Der Staatsgerichtshof entlastet Peter Büchel im Disziplinarverfahren wegen des Sparkassaskandals vom Vorwurf des pflichtwidrigen Verhaltens


Bericht des Staatsgerichtshofes an den Landtag [1]

16.1.1932

Der Fürstlich Liechtensteinische Staatsgerichtshof hat in seiner nicht-öffentlichen Sitzung vom 16. Jänner 1932, an welcher teilnahmen Vizepräsident Wilh. [Wilhelm] Fehr als Vorsitzender, Dr. F. [Franz Josef] Erne, Dr. W. [Wilhelm] Künzle, Dr. O. [Otto] Schädler und Felix Müssner als Richter, Alois Sele als Schriftführer, beschlossen, auf Grund der in der Disziplinarsache gegen Regierungsrat Peter Büchel abgeschlossenen Untersuchung zu erstatten folgenden

Bericht

A.

Der Landtag des Fürstentums Liechtenstein hatte in seiner Sitzung vom 7.5.1931 einstimmig beschlossen, dem Staatsgerichtshof den Auftrag zu erteilen, die Sache Peter Büchel im Wege eines Disziplinarverfahrens zu untersuchen und das Ergebnis der Untersuchung dem Landtage bekannt zu geben.

Dieser Auftrag stützt sich auf Artikel 1 des Gesetzes über das Disziplinarverfahren gegen Mitglieder der Regierung vom 7.5.1921 [2], L.G.B. Nr. 6. Nach dieser Gesetzesstelle steht dem Landtage durch einfachen Mehrheitsbeschluss das Recht zu, bei pflichtwidrigem Verhalten der Regierung als Kollegialbehörde oder von Einzelmitgliedern der Regierung beim Staatsgerichtshofe die Durchführung des Disziplinarverfahrens zu beantragen.

Die formellen Voraussetzungen des Disziplinarverfahrens sind daher gegeben, da der Beschluss des Landtages einhellig erfolgt ist und das Verfahren sich gegen ein Mitglied der Regierung richtet. Eine formelle Anklage, wie das Staatsgerichtshofgesetz bei der Ministeranklage vorschreibt, ist allerdings nicht erhoben worden, doch erachtet der Staatsgerichtshof, dass dem Landtage nach dem Disziplinargesetze auch das Recht zusteht, anstatt einer Anklage zu erheben, nur die Untersuchung eines Disziplinarfalles und einen gutächtlichen Bericht des Staatsgerichtshofes zu verlangen, da die Bestimmungen des Gesetzes über den Staatsgerichtshof im Disziplinarverfahren nur sinngemäss Anwendung zu finden haben und im Anklagerechte auch das weniger weitgehende Recht auf Untersuchung und Begutachtung eines Disziplinarfalles inbegriffen ist (Art. 3 des Disziplinargesetzes).

Der Beschluss des Landtages spricht sich nun allerdings auch nicht ausdrücklich aus, in welcher Richtung sich die Untersuchung bewegen soll. Allein aus dem Protokoll über die Landtagssitzung vom 7.5.1931 geht unzweideutig hervor, dass die Untersuchung und der Bericht sich auf jene Fälle erstrecken soll, welche dem Regierungsrat Peter Büchel in der Öffentlichkeit als pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen werden. Es sind dies folgende Fälle:

a) Regierungsrat Peter Büchel habe nach seiner eigenen Aussage schon im April 1927 gewusst, daß ein Wechsel der Liechtensteinischen Sparkasse im Betrage von Fr. 100'000.- im Verkehre sich befinde. Er habe damals einem Verwaltungsratsmitgliede der Sparkasse mitgeteilt, dass er diese Angelegenheit selber unauffällig als Regierungsrat kontrolliere. Büchel habe jedoch weder den anderen Verwaltungsratsmitgliedern der Sparkasse noch insbesondere seinen Kollegen in der dreigliedrigen Regierung noch den Abgeordneten im Landtage von seinem Wissen Mitteilung gemacht. Regierungsrat Büchel habe von diesem Wissen selbst am 6.6.1928 noch keinen Gebrauch gemacht, sondern damals einen anderen Fall erwähnt, wornach Wechsel (in der Mehrzahl) über sehr große Beträge, die auch für einen Millionär zu viel wären, im Umlauf seien. Er habe sich damals geäussert, er habe schon längst gewusst, dass Wechsel der Sparkasse über grosse Beträge in Deutschland im Umlaufe seien, Agenten hätten ihm dies mitgeteilt. Dabei habe Büchel eine ihm bekannte Person genannt, von der er gewusst habe, dass sie eine vielfache Millionärin sei.

b) Regierungsrat Büchel habe unterlassen, die ihm vom Agenten Bühler im 1. Halbjahr 1927 zugekommene Mitteilung über höchst verdächtige Anfragen bezüglich der Landesbank, insbesondere in der Richtung, ob die Landesbank und Anton Walser bezw. ob die Landesbank und die Lotterie ident seien, dem Regierungskollegium oder dem Verwaltungsrate der Sparkasse zu Kenntnis zu bringen und habe auch diesfalls durch sein Stillschweigen die Sparkasseschäden mitverursacht.

c) Peter Büchel habe unterlassen, von dem auffälligen Verkehre des Niko Beck [3] bei der Spar- und Leihkasse rechtzeitig Mitteilung zu machen, wodurch die Fortsetzung der Manipulationen des [Franz] Thöny und seiner Genossen hätte hintangehalten oder erschwert werden können.

d) Er habe weiters durch sein Verhalten im Landtage am 21. Juni 1927, 6. August 1927 und 17. Februar 1928 die Neuwahl des Verwaltungsrates der Spar- und Leihkasse, dessen Amtsdauer bereits im März 1927 abgelaufen war, verhindert oder wenigstens verzögert und erschwert und dadurch gleichfalls die Fortsetzung der strafbaren Handlungen des Thöny und seiner Genossen ermöglicht und somit den hieraus entstehenden Schaden mitverursacht.

