsch der Kontrollstelle oder eines Mitgliedes der Kontrollstelle hat der Präsident eine Sitzung des Verwaltungsrates zur Besprechung des Revisionsberichtes einzuberufen, zu einer solchen Sitzung sind die Mitglieder der Kontrollstelle einzuladen und sie sind berechtigt, auch die Sachverständigen beizuziehen. Das Protokoll einer solchen Sitzung ist der Regierung und dem Präsidenten des Landtages mitzuteilen.

Die Kontrollstelle prüft die vom Verwaltungsrate aufgestellte Jahresschlussbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung sowie den Jahresbericht und erstattet über das Ergebnis dieser Prüfung Bericht an die Regierung zu Handen das Landtages.

Art. 29: Der Verwalter ist der verantwortliche Gerschäftsführer der Anstalt, dem alle Verrichtungen obliegen, die zur Verwirklichung der Aufgaben der Anstalt notwendig sind. Er wird vom Verwaltungsrate gewählt; die Wahl untersteht der Genehmigung durch die Regierung.

Der Verwalter leitet, unter Aufsicht des Verwaltungsrates und des ständigen Ausschusses, den Geschäftsbetrieb, führt die Beschlüsse des Verwaltungsrates und des ständigen Ausschusses aus und vetritt die Anstalt nach aussen und im Verkehr mit der Kundschaft. Er sorgt dafür, dass die benötigten Betriebsmittel bei Zeiten beschafft und allfällige Disponibilitäten gehörig verwendet werden. Er ist Vorgesetzter aller anderen Beamten und Angestellten.

Der Verwalter begutachtet sämtliche dem Verwaltungsrate vorzulegenden Geschäfte und Kreditbegehren. Er erstattet in jeder ordentlichen Sitzung des Verwaltungsrates einen ausführlichen Bericht über den gesamten Geschäftsverkehr der Anstalt im abgelaufenen Monat. Er hat im Verwaltungsrate beratende Stimme.

Art. 35: Ergeben sich in Fällen, in welchen Beschlüsse des Verwaltungsrates durch die Regierung zu genehmigen sind, Meinungsverschiedenheiten, die in einer gemeinsamen Sitzung des Verwaltungsrates mit der Regierung nicht geschlichtet werden können, so entscheidet;

a) soferne es sich um Fragen des Gesetzesauslegung handelt: die Verwaltungsbeschwerdeinstanz, und

b) in allen anderen Fällen: der Landtag.

Art. 36: Die Rechnungen der Anstalt werden mit dem Kalenderjahr abgeschlossen.

Die Jahresschlussbilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung sind mit einem Jahresbericht spätestens bis zum 15. April des auf den Rechnungsabschluss folgenden Jahres der Regierung zu übermitteln. Sie werden von der Regierung, mit dem Berichte der Kontrollstelle und mit einem eigenen Berichte der Regierung, dem Landtage zur Genehmigung unterbreitet.

b) Aus der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5. Oktober 1924 [3]:

Art. 14: Die oberste Aufgabe des Staates ist die Förderung der gesamten Volkswohlfahrt. In diesem Sinne sorgt der Staat für die Schaffung und Wahrung des Rechtes und für den Schutz der religiösen, sittlichen und wirtschaftlichen Interessen des Volkes.

Art. 23: Die Regelung des Münz- und öffentlichen Kreditwesens ist Sache des Staates.

Art. 62 e und f: Zur Wirksamkeit des Landtages gehören vorzugsweise folgende Gegenstände

e) die Beschlussfassung über den alljährlich von der Regierung über die gesamte Staatsverwaltung zu erstattenden Rechenschaftsbericht;

f) die Antragstellung und Beschwerdeführung bezüglich der Staatsverwaltung überhaupt sowie einzelner Zweige derselben.

Art. 63: Dem Landtage steht das Recht der Kontrolle über die gesamte Staatsverwaltung zu: er übt dieses Recht durch eine von ihm zu wählende Geschäftsprüfungskommission aus.

Es bleibt ihm jederzeit unbenommen, von ihm wahrgenommene Mängel oder Missbräuche in der Staatsverwaltung im Wege der Vorstellung oder Beschwerde direkt zur Kenntnis des Landesfürsten zu bringen und ihre Abstellung zu beantragen. Das Ergebnis der hierüber einzuleitenden Untersuchung und die auf Grund derselben getroffene Verfügung ist dem Landtage zu eröffnen.

Der Landtag hat das Recht, zur Feststellung von Tatsachen Kommissionen zu bestellen.

Der Regierunsgvertreter muss gehört werden und ist verpflichtet, Interpellationen der Abgeordneten zu beantworten.

Art. 78: Die gesamte Landesverwaltung, mit Ausnahme der Schulangelegenheiten, wird durch die dem Landesfürsten und dem Landtage verantwortliche Kollegialregierung in Gemässheit der Bestimmungen dieser Verfassung und der übrigen Gesetze besorgt.

Art. 79, Abs. 1: Die Regierung besteht aus dem Regierungschef und zwei Regierungsräten und ebensovielen Stellvertretern für den Verhinderungsfall. Der Regierungschef und sein Stellvertreter werden vom Landesfürsten einvernehmlich mit dem Landtage über dessen Vorschlag aus der wahlfähigen Bevölkerung des Fürstentums ernannt. Beide müssen gebürtige Liechtensteienr sein. Eine Abweichung bezüglich des Regierungschefs ist nur zulässig, wenn der Landtag sich mit Dreiviertel-Stimmenmehrheit dafür entscheidet.

Art. 84: Die Geschäftsbehandlung durch die Regierung ist teils eine kollegiale, teils eine ressortmässige (Art. 94).

Art. 89: Der Regierungschef unterzeichnet die von der Regierung auf Grund kollegialer Behandlung ausgehenden Erlässe und Verfügungen; ihm steht auch die unmittelbare Überwachung des Geschäftsganges in der Regierung zu.

Art. 90: Alle wichtigeren, der Regierung zur Behandlung zugewiesenen Angelegenheiten, insbesondere auch die Erledigungen der Verwaltungsstreitsachen, unterliegen der kollegialen Beratung und Beschlussfassung der Regierung in ihrer Versammlung, die aus dem Regierungschef als Vorsitzenden, den beiden Regierungsräten als Mitstimmführern und dem Regierungssekretär als Protokollführer besteht.

Diese Sitzungen finden in der Regel wöchentlich einmal, ausserdem nach Bedarf statt. Die Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefasst.

Der Regierungschef hat die gefassten Beschlüsse in Vollzug zu setzen. Nur in dem Falle, als er vermeint, dass ein gefasster Beschluss gegen die bestehenden Gesetze oder Verordnungen verstoße, kann er mit der Vollziehung desselben innehalten, jedoch hat er hievon ohne jeden Verzug die Anzeige an die Beschwerdeinstanz zu erstatten, welche unbeschadet des Beschwerderechtes einer Partei, über den Vollzug entscheidet.

Art. 92: Der Regierung obliegt der Vollzug aller Gesetze und rechtlich zulässigen Aufträge des Landesfürsten oder des Landtages. Sie erläßt die zur Durchführung der Gesetze erforderlichen Verordnungen, die nur im Rahmen der Gesetze erlassen werden dürfen.

Die gesamte Landesverwaltung überhaupt hat sich innerhalb der Schranken der Verfassung und der übrigen Gesetze zu bewegen, auch in jenen Angelegenheiten, in welchen das Gesetz der Verwaltung freies Ermessen einräumt, sind die demselben durch die Gesetze gezogenen Grenzen strenge zu beobachten.

Art, 93, f und g. In den Wirkungskreis der Regierung fallen insbesondere

f) die Erstattung des jährlich dem Landtage vorzulegenden Berichtes über ihre Amtstätigkeit;

g) die Ausarbeitung von Regierungsvorlagen an den Landtag und die Begutachtung der ihr zu diesem Zweck vom Landtage überwiesenen Vorlagen.