In dieser Richtung hat sich auch die mit Beschluss des Staatsgerichtshofes vom 5. Juni 1931 eingeleitete Untersuchung bewegt. Die Ergebnisse dieser sachlichen und in jeder Richtung einwandfreien Untersuchung liegen nun vor und werden vom Staatsgerichtshofe für hinreichend erachtet, um einen abschliessenden Bericht erstatten zu können.

B.

I. Der Staatsgerichtshof ist zunächst der Ansicht, dass alle oberwähnten Fälle von Unterlassungen und Handlungen, welche dem Regierungsrat Büchel als pflichtwidriges Verhalten zur Last gelegt werden, vor dem 7. Mai 1928 liegen, wegen Verjährung nicht mehr unter Anklage gestellt werden können. Denn nach Art. 3 des Gesetzes über das Disziplinarverfahren gegen Mitglieder der Regierung (im Folgenden kurz als Disziplinargesetz bezeichnet) findet Art. 44 Abs. 3 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof vom 5.11.1925, L.G.Bl. Nr. 8, Anwendung, wornach eine Anklage ausgeschlossen ist, wenn seit Begehung der Gesetzesverletzung mindestens drei Jahre verstrichen sind. Art. 6 des Disziplinargesetzes sagt allerdings, dass die Bestimmungen des Disziplinargesetzes auch Anwendung auf frühere Ereignisse zu finden haben, soweit solche nicht bereits rechtskräftig entschieden worden sind. Allein diese Gesetzesebestimmung kann bei der ausdrücklichen Übernahme der Verjährungsbestimmung des Art. 44 des Staatsgerichtshofgesetzes nur dahin verstanden werden, dass nur jene vor Erlassung des Disziplinargesetzes vorgefallenen Pflichtwidrigkeiten im Disziplinarwege verfolgt werden können, welche nicht mehr als drei Jahre seit Einleitung des Disziplinarverfahrens zurück liegen. Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz, dass bei schweren Gesetzesverletzungen eine längere Verjährungsfrist gelten soll als bei leichteren und wenn nun das Gesetz über den Staatsgerichtshof für vorsätzliche und grob fahrlässige Gesetzesverletzungen eine dreijährige Verjährungsfrist festsetzt, kann das Disziplinargesetz bei Pflichtwidrigkeiten, wozu jede Übertretung einer Amtspflicht. somit auch leichtere Gesetzesübertretungen gehören, nicht eine längere Verjährungsfrist im Auge haben. Die dem Regierungsrat Büchel zur Last gelegten Fälle fallen nun alle in einen Zeitraum, der über drei Jahre vor Erhebung des Landtagsbeschlusses vom 7. Mai 1931 zurückliegt und da weder das Staatsgerichtshofgesetz noch das Disziplinargesetz eine Unterbrechung der Verjährung außer durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens selbst kennt und ein fortdauerndes Delikt nicht vorliegt, so ist die Verjährung anzunehmen.

II. Der Staatsgerichtshof findet aber auch kein pflichtwidriges Verhalten des Regierungsrates N.N. vor.

1. Bezüglich der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Disziplinarfalles im Allgemeinen weist der Staatsgerichtshof auf seine bereits in der Ministeranklagesache gegen Professor und Altregierungschef N.N. ausgesprochene Ansicht hin, dass nach dem Sparkassagesetze vom 12. Jänner 1923, L.G.Bl. Nr. 5, nach welchem Gesetze allein ausser der Verfassung die vorliegende Disziplinarsache zu beurteilen ist, die Mitwirkung der Regierung bei der Verwaltung und Beaufsichtigung der Sparkassa auf die in Art. 23 des genannten Gesetzes erwähnten Geschäfte und auf die Berichterstattung im Sinne der Artikel 23, 27, 28 und 36 des Sparkassagesetzes, Art. 62 und 93 der Verfassung (Art. 21, L.V.G.) beschränkt ist und dass die Regierung nur im Falle der Gefährdung der Interessen des Staates oder Volkes zu einem weiteren Einschreiten auf Grund der Art. 14, 23, 62e und f), 63, 78, 93, f und g) der Verfassung und Art. 23, 27, 28 und 36 des Sparkassagesetzes berechtigt und verpflichtet ist. (Das Gesetz vom 12. Juni 1929 , L.G.Bl. Nr. 10, hat allerdings die Rechte und Pflichten der Regierung gegenüber der Sparkasse erweitert, doch kommt dieses Gesetz bei Beurteilung der vorliegenden Disziplinarsache nicht in Betracht, weil es nicht zurückwirkt.) Auf die Erfüllung der Pflichten der Regierung muss nun nicht nur der Regierungschef, sondern auch das einzelne Regierungsmitglied dringen. Infolgedessen handelt es sich darum, ob Regierungsrat N.N., in den ihm zur Last gelegten Fällen diese erwähnten Pflichten verletzt hat, wobei nicht nur vorsätzliche und grob fahrlässige Gesetzesverletzung, sondern auch jede leichte Amtspflichtverletzung in Betracht zu ziehen ist, weil das Disziplinargesetz nicht, wie die Bestimmungen des Staatsgerichtshofes über die Ministeranklage nur absichtliche und grobfahrlässige Verfassungs- und Gesetzesverletzungen im Auge hat, sondern jedes pflichtwidrige Verhalten (Art. 44 Abs. 1 des Staatsgerichtshofgesetzes, Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 des Disziplinargesetzes).

2. Im Besonderen ist zu den einzelnen dem Regierungsrat Peter Büchel zur Last gelegten Fällen folgendes zu sagen:

a) Es wird dem Regierungsrat zunächst vorgeworfen, dass zwischen seiner Aussage im Strafverfahren gegen N.N. und Genossen und seinen Ausführungen anlässlich der Sitzung vom 6. Juni 1928 wesentliche Widersprüche bestünden. P.B. soll bei der genannten Sitzung in mehrfacher Hinsicht anderst ausgesagt haben, als später bei seiner Zeugenvernehmung.

Bekanntlich fand am 6. Juni 1928 abends nach den Enthüllungen des Egli über die Wechselmanipulationen des Thöny im Zimmer des Regierungschefs eine Sitzung statt, an welcher ausser dem Regierungschef die Regierungsräte [Alois] Frick und Büchel, ferner Dr. [Wilhelm] Beck als Präsident des Verwaltungsrates der Sparkasse, dann Bargetze und W. Ritter als Mitglieder des Verwaltungsrates, und Eduard Egli teilnahmen. Schriftführer war Regierungssekretär [Ferdinand] Nigg. Bei dieser Sitzung gab vorerst Egli einen allgemeinen Überblick über die Vorgänge, welche unmittelbar zur Aufdeckung der Sparkasseunregelmässigkeiten geführt hätten, und seine zuerst unternommenen Schritte. Im Verlaufe der Untersuchung warf Peter Büchel auch die Frage auf, "von wann die ersten Wechsel seien". Egli erwiderte ihm darauf, das wisse man nicht, man habe von den zurückgegebenen Abschnitten nur die Unterschriften. Thöny sage, sie seien vom März. Hierauf machte Peter Büchel aus freiem Antrieb Angaben über seine früheren Wahrnehmungen.

Das vom Schriftführer Nigg damals an Ort und Stelle stenographisch aufgenommene Protokoll gibt die Ausführungen des Peter Büchel in der Übertragung wie folgt wieder:

"Peter Büchel: Er sei schon vor mehr als einem halben oder vor mehr als dreiviertel Jahren aufmerksam gemacht worden von Agenten, bei welchen Erkundigungen über die Sparkasse eingeholt wurden. Diese sagten, es laufen in Deutschland grosse Wechsel der Sparkasse. Das sei aber mindestens ein halbes Jahr her. Man habe dann den Namen Dr. Sprenger genannt. Er habe der Sache nicht das geringste Gewicht beigelegt. Er habe immer beschwichtigt, wenn man den Namen Sprenger nannte. Man habe ihm dann erwidert, die Wechsel seien so groß, daß auch Dr. Sprenger genug daran zu tun hätte."

Demgegenüber ist der Wortlaut des vom Zeugen Ferdinand Nigg nun beigebrachten, damals aufgenommenen Stenogrammes folgender:

"P.B. Er habe schon vor mehr als einem halben oder dreiviertel Jahr aufmerksam gemacht worden und von Agenten, die Anfragen bekommen haben. Sie sagten, es laufen in Deutschland große Wechsel. Mindestens ein Halbjahr. Man habe den Namen von Dr. Sprenger genannt. Er habe der Sache nicht das geringste Gewicht darauf gelegt. Er habe immer beschwichtigt, da man Dr. Sprenger nannte. Man sagte dann, die Wechsel seien so gross, daß auch Dr. Sprenger daran zu tun hätte."

Der Beschuldigte Büchel bestreitet, dass das Protokoll genau mit dem übereinstimme, was er damals sagte. Das Protokoll sei ihm nach Abfassung weder zur Einsicht noch zur Unterschrift vorgelegt worden. Er habe auch sofort, sobald er Kenntnis von seinem Inhalte erhielt, dagegen Stellung genommen und deshalb auch den Dr. Ritter, Schriftführer des "Liechtensteiner Volkswirt", in welchem seine Angaben veröffentlicht wurden, zur Rede gestellt.

Die Tatsache, dass Peter Büchel schon früh gegen die Art der Wiedergabe seiner Äusserungen anlässlich der Sitzung vom 6. Juni 1928 Stellung nahm, ergeht auch aus seinem offenen Briefe an Dr. Alois Ritter im "Liechtensteiner Volksblatt" vom 14. Juli 1928.

Was nun das Zustandekommen des Protokolls betrifft, so hat Regierungssekretär Nigg als Zeuge bestätigt, er habe die Ausführungen der Teilnehmer an der Sitzung "sinngemäß" stenographisch niedergelegt und nach dem Stenogramme das Protokoll verfasst, das gleichfalls keine wörtliche Wiedergabe des Stenogramms darstelle. Die Übertragung sei jedenfalls noch vor dem 10. Juni erfolgt. Er könne nur sagen, dass er damals die stenographische Niederschrift nach seinem Wissen und Können als Schriftführer gemacht habe. Richtig sei, dass im Protokolle nebensächliche Bemerkungen nicht aufgenommen waren.

Der Beschuldigte Peter Büchel gibt nunmehr seine damaligen Äusserungen bei der Sitzung vom 6. Juni 1928 wie folgt wieder: Er habe nach seiner Frage, wie lange das mit den Wechseln schon her sein könne, auch dunkel erinnert, daß ihm einmal etwas mitgeteilt worden war und habe dann ungefähr erzählt:

"Ich kann mich nur erinnern, dass ich vor vielleicht einem halben oder dreiviertel Jahr, vielleicht auch schon vor längerem. irgendwo, ich könne jetzt nicht mehr sagen, ob in Schaan oder von Agenten gehört habe, dass Wechsel - ob ich das Wort in der Einzahl oder Mehrzahl gebrauchte, weiss ich nicht mehr - von ziemlicher Höhe im Umlaufe seien. Auch daran könnte ich mich erinnern, dass Agenten mir mitteilten, es seien Anfragen bezüglich der Sparkasse eingelaufen, ob sie mit Walser-Kirchthaler ident sei, ob die Sparkasse und die Klassenlotterie ident seien. Ich fügte noch bei, ich hätte bezüglich der Wechsel die Vermutung gehabt, dass sie mit Dr. Sprenger zusammenhängen."