Art. 94: Damit der Gang der Geschäfte nicht nachteilig verzögert werde, sollen die laufenden Angelegenheiten nicht bis zum Sitzungstage aufgeschoben, sondern auf Grund eines von der Regierung zu Beginn eines jeden Jahres kollegial aufzustellenden Geschäftsverteilungsplanes vom Regierungschef bezw. den Regierungsräten bis zur endgültigen, der kollegialen Behandlung vorbehaltenen Entscheidung (Art. 90) einzeln ressortmässig behandelt werden.

Unter laufenden Angelegenheiten sind alle Gegenstände, welche an sich minder wichtig oder bloße vorbereitende Verfügungen betreffen, wodurch noch Berichte abverlangt, Verweise gefordert, kommissionelle Erhebungen gepflogen oder Bestimmungen getroffen werden, die vorbehaltlich der Enderledigung nur den Zustand festsetzen, in welchem die Sache bis zur erfolgenden endgültigen Entscheidung aus verbleiben soll.

a) Aus dem Gesetze über die allgemeine Landesverwaltungspflege (L.V.G.) vom 21. April 1922, L.G.Bl. Nr. 24.

Art. 21: (1) Die Regierung hat alljährlich bis Ende Februar einen Bericht über das gesamte Verwaltungsgebiet einschliesslich des einfachen Verwaltungsverfahrens und Verwaltungszwangs- und Verwaltungsstrafverfahrens dem Landtage zu erstatten. (Art. 62 und 93 der Verfassung).

(2) Zu diesem Zwecke hat auch die Beschwerdeinstanz der Regierung einen Amtsbericht über ihre Tätigkeit abzugeben.

(3) Der Gesamtbericht der Regierung soll unter anderm etwa beobachtete Mängel in der Landesverwaltung und Vorschläge auf deren geeignete Abhilfe enthalten.

Die Bestimmungen des Geschäftsreglements scheiden aus, da das Geschäftsreglement eine vom Verwaltungsrat getroffene, wenn auch von der Regierung genehmigte interne Regelung ist, die im Landesgesetzblatte nicht publiziert wurde und keine Gesetzeskraft hat. Eine allfällige Verletzung einer Bestimmung des Geschäftsreglements stellt daher nicht eine Gesetzesverletzung dar.

Der Staatsgerichtshof stellt zunächst fest, dass die Rechtsverhältnisse der liechtensteinischen Sparkasse vor Erlassung des Gesetzes vom 12. Januar 1923, L.G.Bl. Nr. 5, anders geregelt waren. Die Sparkasse war früher unter dem Bestande des Gesetzes vom 16. Dezember 1891, L.G.Bl. Nr. 7, allerdings auch eine Landesanstalt mit Landesgarantie, aber die Angelegenheit der Sparkasse wurde damals unter Leitung und Aufsicht der fürstlichen Regierung bezw. des fürstlichen Landesverwesers sowie unter Kontrolle der Sparkassekommission von speziell zugewiesenen Beamten besorgt. Der Sparkassekommission gehörte als Vorsitzender der fürstliche Landesverweser an. Die Regierung und vorzüglich der Chef der Regierung hatten damals nicht nur die Aufsicht, sondern geradezu die Leitung der Sparkasse inne.

Bei der Landtagssitzung am 4. Juli 1922 hatte nun die Sparkassekommission Richtlinien für das neue, die Rechtsverhältnisse der Sparkasse regelnde Gesetz gegeben.

Über den Sparkassebeamten sollte nur mehr eine Sparkassekommission stehen. Die Einflussnahme der Regierung sollte entfallen und der Rechenschaftsbericht dem Landtag vorgelegt werden, dem auch die Erteilung der Entlastung vorbehalten bleiben sollte. Diesen Richtlinien hat das Sparkassegesetz vom 12. Januar 1923, L.G.Bl. Nr. 5, Rechnung getragen. Dieses Gesetz setzt in Art. 1 ausdrücklich den Grundsatz fest, dass die Verwaltung der Landesbank von der übrigen Landesverwaltung getrennt geführt werde. Geschäftsführer der Anstalt ist nun der Verwalter, welcher einem Verwaltungsrat untersteht. Die Einflussnahme der Regierung wird grösstenteils ausgeschaltet. Ihre Rechte und Pflichten sind in Art. 21, 23, 27, 28, 35 und 36 des Gesetzes festgelegt. Nach Art. 21 und 23 wurde die Mitwirkung der Regierung bei der Verwaltung und Beaufsichtigung der Anstalt beschränkt auf

a) Wahl eines Mitgliedes der Kontrollstelle,

b) Bestätigung der vom Verwaltungsrate zu treffenden Wahl des Verwalters,

c) Genehmigung der vom Verwaltungsrate aufzustellenden Geschäftsbedingungen,

d) Genehmigung des vom Verwaltungsrate zu erlassenden Geschäftsreglementes und

e) die Berichterstattung an den Landtag über die Jahresrechnung und die Antragstellung an den Landtag über die Verwendung des Reingewinnes.

Weitergehende Rechte, auch insbesondere in Bezug auf die Geschäftsführung und Einsichtnahme in die Geschäftsgebarung stehen daher der Regierung nach dem Sparkassegesetz nicht zu.

Die Oberleitung und die Beaufsichtigung führt der Verwaltungsrat (Art. 25 und 26). Der Verwaltungsrat wird vom Landtage gewählt (Art. 22b), ist also dessen Beauftragter, und hat infolgedessen Bericht an den Landtag zu erstatten (Art. 25, 36). Die Kontrolle über den Landtag und die Regierung über die Kontrollstelle, also nur indirekt aus (Art. 22, 23a, 27). Die Kontrollstelle hat über jede Revision einen schriftlichen Bericht zu erstatten, welcher nicht nur an den Präsidenten des Verwaltungsrates, sondern auch an die Regierung geht. Falls auf Wunsch der Kontrollstelle oder eines Mitgliedes der Kontrollstelle eine Sitzung des Verwaltungsrates, zu welcher die Mitglieder der Kontrollstelle zu laden sind, stattgefunden hat, ist das Protokoll einer solchen Sitzung nicht nur der Regierung, sondern auch dem Präsidenten des Landtages mitzuteilen. Der Revisionsbericht der Kontrollstelle, die Jahresschlussbilanz und der Jahresbericht des Verwaltungsrates gehen an die Regierung zu handen des Landtages (Art. 27 und 28). Die Regierung hat die Jahresschlussbilanz, den Jahresbericht des Verwaltungsrates und den Bericht der Kontrollstelle mit einem eigenen Bericht dem Landtage zur Genehmigung vorzulegen (Art. 23e und 36). Dem Landtag obliegt die Genehmigung der Jahresrechnung (Art. 22). Abgesehen von den in Art. 23 des Sparkassegesetzes erwähnten Rechten der Regierung ist daher der Verwaltungsrat unabhängig von der Regierung, was auch in Art. 35 des Sparkassegesetzes zum Ausdruck kommt, nach welcher Gesetzesbestimmung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung und Verwaltungsrat nicht die Regierung entscheidet, sondern die Verwaltungsbeschwerdeinstanz oder der Landtag, je nachdem es sich um eine Meinungsverschiedenheit in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht handelt. Die Regierung hat daher nach dem Sparkassegesetz kein Recht, selbst die Geschäftsgebarung der Sparkasse zu beaufsichtigen, dem Verwaltungsrat bindende Weisungen zu erteilen, die rechtsverbindliche Unterschrift für die Anstalt zu geben oder zu entziehen und den Verwaltungsrat zu entsetzen.

Der Verwaltungsrat ist Beauftragter des Landtages, nicht der Regierung; nur der Landtag hat daher das Recht, dem Verwaltungsrat bindende Weisungen zu geben, ihn zu entsetzen, ihn zu entlasten (Art. 22). Damit aber der Landtag, der nur zeitweise tagt, die Unterlagen für seine Beschlussfassung erhält, schreibt das Sparkassegesetz vor, dass die Berichte der Kontrollstelle und die Berichte des Verwaltungsrates an die Regierung gehen und diese die Berichte mit einem eigenen Bericht dem Landtag vorzulegen hat. Stünde diese Bestimmung nicht im Sparkassegesetz, so hätte die Regierung schon nach Art. 21 des L.V.G. (Art. 62 und 93 der Verfassung) dem Landtag Bericht über die Verwaltung zu erstatten, da diese Verwaltung ein Zweig, wenn auch ein abgesondert geführter Zweig der Landesverwaltung ist und in der genannten Gesetzesbestimmung ausdrücklich die Pflicht der Regierung hervorgehoben wird, jährlich über das gesamte Verwaltungsgebiet zu berichten, beobachtete Mängel anzuzeigen und Vorschläge für eine geeignete Abhilfe zu erstatten. Die Bestimmung des Art. 36 des Sparkassegesetzes und des Art. 21 des L.V.G. schliessen einander nicht aus; die erstere ist eine spezielle Bestimmung; die letztere eine generelle Bestimmung. Eine spezielle Bestimmung hebt aber eine generelle Bestimung nur insoweit auf, als sie eine abweichende Regelung von der generellen Bestimmung gibt, was bei Art. 36 des Sparkassegesetzes nicht zutrifft.

Der Regierung obliegen daher nicht nur die im Art. 23 des Sparkassegesetzes erwähnten Formalgeschäfte, sondern auch nach Art. 23, 27, 28 und 36 des Sparkassegesetzes, Art. 62 und 93 der Verfassung und Art. 21 des L.V.G. die Berichterstattung (mindestens anlässlich der Vorlage der Jahreschlussrechnung der Sparkasse) an den Landtag über ihre Wahrnehmungen hinsichtlich der Verwaltung der Sparkasse, über Mängel der Verwaltung mit Vorschlägen auf geeignete Abhilfe.

Es ergibt sich aber weiters auch aus den grundlegenden Bestimmungen der Verfassung, dass die Regierung zum Einschreiten verpflichtet ist, wenn die Interessen des Volkes gefährdet sind. Nach Art. 14 der Verfassung ist die oberste Aufgabe des Staates die Förderung der gesamten Volkswohlfahrt; in diesem Sinne hat der Staat für die Schaffung und Wahrung des Rechtes und für den Schutz der religiösen, sittlichen und wirtschaftlichen Interessen des Volkes zu sorgen. Der Regierung obliegt nach Art. 78 der Verfassung die gesamte Landesverwaltung in Gemässheit der Bestimmungen der Verfassung und der übrigen Gesetze. Die Regierung muss daher, wenn die wirtschaftlichen Interessen des Staates oder Volkes gefährdet werden, entsprechend eingreifen, das heisst, soweit sie nicht durch die Verfassung und übrigen Gesetze beschränkt ist, nach freiem Ermessen handeln (Art 92 der Verfassung). Die Regierung hat daher die Pflicht, wenn sie Mängel in der Verwaltung der Sparkasse entdeckt, welche eine Schädigung der wirtschaftlichen Interessen des Staates oder Volkes befürchten lassen, innerhalb der ihr durch die Verfassung und übrigen Gesetze vorgeschriebenen Schranken einzugreifen. Da ihr weder der Verwaltungsrat noch der Verwalter und die übrigen Angestellten der Sparkasse unterstehen, kann sie aber keine Weisungen denselben erteilen und muss demnach, wenn Vorstellungen nutzlos bleiben, auf dem Wege der Berichterstattung durch geeignete Vorschläge beim Landtag Abhilfe suchen (Art. 23, 27, 28, 36 des Sparkassegesetzes, Art. 21 L.V.G., Art. 14, 23, 62 e und f, Art. 63, Abs. 4, Art. 78, 93 f und g der Verfassung).

Der Regierungschef ist für die Erfüllung dieser Pflichten besonders verantwortlich. Wenn auch Art. 90 der Verfassung alle wichtigeren Angelegenheiten der kollegialen Beratung und Beschlussfassung der Regierung zuweist, so ist doch der Regierungschef in erster Linie verantwortlich, und zwar nicht nur deshalb, weil er Vorsitzender des Regierungskollegiums ist, sondern weil ihm auch die unmittelbare Überwachung des Geschäftsganges in der Regierung zusteht (Art. 78, 79, 89, 90 der Verfassung).

In zweiter Linie ist der Inhaber des Finanzressorts verantwortlich, da diesem die allenfalls nötigen vorbereitenden Schritte zustehen (Art. 84, 90, 94 der Verfassung).

Der Angeklagte war vom 6. Juni 1922 bis zum 28. Juni 1928 Chef der fürstlichen Regierung und, wie aus den vorliegenden Regierungsbeschlüssen und den Aussagen der Zeugen Alois Frick und Peter Büchel hervorgeht, in den Jahren 1924 bis 1928 Inhaber der Finanzressorts. Es fragt sich nun, inwieweit der Angeklagte die Vorschriften der Verfassung und der übrigen Gesetze im Zusammenhang mit seiner Amtstätigkeit grobfahrlässig verletzt hat.

Vor Eingehung in diese Frage stellt der Staatsgerichtshof fest, dass alle jene, dem Angeklagten zur Last gelegten Fälle, die drei Jahre vor Erhebung der Anklage (21. Februar 1931) zurückliegen, verjährt sind, da nach Art. 44, Abs. 3, des Gesetzes über den Staatsgerichtshof vom 5. November 1925, L.G.Bl. Nr. 8, eine Erhebung der Anklage ausgeschlossen ist, wenn seit Begehung der Verletzungen mindestens drei Jahre verstrichen sind. Eine Unterbrechung der Verjährung sieht das Gesetz über den Staatsgerichtshof nicht vor. In Betracht kommen als für die Schuldfrage nur jene Verfassungs- und Gesetzesverletzungen, die nach dem 21. Februar 1928 begangen worden sind. Allein der Staatsgerichtshof hat wegen der im Anschluss an die Anklage erhobenen Schadenersatzansprüche sich auch schlüssig zu werden, inwieweit überhaupt eine schuldhafte Verletzung der Verfassung und der übrigen Gesetze dem Angeklagten zur Last fällt, weshalb auf die einzelnen Anklagepunkte einzugehen ist.

Punkt 1 der Anklage legt dem Angeklagten zur Last, er habe die ihm obliegende Beaufsichtigung der Geschäftsgebarung der Spar- und Leihkasse unterlassen.

Dieser Anklagepunkt ist unbegründet, weil der Regierung im allgemeinen und dem Regierungschef im besonderen weder nach der Verfassung noch nach dem Sparkassegesetz ein Recht zur Beaufsichtigung der Geschäftsgebarung der Spar- und Leihkasse zusteht, dem Geschäftsreglement aber keine Gesetezskraft zukommt, wie der Staatsgerichtshof festgestellt hat. Aus demselben Grunde kann dem Angeklagten keine Gesetzesverletzung zur Last gelegt werden, wenn er dem Verwaltungsrate der Sparkasse keine Weisungen erteilt hat (Punkt 2 der Anklage), da der Regierung kein Recht zusteht, dem Verwaltungsrat Vorschriften zu machen.

Wohl aber hat der Angeklagte die Verfassung in Art. 89, 90, 94, 62 f, 93 f, das L.V.G. in Art. 21 und das Gesetz betreffend die Spar- und Leihkasse für das Fürstentum Liechtenstein vom 12. Janauar 1923, L.G.Bl. Nr. 5 in Art. 23 e, 28 und 36 dadurch verletzt, dass er als Regierungschef und Inhaber des Finanzressorts unterliess, die ausführlichen Revisionsberichte der Ostschweizerischen Treuhandgesellschaft vom 27. Mai 1926 und 28. Mai 1927 dem Regierungskollegium zur Beratung und Beschlussfassung zu unterbreiten und dem Landtag mit eigenem Bericht vorzulegen (Punkt 2 und 5 der Anklage).