Auf die Nennung des Namens Dr. Sprenger habe dann einer der Anwesenden, glaublich Egli, eingeworfen, dass diese Wechsel auch für den Dr. Sprenger viel oder zu viel wären.

Bei einem Vergleiche dieser Ausführungen Büchels mit der Fassung des Protokolls vom 6. Juni 1928 ergeben sich nun allerdings verschiedene Unstimmigkeiten. Laut Protokoll hätte Büchel nur von einer Mitteilung durch Agenten über Erkundigungen bezüglich der Landesbank erzählt und hätten die Agenten von grossen Wechseln der Sparkasse in Deutschland gesprochen. Büchel dagegen behauptet, er habe auf eine Nachricht, ob Schaan oder von Agenten hingewiesen über den Wechselumlauf und weiter auf eine Mitteilung von Agenten über Anfragen bezüglich Identität der Landesbank mit Walser-Kirchthaler und der Klassenlotterie. Nach dem Protokolle hätte Büchel weiter angegeben, dass ihm der Name Dr. Sprenger genannt worden sei und dass er im Hinblicke darauf auch immer beschwichtigt habe, wenn man den Namen Dr. Sprenger nannte, während der Beschuldigte Büchel sagt, es sei ihm niemals der Name Dr. Sprenger von dritter Stelle genannt worden, sondern er selbst habe nur an ihn gedacht und sich selbst damit beschwichtigt. Endlich soll laut Protokoll Büchel angegeben haben, man habe ihm, wenn er unter Hinweis auf die Person des Dr. Sprenger beschwichtigte, entgegengehalten, die Wechsel seien so gross, daß auch Dr. Sprenger genug daran zu tun hätte. Demgegenüber behauptet Büchel, dieser Teil des Protokolls gebe überhaupt nicht seine eigene Rede bei der Sitzung wieder, sondern es sei von einem Versammlungsteilnehmer seines Glaubens von Seite des Egli, auf seine Bemerkung, er habe an den Dr. Sprenger gedacht, eingeworfen worden, dass diese Wechsel auch für einen Dr. Sprenger viel oder zu viel wären.

Unter den Teilnehmern an der Sitzung haben Dr. Beck, Eduard Egli und Ferdinand Nigg seinerzeit im Strafverfahren Thöny die Äußerungen des Peter Büchel im Allgemeinen in Übereinstimmung mit dem Protokoll vom 6. Juni 1928 bestätigt.

Der Beschuldigte Peter Büchel gibt hiezu an: Das Protokoll sei an und für sich lückenhaft, es habe damals große Bestürzung über die aufgedeckten Sparkasse-Unregelmäßigkeiten bestanden. Leicht sei es möglich, daß der Schriftführer und die Sitzungsteilnehmer in der allgemeinen Bestürzung seine Ausführungen nicht strenge auseinander hielten und sich Missverständnisse einschlichen. Denkbar sei es auch, dass die Zeugen an Hand des Protokolles oder wenigstens nach Kenntnisnahme von seinem Inhalte aussagten und einfach die Richtigkeit des Protokolles bestätigten. Der Ausdruck Deutschland könne in der Weise in das Protokoll gekommen sein, dass eben Dr. Sprenger von Deutschland ist. Peter Büchel habe damals im Bestreben, alles was immer er erfahren hatte, bekanntzugeben, eher zu viel als zu wenig gesagt, offenbar aber hätten die anderen hinter seinen Worten noch mehr vermutet, als tatsächlich dahinter steckte und so sei ihm schliesslich in der Öffentlichkeit ein viel größeres Wissen unterschoben worden, als er in Wirlichkeit besaß. Dass im Anschlusse an jene Sitzung Eduard Egli sich mit Bezug auf sein Vorbringen dahin äusserte, er, Büchel habe ein grosses Wort gesprochen, an das denke er noch einmal, was er gesagt habe, und daran, dass er erst heute Mitteilung mache, könne ihn nicht belasten. Bei der Sitzung selbst habe ihm niemand Vorhalte gemacht - damals hätte er die Sache ins richtige Licht bringen können. Er habe das Empfinden, dass seine Erzählung einen willkommenen Anlass bot, bei der Suche nach einem Sündenbock die Schuld möglichst auf ihn abzuwälzen. Es sei natürlich ein Leichtes gewesen, im Nachhinein, als die Vorgänge bei der Spar- und Leihkasse schon so ziemlich bekannt waren, ein Urteil dahin abzugeben, dass die eine oder andere Wahrnehmung in der Vergangenheit von Bedeutung gewesen wäre.