Über die Revisionsberichte der Ostschweizerischen Treuhandgesellschaft vom 12. Februar 1924 und 15. März 1925 wurde, wie das Beweisverfahren ergeben hat, von der Regierung beraten und Beschluß gefasst. Der erstere Bericht wurde von der Regierung zur Kenntnis genommen, der Revisionsbericht vom 15. März 1925 wurde dem Regierungsrate Gubelmann zum Referate zugewiesen und nach dem vorliegenden Schreiben des Regierungschefs vom 27. Juni 1925 mit dem Jahresbericht der Sparkasse dem Landtag vorgelegt. Die Revisionsberichte vom 7. Mai 1926 und 28. Mai 1927 wurden, wie aus den Aussagen der Zeugen Alois Frick, Peter Büchel, Josef Steger und Wilhelm Marxer feststeht und vom Angeklagten zugegeben wird, von diesem ad acta gelegt. Die Gründe, welche der Angeklagte für diese von ihm getroffene Erledigung vorbringt, entschuldigen ihn nicht.

Es ist allerdings richtig, dass die ausführlichen Revisionsberichte vertraulicher Natur und zunächst für den Verwaltungsrat bestimmt waren. Es ist weiters richtig, dass die Ostschweizerische Treuhandgesellschaft in ihrem Berichte vom 12. Februar 1924 darauf hinwies, dass es nicht Sache der Regierung oder des Landtages sei, sich mit der Behebung der gerügten Mängel zu befassen, sondern Sache der Verwaltung, welche die volle und ganze Verantwortung für das Institut trage, alle jene Schritte zu tun, die im Interesse des Institutes lägen. Allein die gesetzliche Verpflichtung der Regierung, die Jahreschlußrechnung der Sparkasse mit dem Revisionsberichte und einem eigenen Bericht vorzulegen, wird durch alle diese Gründe nicht aus der Welt geschafft. Das Gesetz hat diese Verpflichtung aufgestellt, damit der Landtag über die Verhältnisse in der Verwaltung der Sparkasse eingehend unterrichtet wird und so die Grundlagen für seine Beschlussfassung über die Jahresrechnung und die Entlastung des Verwaltungsrates erhält. Infolgedessen müssen gerade die vertraulichen Berichte der Kontrollstelle, welche Bemängelungen enthalten, dem Landtage in irgend einer Form mit allfälligen Vorschlägen der Regierung vorgelegt werden. Wenn der Angeklagte behauptet, dass durch die Behandlung der vertraulichen Berichte im Schosse der Regierung oder durch die Vorlage der Berichte an den Landtag die Sache in die Öffentlichkeit gekommen wäre, so ist demgegenüber darauf zu verweisen, dass auch die Berichte vom 12. Februar 1924 und 15. März 1925 Beanstandungen enthielten und trotzdem in der Regierung beraten und der letztere Bericht auch dem Landtage vorgelegt wurde.

Dem Angeklagten wäre es freigestanden, zunächst im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat und der Kontrollstelle die Mängel beheben zu lassen und dann einen neuerlichen Bericht der Kontrollstelle abzufordern. Schließlich müssen die Verhandlungen der Regierung und des Landtages nicht an die Öffentlichkeit kommen. Die Sitzungen der Regierung sind nicht öffentlich und der Landtag kann in einer vertraulichen Sitzung eine Sache beraten. Wenn trotzdem etwas in die Öffentlichkeit gekommen wäre, hätte nicht der Regierungschef die Verantwortung hiefür zu tragen. Endlich hätte der Angeklagte, um das Bankgeheimnis zu wahren, auch nicht den vollen Wortlaut der Revisionsberichte der Regierung und dem Landtage zur Kenntnis bringen müssen. Es hätte genügt, im allgemeinen auf die Mängel in der Verwaltung der Sparkasse hinzuweisen.

Der Angeklagte macht weiters geltend, dass das Regierungskollegium, wenn diesem die Revisionsberichte vorgelegt worden wären, kaum etwas anderes getan hätte, als die Behandlung der Berichte ausschliesslich dem Verwaltungsrat zu überlassen.

In dieser Hinsicht kann zunächst auf die Erledigung der Berichte vom 12. Februar 1924 und vom 15. März 1925 verwiesen werden, welche tatsächlich vom Regierungskollegium erledigt wurden. Weiters weist der Staatsgerichtshof darauf hin, dass der Regierungschef, wie der Eindruck bei der Vernehmung der früheren Regierungsmitglieder ergab, jedenfalls einen bestimmenden Einfluss auf die übrigen Mitglieder der Regierung nehmen konnte, und dass schließlich dem Regierungschef nach Art. 90, Abs. 3, der Verfassung bei verfehlten Beschlüssen der Regierung die Anrufung der Beschwerdeinstanz offen steht. Auch die Urlaubszeit des Angeklagten und das Wasserunglück, das im Jahre 1927 über das Land hereingebrochen ist, können die Unterlassung der ordnungsgemäßen Behandlung des Revisionsberichtes vom 28. Mai 1927 nicht rechtfertigen, da der Angeklagte diesen Revisionsbericht bereits am 7. Juni 1927 ad acta gelegt, seinen Urlaub erst im August 1927 angetreten und der Rheineinbruch erst im November 1927 stattgefunden hat. Die Behauptung des Angeklagten endlich, dass infolge der kleinen Verhältnisse die Ressortsverteilung praktisch niemals durchgeführt worden ist, wird durch die Aussagen Peter Büchel und Josef Steger widerlegt.

Der Staatsgerichtshof gelangt daher zur Überzeigung, dass der Angeklagte als Regierungschef und Inhaber des Finanzressorts in Verletzung der oberwähnten Bestimmungen der Verfassung, des L.V.G. und des Sparkassegesetzes schuldhaft unterlassen hat, die Revisionsberichte der Ostschweizerischen Treuhandgesellschaft vom 7. Mai 1926 und 28. Mai 1927 dem Regierungskollegium zur Beratung und Beschlussfassung zu unterbreiten und dem Landtage mit einem Bericht vorzulegen.

Der Staatsgerichtshof findet aber in dieser Unterlassung kein grobes Verschulden. Der Angeklagte war offenbar der Überzeugung, dass der Regierung nur die in Art. 23 des Sparkassegesetzes erwähnten Formalgeschäfte obliegen. Er hat demnach das Gesetz nicht gekannt, was ihn aber umso weniger entschuldigt, als von jedem Staatsbürger der Mangel der Kenntnis des Gesetzes zu verantworten ist, umsomehr von einer Amtsperson (§ 2 und 1299 a.b.G.B.). Die weitere Verantwortung des Angeklagten aber, dass er der Überzeugung gewesen sei, der Verwaltungsrat werde seine Pflicht tun, die einzeln aufgetauchten Beanständungen seien nicht derart wichtig gewesen, um ein Einschreiten der Regierung für notwendig zu erachten, ist nicht von der Hand zu weisen. Der vertrauliche Bericht der Kontrollstelle vom 12. Februar 1924 rügt den Mangel des Dotationskapitales, das ausserordentlich bescheidene Resultat des abgeschlossenen Rechnungsjahres, die ungünstigen Tresorverhältnisse und insbesondere die Personalfrage. Im Zwischenberichte vom 16. September 1924 wurden Überschreitungen von Krediten beanstandet und wieder auf den Mangel des Dotationskapitales hingewiesen.

Die Treuhandgesellschaft findet aber keinen weiteren Grund mehr, in diesem Zwischenbericht die Personalfrage aufzurollen, im Gegenteil erklärte sie, sie habe die Überzeugung erhalten, dass das Institut den Verhältnissen entsprechend gut geleitet werde. Der Revisionsbericht vom 15. März 1925 beanständet wieder verschiedene Überschreitungen der Kredite, bemerkt aber, dass dieselben eingemahnt und teilweise durch Zahlung gedeckt sind. Der Mangel des Dotationskapitales wird wieder hervorgehoben, in den bemängelten Tresorverhältnissen eine wesentliche Besserung festgestellt und das pro 1924 herausgewirtschaftete Resultat als zufriedenstellend bezeichnet.

Dieser Bericht wurde dem Landtage vorgelegt und die Frage des Dotationskapitales durch das Finanzgesetz für das Jahr 1926 gelöst.

Erst in den Revisionsberichten vom 7. Mai 1926 und 28. Mai 1927 tauchen schwere Beanständungen von Kreditgewährungen unter Anführung der einzelnen Debitoren-Bestimmungen auf und wird verlangt, dass die Kreditgewährung in verschiedenen Intervallen kontrolliert wird. Im Revisionsberichte vom 7. Mai 1926 wird auch die Anstellung eines selbständigen Gehilfen neben dem Verwalter Thöny verlangt, weil Thöny mit einem Lehrjungen nicht die ganze Geschäftsführung besorgen könne. Auf die Notwendigkeit der Anstellung eines selbständigen Gehilfen wies der Revisionsbericht vom 25. Mai 1927 neuerdings hin, nicht aber auf die Notwendigkeit der Einführung einer Kollektivzeichnung, wie die Anklage behauptet und der Zeuge Egli in seiner Vernehmung angab. Beanstandet wird in den Berichten pro 1925 und 1926 auch der Mangel an Zahlungsbereitschaft.

Nach diesen Berichten sind demnach einzelne Mängel im Laufe der Zeit behoben worden. Die Frage des Dotationskapitales wurde gesetzlich geregelt, die Tresorverhältnisse wurden gebessert und der frühere Verwalter wurde entsetzt. Ungeklärt blieben bis in die letzte Zeit die Kreditbemessungen, der Mangel an Zahlungsbereitschaft und die Frage der Anstellung eines zweiten Gehilfen. Von den Kreditüberschreitungen ist der Landtag bereits durch den vorgelegten Bericht vom 15. März 1925 in Kenntnis gekommen.

Bei dieser Sachlage lag es nahe, dass der Angeklagte zur Meinung kam, der Verwaltungsrat werde seine Pflicht tun, weshalb auch der Staatsgerichtshof kein grobes Verschulden in der Unterlassung der ordnungsmässigen Behandlung der Revisionsberichte und der Vorlage derselben an den Landtag erblicken kann.

Die Anklage legt dem Angeklagten weiter zur Last (Punkt 3 der Anklage), dass er es unterlassen habe, für eine ordnungsmässige Funktion des Verwaltungsrates der Spar- und Leihkasse, insbesondere in der Zeit vom Frühjahr 1927 bis Juni 1928 Sorge zu tragen, bezw. das Erforderliche zu veranlassen, dass rechtzeitig den gesetzlichen Bestimmungen gemäss die Neubestellung des Verwaltungsrates sowie der Kontrollstelle erfolge und dieselben ihre Tätigkeit gesetz- und reglementgemäss ausüben. Zu diesem Punkte weist der Staatsgerichtshof auf seine bereits ausgesprochene Rechtsansicht hin, dass weder der Regierung noch dem Regierungschef nach dem Gesetze ein Recht der direkten Kontrolle über die Gebarung des Verwaltungsrates zusteht. Die Regierung kann daher nur indirekt durch die Berichterstattung an den Landtag Einflussnahme auf den Verwaltungsrat nehmen. Da der Regierung kein direktes Kontrollrecht zusteht, entzog es sich auch ihrer Kenntnis, dass der Verwaltungsrat nach dem 30. April 1927 keine Sitzungen mehr abhielt. Ein begründeter Anlass, die Kontrollstelle außerhalb ihrer normalen Tätigkeit einzusetzen, fehlte, weil der Angeklagte, wie angenommen wurde, der Ansicht war und sein konnte, dass der Verwaltungsrat seine Pflicht tun werde.

Die Verzögerung der Neubestellung des Verwaltungsrates und der Kontrollstelle kann aber dem Angeklagten nicht zur Last gelegt werden. Am 28. Mai 1927 war die Mandatsdauer des bisherigen Verwaltungsrates abgelaufen. Die Neuwahl stand am 21. Juni 1927 und am 6. August 1927 auf der Tagesordnung des Landtages. Dass die Wahl damals nicht durchgeführt wurde, hatte, wie auf Grund der Sitzungsprotokolle des Landtages und der Aussagen der Zeugen Peter Büchel und Dr. [Wilhelm] Beck feststeht, seine Ursache in der politischen Zusammensetzung des Landtages. Nach dem 12. August 1927 ging der Angeklagte in Urlaub; dann kam der Rheineinbruch; die Behebung der durch den Rheineinbruch entstandenen Schäden nahm die Regierung fast zur Gänze in Anspruch. Es fanden wohl im Laufe des Herbstes und Winters 1927 Landtagssitzungen statt, die sich hie und da mit anderen Gegenständen als mit den Wasserschäden beschäftigten. Es wäre auch Sache des Landtages, bezw. seines Präsidenten gewesen, die Neuwahl des Verwaltungsrates wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Am 13. Februar 1928 erscheint die Neuwahl wieder auf der Tagesordnung und bei der nächsten Landtagssitzung am 17. Februar 1928 wurde sie endlich durchgeführt.

Wenn zwei Mitglieder (Josef Marxer und Hermann Ospelt) das Mandat nicht annehmen wollten, so hätte der Verwaltungsrat doch unter Zuziehung der Ersatzmänner vorläufig funktioniern können. Der zum Präsidenten des Verwaltungsrates gewählte Dr. Beck hatte sich die Annahme der Wahl vorbehalten - wie auf Grund der Aussage des Zeugen Ferdinand Nigg anzunehmen ist - mit Schreiben vom 4. April 1928 das Mandat abgelehnt, aber dieses Schreiben über Betreiben der Regierung zurückgenommen. Dr. Beck hatte sich auch weiterhin, wie nach den Angaben der Zeugen Ferdinand Nigg, Schredt, Zatloukal und Thöny feststeht, der Sparkasseangelegenheit angenommen. Der Angeklagte musste daher glauben, dass Dr. Beck das Amt eines Vorsitzenden des Verwaltungsrates weiter führte. Es wäre schließlich auch Sache des Dr. Beck, der damals zugleich Präsident des Landtages war, gewesen, auf die Ergänzung der Wahl in den Verwaltungsrat zu dringen, wenn der Verwaltungsrat nicht mehr voll besetzt war.

Die Kontrollstelle war in der Zeit vom 24. Oktober 1927 bis 11. Januar 1928 nicht voll und in der Zeit vom 11. Januar 1928 bis 17. Februar 1928 überhaupt nicht besetzt. Die Mandatsdauer der von der Regierung in die Kontrollstelle entsandten Ostschweizerischen Treuhandgesellschaft war am 27. Oktober 1927, die Mandatsdauer des vom Landtag in die Kontrollstelle gewählten Anton Walser am 11. Januar 1928 abgelaufen. Am 27. Februar 1928 fand gleichzeitig mit der Wahl des Verwaltungsrates auch die Wiederbesetzung der Kontrollstelle statt. Die Verzögerung in der Besetzung der Kontrollstelle ist geringfügig. Die Kontrollstelle hat auch meist nur einmal im Jahre anlässlich der Überprüfung der Jahresschlussbilanz die Geschäftsgebarung der Sparkasse revidiert. Die Revision über das Geschäftsjahr 1926 hatte stattgefunden. Die Revision über das Geschäftsjahr 1927 konnte die neugewählte Kontrollstelle durchführen. In diesen Kontrollen trat daher eine Unterbrechung nicht ein. Allerdings hat die Kontrollstelle die nach Art. 64 und 65 des Geschäftsreglements vorgeschriebenen vierteljährigen Kontrollen der zur Erneuerung gelangenden Darlehen nicht vorgenommen, wovon der Angeklagte mangels der vorgeschriebenen Vorlage der Revisionsberichte (Art. 28 des Sparkassegesetzes, Art. 65 des Geschäftsreglementes) Kenntnis haben musste. Der Angeklagte hätte auf die Vornahme der Kontrolle durch die Ostschweizerische Treuhandgeellschaft, welche Mandatarin der Regierung war, bestimmenden Einfluss nehmen können. Wenn er diese Einflussnahme unterlassen hat, was ihm die Anklage unter Punkt 5 zur Last legt, so kann darin der Staatsgerichtshof kein grobes Verschulden finden, weil die Verantwortung des Angeklagten nicht von der Hand zu weisen ist, dass er der Überzeugung gewesen sei, der Verwaltungsrat werde seine Pflicht erfüllen und weil die Treuhandgesellschaft selbst in ihrem Bericht vom 26. Mai 1927 die Vornahme der Zwischenrevision als Pflicht des Verwaltungsrates bezeichnet hat.