Für die Beurteilung der Frage, ob das Vorbringen Büchels am 6. Juni 1928 tatsächlich im Widerspruche mit seiner späteren Darstellung als Zeuge stand und ob und inwiefern darnach seine Glaubwürdigkeit erschüttert erscheine, muss vor allem auf folgende Umstände verwiesen werden:

Die Tatsache, dass das stenographische Protokoll nur "sinngemäss" aufgenommen wurde und dass nebensächliche Bemerkungen ausblieben, ist vom Zeugen Ferdinand Nigg in Übereinstimmung mit der Darstellung des Beschuldigten Peter Büchel bestätigt. Ebenso darf ohne Weiteres dem Beschuldigten dahin geglaubt werden, dass die Sitzungsteilnehmer damals sich begreiflicherweise mehr oder weniger in Aufregung befanden. Vergleicht man schliesslich den Wortlaut des Stenogrammes mit jenem in der Übertragung, so spricht gerade das Stenogramm in einzelnen Teilen für die Richtigkeit der Fassung, wie sie der Beschuldigte jetzt gibt. Es sei verwiesen auf die eigentümliche Wortfolge im Stenogramme "er habe schon vor mehr als einem halben oder dreiviertel Jahren aufmerksam gemacht worden und von Agenten, die Anfragen bekommen haben. Die Beifügung "und" ließe den Schluß zu, als sei im ersten Teile des Satzes von Büchel noch mehr gesagt worden, als der Schriftführer bei der vielleicht raschen Rede des Sprechenden auf das Papier gebracht hatte. Auch die Fassung "man habe den Namen Dr. Sprenger gemeint" deutet auf die Richtigkeit der Angabe Büchels, dass es richtig heissen sollte, er habe an Dr. Sprenger gedacht (gemeint), daß Dr. Sprenger in Frage komme. Was im Besonderen die Schlussbemerkung betrifft, dass an den Wechseln auch Dr. Sprenger genug zu tun hätte, so findet sich diese allerdings im Stenogramme unmittelbar im Anschlusse an die übrigen Ausführungen des Peter Büchel, ohne etwa durch einen Absatz von ihnen getrennt zu sein. Zeuge Ferdinand Nigg ist auch der Ansicht, dass er, wenn diese Bemerkung von einer anderen Seite gemacht worden wär, doch den Sprechenden vorne angeführt hätte, so wie er es im Zuge des ganzen Protokolles sonst auch gehalten hatte.

Es kommt weiters dazu, dass Büchel - wie sich aus Folgendem ergibt - im Laufe des Jahres 1927 nur von einem Gerücht über einen Wechsel gehört hatte und dass die Agenten, bei welchen Anfragen über die Sparkasse eingelaufen waren, nur David und Oswald Bühler sein können, welche aber dem Peter Büchel nichts über Wechsel mitgeteilt haben. Es steht schliesslich durch die Ergebnisse des Strafverfahrens gegen [Franz] Thöny und Genossen fest, dass bis 1. August 1927 nur wenig Wechsel und an Schweizer ausgegeben worden waren und zwar in der Höhe von 100'000 Fr. an Friedrich Zwicky und von 50'000 Fr. an die Rhätische Bank. Erst im August 1927 sind weitere Wechsel in der Höhe von 120'000 Fr. und 175'000 Reichsmark und im September 1927 in der Höhe von 372'000 Fr. ausgegeben worden. Die weiteren verbrecherischen Wechselbegebungen fanden erst vom Jänner 1928 an statt. Die Verantwortung Büchels daher durchaus glaubwürdig.

Abgesehen aber hievon wären die Äusserungen, welche Büchel bei der Sitzung vom 6. Juni 1928 gemacht haben soll, nicht massgebend. Ausschlaggebend allein ist, was Regierungsrat Büchel tatsächlich gewusst hat. In dieser Hinsicht ergeben sich auf Grund der gepflogenen Untersuchung insbesondere der Aussagen der Zeugen Karl Walser, Stefan Ritter und Friedrich Walser folgende Tatsachen:

Karl Walser hat aus einem Gespräch zwischen einem gewissen Franz Donat und Arthur Amann entnommen, dass ein Wechsel glaublich von 100'000 Fr. zu plazieren sei. Donat und Amann hatten rege Beziehungen zum Verwalter Thöny, ohne dass Karl Walser den Hintergrund derselben wusste. Aus dem erlauschten Gespräche gewann er deshalb den Eindruck, dass Donat und Amann für die Sparkasse Geld beschaffen und sich bei der Wechselplazierung betätigen sollten. (Nach den Angaben Thönys hatte ihm (Thöny) Amann mitgeteilt, es wäre ihm durch einen gewissen Simon in Zürich bekannt gegeben worden, dass ein Wechsel der Sparkasse zu plazieren sei. Thöny hatte Amann gegenüber die Existenz eines Wechsels in Abrede gestellt, obwohl damals (März 1927) Niko Beck ein Wechselakzept der Sparkasse in der Höhe von 50'000 Fr. in den Händen hatte.) Karl Walser teilte das von ihm aus dem Gespräch Donat-Amann Entnommene und seine Vermutung dem Friedrich Walser mit und dieser gab die Mitteilung vertraulich an Stefan Ritter und Peter Büchel weiter, und zwar zugleich mit der weiteren Vermutung, dass der Wechsel im Zusammenhange mit der Walserschen Rumänienangelegenheit stehe. Stefan Ritter und Peter Büchel wussten also nur, dass ein (oder mehrere) Wechsel in der Höhe von glaublich 100'000 Franken im Umlaufe sein sollen, von denen man vermute, dass dieselben im Zusammenhange mit der Liechtensteinischen Landesbank und der Walserschen Rumänienangelegenheit stünde. Stefan Ritter hat nach seiner eigenen Zeugenaussage und nach Aussage des Meinrad Ospelt das Gehörte Ende April 1927 bei einer Sitzung des Ausschusses des Sparkasseverwaltungsrates vorgebracht. Nach den Angaben von Dr. Beck soll Stefan Ritter nur davon gesprochen haben, dass nach einem Gerücht bei der Landesbank nicht alles in Ordnung sei und dass gerüchtweise verlaute, die Landesbank stehe in Beziehungen zur rumänischen Klassenlotterie. Auch Thöny behauptet, dass er von Dr. Beck nur wegen allfälliger Zusammenhänge der Landesbank mit der rumänischen Klassenlotterie zur Rede gestellt worden sei, nicht aber wegen Wechseln. Da Stefan Ritter seinen Gewährsmann (Fr. Walser hatte seinen Namen nicht genannt wissen wollen) nicht nannte und Thöny alles in Abrede stellte, erklärte Dr. Beck, es sei nur ein leeres Gerede und Stefan Ritter soll nicht Parteipolitik in die Landesbank hineintragen. Stefan Ritter informierte den Fr. Walser über den Vorgang im Verwaltungsratsausschusse und Peter Büchel erfuhr hiervon durch Friedrich Walser. F. Walser und Peter Büchel waren sich nun einig, dass bei dieser Sachlage mangels eines greifbaren Tatbestandes nichts anderes übrig bleibe, als zuzuwarten und ein offenes Auge zu haben.