Was Punkt 4 der Anklage anbelangt, so ist darauf zu verweisen, dass wohl die Wahl des Verwalters von der Regierung zu genehmigen ist (Art. 23 b des Sparkassegesetzes), dass aber der Verwalter unter Aufsicht des Verwaltungsrates steht (Art. 29 des Sparkassegesetzes) und dass die Erteilung und Entziehung der rechtsverbindlichen Unterschrift für die Anstalt dem Verwaltungsrate obliegt (Art. 25 des Sparkassegesetzes). Die Regierung selbst hat daher kein Recht, den Verwalter der Sparkasse zu entheben oder seine Zeichnungsbefugnis einzuschränken. Wohl aber ist die Regierung, wie der Staatsgerichtshof eingangs festgestellt hat, verpflichtet, gegen den Verwalter Vorstellung beim Verwaltungsrat zu erheben oder auf dem Wege der Berichterstattung an den Landtag Abhilfe zu suchen, wenn die Interessen des Staates oder der Bevölkerung gefährdet erscheinen. Ob der Angeklagte diese Pflicht in grobfährlässiger Weise verletzt hat, ist im Zusammenhang mit Punkt 5 der Anklage zu untersuchen.

In diesem Punkte der Anklage wird dem Angeklagten zur Last gelegt, er habe es unterlassen, die eingehenden Revisionsberichte der Ostschweizerischen Treuhandgesellschaft und die ihm im ersten Halbjahr, insbesondere im März und April 1928, durch Mitteilung seitens verschiedener Personen bekannt gewordenen äusserst bedenklichen Wechselmanipulationen und hinsichtlich der Spar- und Leihkasse umgehenden Gerüchte und eingelangten Anfragen den übrigen Regierungsmitgliedern zur Behandlung, Beratung und Veranlassung entsprechender Verfügungen bzw. Herbeiführung erforderlicher Beschlüsse im Regierungskollegium zur Kenntnis bringen und auf Vornahme der vierteljährigen Revision seitens der Kontrollstelle und Vorlage der Revisionsberichte zu dringen.

Der Staatsgerichtshof hat die Unterlassung der ordnungsmässigen Behandlung der Revisionsberichte der Ostschweizerischen Treuhandgesellschaft vom 7. August 1926 und 28. Mai 1927 seitens des Angeklagten und die Unterlassung des vom Angeklagten zu erwartenden Einflusses auf die Vornahme der vierteljährigen Kontrollen bereits erörtert.

Es stand im Laufe des Frühjahres 1928 auch bereits wieder eine ordnungsmässige Kontrolle seitens der neugewählten Kontrollstelle bevor, diese Kontrolle wurde auch durchgeführt, ohne dass die betrügerischen Handlungen des Verwalters zu Tage kamen. Die Vorlage des Berichtes über diese Revision unterblieb, weil unterdessen die betrügerischen Manipulationen des Verwalters infolge Anfragen Dritter an die Ostschweizerische Treuhandgesellschaft zur Aufdeckung kamen.

Im weiteren hat der Staatsgerichtshof auf Grund der ihm vorliegenden Korrespondenz, des Geschäftskalenders des Angeklagten, der Aussagen des Zeugen David Bühler, Alois Frick, Stefan Ritter, Ferdinand Risch, Peter Büchel, Wilhelm Ritter, Richard Zatloukal, Eduard Egli, Franz Schredt, Dr. Beck, Dr. Ritter und Emil Real folgende Tatsachen als erwiesen angenommen:

Zum ersten Mal tauchte ein Gerücht über Umlauf von Wechseln Ende April 1927 auf, welches Gerücht vom Verwaltungsratsmitglied Stefan Ritter in einer Verwaltungsratssitzung erwähnt wurde. Dass der Angeklagte von diesem Gerüchte Kenntnis erhalten habe, ist weder von der Anklage behauptet noch bewiesen worden. Am 27. Juli 1927 äusserte sich David Bühler im Café Real in Vaduz, wo gerade die Kommission zur Untersuchung des Falles der Klassenlotterie tagte, er habe Anfragen erhalten über die Bonität der Landesbank, die Verbindung derselben mit der Klassenlotterie und über eine der Klassenlotterie nahestehende Persönlichkeit. Regierungsrat Frick hielt sich über die Äusserung Bühlers auf, weil sie in einem öffentlichen Gasthause gemacht wurde und wies Bühler an die Regierung. Bühler wandte sich jedoch nicht an dieselbe; es wurde ihm aber später von dem Angeklagten gelegentlich einer Unterredung mit demselben ausgestellt, dass er Anfragen über die Landesbank in einer Gastwirtschaft bekannt gebe. Der Angeklagte gibt zu, dass Frick ihm die Äußerung Bühlers, wenigstens soweit sie die Anfragen über die Bonität der Landesbank betraf, mitgeteilt hat. Die Tatsache, dass Bühler selbst dem Angeklagten keine Mitteilung zukommen liess und sich die Äusserung Bühlers auch nur auf Anfragen über die Bonität der Landesbank und allfällige Zusammenhänge derselben mit der Klassenlotterie erstreckte, lässt die Verantwortung des Angeklagten als zutreffend erscheinen, dass er an keinerlei Gefahr für die Interessen der Sparkasse dachte.

Ende Jänner 1928 oder in den ersten Tagen des Februars 1928 hat Rechnungsdirektor Zatloukal gelegentlich einer Besprechung mit dem Angeklagten auf Gerüchte über umlaufende Wechsel der Sparkasse aufmerksam gemacht. Der Angeklagte wies ihn an Thöny, welcher behauptete, dass ihm nur ein Gefälligkeitsakzept bekannt sei, die Sparkasse sei gedeckt und die Sache bereits abgewickelt. Mit Schreiben vom 6. Februar 1928 konnte Zatloukal aber dem Verwalter mitteilen, er habe Erkundigungen über die Anbote von Akzepten der Landesbank eingezogen, die Eskompteure Fränkl hätten diese Wechsel nicht eskomptiert, wohl aber habe die Kreditanstalt einen Posten von zirka 300'000 Rm. und bei der Bank für Auswärtigen Handel in Berlin seien gleichfalls solche Stücke eskomptiert worden. Mit Schreiben vom 10. Februar 1928 teilte Bankdirektor Schredt dem Rechnungsdirektor Zatloukal mit, dass der Schweizer Bankverein in Zürich angefragt habe, ob es sich bei der Landesbank in Vaduz um eine seriöse Bank handle und ob es richtig sei, daß diese Bank Gelder für grösste amerikanische Banken zu vergeben habe. Schredt meinte damals, es handle sich um Holdinggesellschaften. Am 21. Februar 1928 erhielt Zatloukal auf Anfrage eine Mitteilung der Bank für auswärtigen Handel in Berlin, dass der angefragte Wechsel bezahlt worden, dass aber von anderer Seite wegen Hereinnahme von Prolongationswechseln verhandelt worden sei und dass gleichzeitig weitere Akzepte in ziemlicher Höhe angeboten worden seien, die aber, da sie mit dem schlecht beleumundeten Koburg-Geschäft in Zusammenhang stünden, aus prinzipiellen Gründen abgelehnt worden seien.

Am 4. März 1928 machte Zatloukal den Angeklagten neuerdings auf umlaufende Wechsel der Landesbank aufmerksam. Der Angeklagte ersuchte ihn, sich an den Präsidenten des Verwaltungsrates zu wenden, den Zatloukal jedoch nicht antraf. Die Wechselgerüchte verstummten nicht. Die Firma Johann Liebig & Co. frug wegen eines Wechsels an, den die Investing-Corporation auf die Spar- und Leihkasse in Vaduz gezogen hatte. Der Eskompteur Fränkl bot die Wechsel der Landesbank an. Am 20. März 1928 verständigte Schredt den Rechnungsdirektor Zatloukal von einer Anfrage der Firma Dreifuß & Co. in Frankfurt wegen eines Akzeptkredites. Zatloukal wandte sich an diesem Tage an sämtliche fürstliche Zentralstellen, weil durch die Verbindung der liechtensteinischen Landesbank mit der Koburgsache für das fürstliche Haus Unannehmlichkeiten entstehen könnten.

Der Landesfürst selbst trug dem Rechnungsdirektor auf, die Regierung über die Wechselgerüchte zu verständigen. Der Angeklagte war Mitte März im Urlaub. Zatloukal wandte sich mit Schreiben vom 23. März 1928 an Dr. Beck, worin dieser aufmerksam gemacht wurde, dass die Sparkassewechsel international einen ziemlichen Wirbel gemacht hätten und vielfach abgelehnt werden, die fürstliche Privatverwaltung werde die Wechsel nicht übernehmen, es sei nicht klar, um welche Beträge es sich handle, und zu welchem Zweck sie dienen sollen.

Walser habe eine persönliche Aussprache in Aussicht gestellt, jedoch keine weiteren Nachrichten erteilt.

Auch bei der Bank in Liechtenstein waren bereits um die Jahreswende 1927/1928 Anfragen über die Bonität der Spar- und Leihkasse eingelangt. Am 30. Januar 1928 ging dort selbst eine Anfrage des Wiener Bankvereins ein, ob die Landesbank gut sei für ein Wechselobligo von Fr. 300'000.-. Thöny ermächtigte den Direktor Schredt zur Auskunft, dass ein Wechselobligo der Landesbank nicht bestehe. Ende Jänner oder anfangs Februar 1928 lief bei der Bank in Liechtenstein eine Anfrage über ein Wechselobligo ein. Thöny gab Direktor Schredt die Auskunft, dass die Sparkasse in der Koburgsache rein treuhänderisch wechselverpflichtet sei. Schredt traute der Sache nicht mehr. Die Bank in Liechtenstein setzte den der Landesbank eingeräumten Kredit von Fr. 400'000.- auf Fr. 100'000.- herab und Schredt wandte sich persönlich an den Angeklagten und erklärte ihm, Thöny habe auf seine erstmalige Anfrage ein Wechselobligo der Landesbank in Abrede gestellt und nun sei er (Schredt) enttäuscht, dass eine neue Anfrage über ein Wechselobligo eingetroffen sei. Im Zusammenhang damit machte Schredt den Angeklagten aufmerksam, dass auch sonst gewisse Posten suspekt erscheinen und fragte, wie es sich eigentlich im vorgebrachten Falle verhalte. Der Angeklagte liess den Verwalter Thöny kommen, hatte mit ihm in Abwesenheit Schredts eine Unterredung und teilte sodann Direktor Schredt mit, Thöny werde sich wegen der unrichtigen Angabe betreffs des Wechselobligos entschuldigen. Es existiere nämlich tatsächlich ein Wechsel in höherem Betrag und zwar in der Koburgsache, es sei jedoch vollständige Deckung der Landesbank vorhanden. Schredt kam zur Auffassung, dass Schädler den Angaben Thöny geglaubt und sich bei dessen Zusicherung beruhigt hatte.

Dr. Beck liess sich nach Empfang des Schreibens Zatloukals vom 23. März 1928 Thöny zu sich kommen, welcher gestand, sechs Blancowechsel der Landesbank dem Walser übergeben zu haben. Von Dr. Beck wurde nun Dr. Ritter nach Wien geschickt, um die Wechsel zu holen. Am 30. März 1928 wurde der Angeklagte von dem Geständnis Thönys verständigt und ihm zugleich mitgeteilt, es gehe das Gerede von Wechselsummen über zwei Millionen und von einem Zusammenhang der Wechselverpflichtungen mit Walser. Am nächsten Tage erhielt der Angeklagte von Schredt gleichfalls die Mitteilung, dass Wechsel in größeren Beträgen im Umlauf seien. Am 2. April 1928 brachte Dr. Ritter vier Abschnitte von Wechseln der Landesbank, welche er von Walser, den er in Wien getroffen, erhalten hatte. Walser war beim Erscheinen Dr. Ritters bereits in Kenntnis, dass dieser zur Abholung von sechs Wechseln erschienen war. Der fünfte Abschnitt folgte noch, nicht aber der sechste. Ob und auf welche Beträge die Wechsel ausgestellt waren, ob dieselben bereits begeben waren und zu welchem Zwecke, darüber hat sich angeblich niemand erkundigt. Im Lauf des Monats April lief bei der Bank in Liechtenstein eine Reihe von Anfragen betreffend die Landesbank ein. Schredt setzte daraufhin, und zwar noch vor dem 10. April 1928 im Einvernehmen mit dem Angeklagten und Dr. Beck eine allgemeine Formel für die zu gebenden Auskünfte fest, die dem wesentlichen Inhalte nach lautete:

"Landesbank hat Landesgarantie hinter sich, sie wünscht nicht, dass Wechsel, durch welche sie verpflichtet ist, in Umlauf gesetzt werden." Am 15. April 1928 hat Zatloukal neuerdings, und zwar in Begleitung des Generalkonsul Sobotka dem Angeklagten seine Kenntnisse über die umlaufenden Wechsel der Landesbank mitgeteilt und bei dieser Gelegenheit auch Dr. Beck informiert. Am selben Tage sprach Zatloukal auch mit Walser, der versicherte, dass die Wechselangelegenheit erledigt sei.

Nach Aussage des Zeugen Schredt ist noch am 30. April 1928 eine Anfrage über einen Wechsel über 30'000 Fr. gekommen, wovon Schredt dem Dr. Beck Mitteilung gemacht hat.

Es steht somit fest, dass der Angeklagte im Laufe der ersten vier Monate dreimal von Rechnungsdirektor Zatloukal auf Wechselgerüchte und umlaufende Wechsel der Landesbank aufmerksam gemacht worden ist, dass er weiters von Schredt im Laufe der Monate März und April Kenntnis von Anfragen über die Bonität der Landesbank und Wechselobligos in größeren Beträgen erhielt, dass er am 30. März 1928 von dem Geständnis Thönys über die unbefugte Ausgabe von sechs Blankowechseln an Walser erfuhr und dass dem Angeklagten auch später Anfragen über die Landesbank und Wechselobligos wenigstens teilweise zur Kenntnis kamen. Alle diese Tatsachen haben sicherlich auch bei dem Angeklagten Bedenken erregen müssen. Er selbst gibt in seiner Verantwortung an, er habe sich setzen müssen, als ihm Dr. Beck in großer Aufregung die unbefugte Ausgabe von sechs Wechseln an Walser mitgeteilt habe.

Der Angeklagte hatte daher, wenn er nur einige Kenntnis über die Bedeutung von Wechseln gehabt und Thöny nicht zu viel vertraut hätte, die Gefahr für die Landesbank erkennen und der Sache auf den Grund gehen müssen, was ihm durch die Kontrollstelle leicht möglich gewesen wäre; hat doch die Ostschweizerische Treuhandgesellschaft einige Monate später, als sie nur von zwei Wechseln erfahren hatte, die Aufdeckung der betrügerischen Handlungen des Verwalters veranlasst.

Das einzige, was der Angeklagte selbständig vorgekehrt hat, ist das an Dr. Beck gestellte Verlangen auf Einberufung einer Verwaltungsratssitzung.