Ein gewisser Argwohn war daher bei Büchel zurückgeblieben, aber dieser Argwohn war ohne tatsächlichen Hintergrund und ergab sich mehr infolge eines gewissen Misstrauens allgemeiner Natur aus der bestehenden Parteigegensätzlichkeit, wie die Entwicklung des Gerüchtes über den Umlauf des Wechsel bezeugt. Das Gerücht war im Verwaltungsrate der Sparkasse zur Sprache gekommen, wie F. Walser dem Büchel mitgeteilt hatte und dortselbst von Dr. Beck als leeres Gerede bezeichnet worden. Wäre irgend ein begründetes Bedenken vorgelegen, so wäre es zunächst Pflicht des Verwaltungsrates gewesen, die Berechtigung des Gerüchtes, auch wenn der Urheber desselben nicht genannt worden ist, zu untersuchen. Da aber der Verwaltungsrat selbst keinen Grund zu solchen Nachforschungen fand, obwohl der damalige Verwaltungspräsident zugleich der Präsident des Landtages war, so kann umso weniger dem Regierungsrat Büchel ein Verschulden zugemessen werden, wenn er nichts weiter vorgekehrt hat. Was Büchel wusste, waren nur Vermutungen, die ihm auch als solche von Friedrich Walser mitgeteilt worden waren, weshalb Friedrich Walser nicht gewünscht hatte, dass sein Name genannt werde. Auch Stefan Ritter sprach im Verwaltungsrat nur von einem Gerücht und der Präsident des Verwaltungsrates bezeichnete dasselbe als leeres Gerede. Büchel konnte daher die Sache als erledigt betrachten, zumal damals niemand an der Vertrauenswürdigkeit Thönys zweifelte. Auch ist schliesslich die Behauptung Büchels, er habe vermutet, dass Dr. Sprenger hinter dem Wechsel stehe und Sprenger als gewiegter und rechtschaffener Geschäftsmann bekannt sei, nicht von der Hand zu weisen. Nach Ansicht des Staatsgerichtshofes bestand deshalb für Büchel keine Pflicht, etwas vorzukehren, insbesondere nicht dem Regierungskollegium oder dem Landtage von dem Gerüchte Mitteilung zu machen.

b) Wenn Regierungsrat Büchel im Jahre 1927 von Agenten über Anfragen betreffend die Landesbank etwas gehört hatte, so konnte er von solchen Anfragen, wie die Untersuchung gegen Thöny und Genossen, das Verfahren über die Ministeranklage gegen Professor und Altregierungschef [Gustav] Schädler und die vorliegende Untersuchung ergaben, nur von David und Oswald Bühler erfahren haben. David Bühler hat schon im Strafverfahren gegen Thöny und Genossen angegeben, dass er im Sommer 1927, schätzungsweise Juni oder Juli, mehrere Anfragen über allfällige Zusammenhänge zwischen Walser, Klassenlotterie und Landesbank und über die Kreditwürdigkeit Walsers und der Landesbank bekommen und hievon Ende Juli 1927 im Café Real in Vaduz der Untersuchungskommission über die Klassenlotterie Mitteilung gemacht habe, ohne aber den Namen Walser zu nennen. David Bühler erinnert sich heute nicht mehr, ob er von diesen Anfragen auch dem Regierungsrat Büchel Mitteilung zukommen liess, doch geben die Möglichkeit einer solchen Mitteilung an Büchel sowohl David Bühler wie Oswald Bühler zu. Büchel hat als Zeuge im Strafverfahren gegen Thöny und Genossen angegeben, dass er im Verlaufe von Anfang 1927 vom Agenten Bühler aufmerksam gemacht worden sei, dass Anfragen über die Sparkasse eingehen, so Anfragen, ob die Landesbank und Anton Walser sowie die Landesbank und die Klassenlotterie identisch seien. Büchel behauptet nun, dass er mit der Wendung "im Verlaufe von Anfang 1927" das erste Halbjahr 1927 gemeint habe; von Wechseln oder Bankgarantien oder von einem bestimmten Betrage habe er nichts erfahren, sondern nur von Anfragen, ob Landesbank und Walser sowie Landesbank und Klassenlotterie identisch seien.

Nach den Angaben der Zeugen Ferdinand Risch, Alfons Kranz und Alois Frick hat David Bühler am 27. Juli 1927 im Café Real in Vaduz erzählt, dass Anfragen gekommen seien wegen der Landesbank, ob die Landesbank identisch sei mit der Klassenlotterie, ob eine der Klassenlotterie nahestehende Persönlichkeit für 100'000 Franken gut sei, ebenso ob der Landesbank ein Kredit von 100'000 Franken eingeräumt werden könne. Bühler nannte damals den Namen Walser nicht. Die Untersuchungskommission über die Klassenlotterie sah sich aber veranlasst, nachzuforschen, was für Geschäfte Walser und Bauer in Rumänien treiben und ob zwischen diesen Persönlichkeiten und der Landesbank oder der Landesbank und der rumänischen Klassenlotterie Zusammenhänge bestünden. Diese Nachforschungen verliefen aber ergebnislos.