Wenn daher die Anklage in der Unterlassung weiterer Schritte seitens des Angeklagten ein grobes Verschulden erblickt, ist dies begreiflich, allein der Staatsgerichtshof kann diese Ansicht nicht teilen, bezw. ein grobes Verschulden des Angeklagten nicht annehmen:

Thöny hat, wie das Beweisverfahren ergab, bei der Bevölkerung ein unbeschränktes Vertrauen genossen. Sein Geständnis konnte daher vom Angeklagten als erschöpfend angesehen werden. Die Finanzleute Zatloukal und Schredt haben sich dem Angeklagten gegenüber auf Feststellung der ihnen bekannten Tatsachen beschränkt. Schredt hatte überdies zur diskreten kommerziellen Behandlung geraten. Dr. Beck, welcher nicht nur Präsident des Verwaltungsrates der Sparkasse, sondern damals auch Landtagspräsident war, hatte nur die Zurückholung der Wechsel verfügt und Dr. Ritter, der hiemit von Dr. Beck beauftragt war, hat sich mit der Zurückholung der Wechsel begnügt und sich mit der Übergabe von Abschnitten derselben zufrieden gegeben. Schredt hat dann allerdings, aber auch nur gegenüber Dr. Beck, eine allgemeine Bemerkung über die Notwendigkeit organisatorischer Änderungen gemacht und später, als in der ersten Hälfte des Monats April 1928 die Anfragen über die Landesbank bei der Bank von Liechtenstein sich mehrten, im Einvernehmen mit Dr. Beck und dem Angeklagten eine Formel für die Beantwortung dieser Anfragen aufgesetzt. Im Übrigen haben sich aber Schredt wie Zatloukal, wie aus deren Aussagen hervorgeht, reserviert verhalten und keine Andeutung über die für die Landesbank heraufbeschworene Gefahr und deren Behebung fallen lassen.

Bei Beurteilung der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, sind nun auch die persönlichen Verhältnisse desjenigen, dem die Fahrlässigkeit zur Last fällt, zu berücksichtigen. Der Angeklagte ist seinem Bildungsgrade nach Schulmann, weshalb man ihm nicht die Kenntnisse eines Bankfachmannes zutrauen kann. Aus diesem Grunde kann auch seine Verantwortung nicht widerlegt werden, dass er den Vortrag Zatloukals, der sich in den in Finanzkreisen gebräuchlichen Ausdrücken bewegte, nicht richtig aufgefasst habe. Da nun weitere Finanzleute wie Schredt und Zatloukal keine Andeutung über die Gefährdung der Landesbank und die Notwendigkeit eingreifender Massnahmen machten, da ferner der Landtagspräsident und Präsident des Verwaltungsrates keine anderen Verfügungen für notwendig erachtete, als die Zurückholung der Wechsel und da schließlich auch bei den nachfolgenden Anfragen über die Landesbank vom Landtagspräsidenten Dr. Beck und dem Bankdirektor Schredt nur eine Formel für die Antworten festgesetzt wurden, so kann der Staatsgerichtshof in der Unterlassung weiterer Schritte seitens des Angeklagten um so weniger ein grobes Verschulden erblicken, als der Angeklagte, sobald er im Juni 1928 von dem Vertreter der Ostschweizerischen Treuhandgesellschaft über die Lage aufgeklärt war, sofort die nötigen Schritte gegen Thöny und seine Genossen eingeleitet hat. Dieser letztere Umstand lässt mit Grund darauf schliessen, dass der Angeklagte schon im März, bezw. April 1928 so gehandelt hätte, wenn er damals die Lage der Sparkasse geahnt hätte.

Der Angeklagte hätte allerdings im März 1928 anders gehandelt, wenn er nicht so leichtgläubig auf Thöny gebaut und sich für die für seine Stellung notwendigen Kenntnisse in Finanzsachen angeeignet hätte. Diese Vertrauensseligkeit und der Mangel an Kenntnissen sind Mitursache, dass nicht schon im März oder April 1928 den die wirtschaftlichen Interessen des Landes schädigenden Machenschaften Thönys Einhalt geboten wurde, wozu die Regierung und insbesondere der Angeklagte als Regierungschef und Inhaber des Finanzressorts gemäß Art. 14, 23, 62 e und f, Art. 63, Abs. 4, Art. 78, 79, 84, 89, 90, 92, 93 f und g, Art. 94 der Verfassung, Art. 23, 27, 28, 36 des Sparkassegesetzes verpflichtet gewesen wäre.

Der Staatsgerichtshof kommt somit zum Schlusse, dass der Angeklagte in Ausübung seiner Amtstätigkeit wohl Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen verletzt hat, diese Verletzungen aber nicht grobfahrlässig erfolgten, und dass übrigens alle vor dem 21. Februar 1928 zurückliegenden Begangenschaften wegen Verjährung nicht mehr unter Anklage gestellt werden konnten, weshalb der Angeklagte freizusprechen ist.

Zur Abkürzung des Verfahrens geht der Staatsgerichtshof sofort auf die geltend gemachten Schadenersatzansprüche ein (Art. 45, Abs. 2, des Gesetzes über den Staatsgerichtshof).

Nach Art. 19 des L.V.G. sind die Mitglieder der Regierung für eine der Verfassung und den Gesetzen entsprechende Ausübung ihres Amtes straf-disziplinär und zivilrechtlich verantwortlich; die straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit richtet sich nach den einschlägigen Gesetzen. Bezüglich des Umfanges der zivilrechtlichen Haftung erklärt sich das das L.V.G. nicht. Nach den derzeit geltenden Bestimmungen des österreichischen a.b.G.B. umfasst die zivilrechtliche Haftung nicht bloß die Haftung für Vorsatz und grobes Verschulden, sondern auch für leichte Fahrlässigkeit. Die Haftpflichtbestimmung des Art. 21, L.V.G., kann jedoch der Ansicht des Staatsgerichtshofes nicht den Zweck verfolgen, den Verwaltungsbeamten auch für leichtes Verschulden haftbar zu machen; denn die Verhältnisse des Landes sind zu klein, so dass nicht an jede öffentlich-rechtliche Stelle ein Fachmann gesetzt werden kann. Infolgedessen kann das Gesetz nicht schon für den Mangel der notwendigen Fachkenntnisse, welcher Mangel nach dem Zivilrecht (§ 1299 a.b.G.B.) bereits ein leichtes Verschulden darstellt, die Schadenersatzpflicht festsetzen.

Auch die Bestimmungen des Art. 44 und 50 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof weisen darauf hin, dass nur für Vorsatz und grobes Verschulden zu haften ist. Denn nach Art. 44 kann nur bei absichtlicher oder grobfahrlässiger Gesetzesverletzung Anklage erhoben werden, während aus Art. 50, Abs. 3, des Staatsgerichtshofgesetzes zu schliessen ist, dass im Falle der Erhebung einer Anklage nur dann der Staatsgerichtshof auf Schadenersatzansprüche einzugehen hat, wenn ein Schuldspruch gefällt wird.

Damit aber stellt sich das Gesetz selbst auf den Standpunkt, daß Ersatzansprüche nur bei Vorsatz oder groben Verschulden begründet sind. Die vom Staate erhobenen Schadenersatzansprüche sind deshalb mangels des Nachweises eines groben Verschuldens des Angeklagten abzuweisen.

Nach Art. 30, Abs. 4, des Gesetzes über den Staatsgerichtshof sind die Gerichtskosten im Falle eines Freispruches vom Staate zu tragen; zugleich kann der Staatsgerichtshof in diesem Falle aussprechen, dass die Auslagen des freigesprochenen Angeklagten ganz oder teilweise vom Staate zu ersetzen sind. Diese letztere Bestimmung kann nur dahin aufgefasst werden, dass ein freigesprochener Angeklagter nur dann Anspruch auf Ersatz aller seiner Kosten hat, wenn er keinerlei Veranlassung zum Verfahren gegeben hat. Im vorliegenden Falle fällt dem Angeklagten ein Verschulden zur Last, das von der einen oder anderen Seite als grobes Verhalten angesehen werden konnte, weshalb dem Angeklagten nur die Hälfte seiner Kosten zuerkannt wurden.

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[1] EStGH 1931, S. 57-79. Der Landtag behandelte das Urteil des Staatsgerichtshofes in der öffentlichen Landtagssitzung vom 14.1.1932 (LI LA LTP 1932/031). Vgl. den Bericht des Staatsgerichtshofes im Disziplinarverfahren gegen Regierungsrat Peter Büchel vom 16.1.1932 (EStGH 1931, S. 45-56).  
[2] Richtig: 1921.
[3] Siehe FN 2.