Es zeigt sich daher, dass der Vorwurf, Büchel sei schon "anfangs 1927" vom Agenten Bühler in Mauren auf höchst verdächtige Anfragen über die Landesbank aufmerksam gemacht worden, unrichtig ist, vielmehr kann Büchel erst im Sommer 1927 höchstens das erfahren haben, was Bühler zusammenfassend am 27. Juli 1927 im Café Real erzählt hat, nur dass ihm auch der Name Walser genannt worden ist. Über die der Klassenlotterie nahestehende Persönlichkeit war man sich aber, wie die Nachforschungen der Untersuchungskommission über die Klassenlotterie beweisen, nicht im Unklaren.

Wenn Büchel bestreitet, dass er von Bühler über Anfragen hinsichtlich der Kreditfähigkeit der Landesbank Mitteilung erhalten habe, so ist dies nicht widerlegbar. Büchel hat von Anfragen erfahren, bevor David Bühler davon im Café Real Mitteilung gemacht hat und die Mitteilung Bühlers im Café Real kann möglicherweise auch weitergehende, seit der Verständigung Büchels eingetroffene Anfragen umfasst haben, wovon Büchel keine Kenntnis hatte.

Dass Wechsel über sehr grosse Beträge im Umlauf seien, die auch für einen Millionär zu viel wären, konnte Büchel von den Agenten Bühler nicht erfahren haben, weil diese selbst davon nichts gewusst haben. Für eine Annahme aber, dass Büchel von anderer Seite über höhere Wechselobligos erfahren haben kann, liegt nicht der geringste Anlass vor. Im Gegenteil steht, wie schon oben festgestellt wurde, durch die Untersuchung gegen Thöny und Genossen fest, dass bis 1. August 1927 nur Wechsel von zusammen 150'000 Franken an Schweizer gegeben wurden.

Das, was David Bühler im Café Real erzählte, hat aber auch der Regierungsrat A[lois] Frick gehört und der damalige Regierungschef Schädler muß davon durch Frick verständigt worden sein, weil Schädler dem Agenten David Bühler nachträglich wegen seines Vorbringens im Café Real Vorhalte machte. Es hatten daher von Anfragen, die an die Agenten Bühler gekommen waren, nicht nur Büchel, sondern auch die übrigen Regierungsmitglieder Kenntnis und wenn in den Anfragen etwas Verdächtiges gewesen wäre, wäre es zunächst Pflicht des Regierungschefs gewesen, die Sache im Regierungskollegium zur Sprache zu bringen. Allerdings muss darauf verwiesen werden, dass ein Regierungsmitglied, wenn es eine Gefahr für die Interessen des Landes oder der Bevölkerung zu erkennen glaubt, auch dann verpflichtet ist, auf eine Aussprache und Beschlussfassung im Regierungskollegium hinzuwirken, wenn die übrigen Mitglieder der Regierung die Angelegenheit aufgreifen, weil sie entweder die Gefahr nicht sehen oder nicht sehen wollen. Allein der Staatsgerichtshof ist der Ansicht, dass eine solche Pflicht im vorliegenden Falle für Regierungsrat Büchel nicht bestand. Büchel behauptet nämlich, er habe der Erzählung Bühlers keine Bedeutung beigemessen, weil er die Anfragen bezüglich der Landesbank als eine veraltete Sache angesehen und sich vorgestellt habe, sie stamme von der Klassenlotterie. Diese habe bekanntlich ihren Geldverkehr über die Sparkasse geleitet und Anton Walser habe dabei eine führende Rolle eingenommen. Als dann die Klassenlotterie zusammengebrochen und die Einsätze nicht zurückgezahlt worden seien, seien bei den verschiedenen Stellen dutzendweise Anfragen eingelaufen. Da die Anfragen sich auf Zusammenhänge zwischen Landesbank und Walser sowie Landesbank und Klassenlotterie bezogen hätten, sei es naheliegend gewesen, dass sich die Anfragen auf Zusammenhänge der Landesbank mit der Klassenlotterie und auf Betätigung des Anton Walser sich bezögen. Infolgedessen sei er zur Auffassung gekommen, dass die Mitteilung Bühlers nur die Klassenlotterie betreffe und habe durchaus kein Anlass zur Annahme bestanden, dass etwas Ungehöriges im Gange sei. Er sei auch nicht auf den Gedanken eines Zusammenhanges zwischen dem von Friedrich Walser mitgeteilten Gerücht und der Mitteilung Bühlers gekommen. Diese Verantwortung erscheint bei der ganzen Sachlage und bei dem Umstande, als Büchel von Anfragen über die Kreditfähigkeit der Landesbank nichts erfahren haben will, durchaus glaubwürdig.

c) Für die Beurteilung der Frage, ob in der Unterlassung von Mitteilungen über den auffälligen Verkehr des Niko Beck bei der Spar- und Leihkasse eine Pflichtwidrigkeit liegt, steht lediglich die eigene Aussage des Peter Büchel zur Verfügung, die er als Zeuge im Strafverfahren Thöny gemacht hatte. Aus freien Stücken hatte Peter Büchel damals auf die allgemeine Frage des Untersuchungsrichters, alles Wissenswerte über seine Beobachtungen betreffs der Landesbank bekanntzugeben, angeführt, es sei ihm in späterer Zeit (nämlich nachdem ihm bereits die Mitteilung von Seite des Friedrich Walser zugekommen war) auch in etwas aufgefallen, dass Niko Beck wiederholt beim Gang von und zur Landesbank gesehen wurde. Er habe von Niko Beck nicht die allerbeste Meinung gehabt und demzufolge seien ihm seine engen Beziehungen zur Landesbank etwas verdächtig vorgekommen. Er habe sich diesen Verkehr nicht gut erklären können.

Von diesen Wahrnehmungen hat Regierungsrat Peter Büchel damals dem Regierungskollegium keine Mitteilung gemacht, noch auch sonst sich erkundigt, welchen Hintergrund der Verkehr des Niko Beck mit der Landesbank eigentlich habe.

Der Beschuldigte Peter Büchel rechtfertigt sich damit, dass er zu jener Zeit niemals daran denken konnte, dass Niko Beck mit der Landesbank Wechselgeschäfte oder überhaupt unzulässige Geschäfte betreibe. Dies konnte er umso weniger annehmen, als Niko Beck offen bei der Kasse aus- und einging und seines Wissens auch gelegentlich beim Regierungschef Zutritt fand. Das Bedenken, das Büchel gegen Niko Beck hegte, ging nach anderer Richtung. Er habe nämlich angenommen, dass Niko den Kredit der Kasse in Anspruch nehmen möchte und habe befürchtet, dass ihm solches, obwohl er schon einen wirtschaftlichen Zusammenbruch erfahren hat, auch gelingen könnte, da er bei der Partei gut angeschrieben war.

Der Argwohn Büchels gegen Niko Beck stammt demnach einerseits aus seiner politischen Einstellung, andererseits aus seiner persönlichen Meinung über die Persönlichkeit des Niko Beck. Einen solchen Argwohn konnte Büchel mangels realer Unterlagen im Regierungskollegium oder Landtage nicht äussern, weil er sich bei den damaligen politischen Verhältnissen im Lande nur den Vorwurf einer der politischen Gegnerschaft entspringenden Animosität und Kreditschädigung zugezogen hätte, wie auch der Zeuge J. Ospelt bezeugt. Schliesslich konnte Büchel aus der geringen Vertrauenswürdigkeit des Niko Beck nicht auf eine verbrecherische Tätigkeit des Verwalters Thöny schließen.

Der Vorwurf, dass Regierungsrat Büchel seine Amtspflicht verletzt habe, weil er es unterlassen hat, seinen Argwohn gegen Niko Beck im Regierungskollegium oder im Landtage bekanntzugeben, ist daher nach Ansicht des Staatsgerichtshofes haltlos.

d) Aus solchen Gründen die rechtzeitige Neuwahl des Verwaltungsrates der Spar- und Leihkasse, dessen Amtsdauer im Mai 1927 abgelaufen war, nicht stattfand, erachet der Staatsgerichtshof in vorliegender Sache von keiner rechtlichen Bedeutung. Nach Art. 22 und 24 des Gesetzes betreffend die Spar- und Leihkasse für das Fürstentum Liechtenstein vom 12. Jänner 1923, L.G.Bl. Nr. 5, war der Verwaltungsrat vom Landtag zu wählen. Die Wahl des Verwaltungsrates der Spar- und Leihkasse gehörte daher zur Wirksamkeit des Landtages, weshalb auch die Bestimmungen des Artikels 57 der Verfassung zur Anwendung kommen, nach welchen die Mitglieder des Landtages einzig nach ihrem Eide und ihrer Überzeugung stimmen und für ihre Abstimmung niemals, für ihre in den Sitzungen des Landtages oder seiner Kommissionen gemachten Äußerungen aber nur dem Landtage verantwortlich sind. Selbst wenn daher Regierunsgrat Büchel die Neuwahlen des Verwaltungsrates in den Jahren 1927/28 verhindert oder erschwert oder verzögert hätte, so könnte er niemals wegen Verletzung der Amtspflichten eines Regierungsmitgliedes in Disziplinaruntersuchung gezogen werden, weil er nur als Landtagsmitglied an der Wahl des Verwaltungsrates teilzunehmen hatte. Als Landtagsmitglied hat er aber, da er einen gewissen Argwohn hatte, den er mangels greifbarer Unterlagen nicht äussern konnte, geradezu die Pflicht, zu sorgen, dass Männer seines Vertrauens in den Verwaltungsrat gewählt wurden.

C)

Zusammenfassend erklärt der Staatsgerichtshof, dass alle vor dem 7. Mai 1928 zurückliegenden etwaigen Fälle pflichtwidrigen Verhaltens des Regierungsrates Peter Büchel wegen Verjährung nicht mehr in Disziplinaruntersuchung gezogen werden könnten und dass aber nach den Ergebnissen der sachlichen und in jeder Richtung einwandfreien Untersuchung ein pflichtwidriges Verhalten des Regierungsmitgliedes Peter Büchel (Art. 1 des Gesetzes vom 7. Mai 1931, L.G.Bl. Nr. 6) nicht zu finden ist.

______________

[1] EStGH 1931, S. 45-56. Vgl. die öffentlichen Landtagssitzung vom 3. Februar 1932 (LI LA LTP 1932/038 (a)).
[2] Richtig: 1931.
[3] Bankverwalter Franz Thöny sowie die Kaufleute Anton Walser, Niko Beck und Rudolf Carbone hatten zwischen 1926 und 1928 Gelder der liechtensteinischen Sparkasse veruntreut. Im Strafprozes im November 1929 wurde Walser zu 4 Jahren, Thöny, Beck und Carbone zu je 3 Jahren Kerker verurteilt.