Schreiben der Regierung, gez. Josef Hoop, an Hermann Voigt, deutscher Generalkonsul in Zürich (Abschrift zuhanden des Sicherheitskorps) [1]
23.9.1942
Sehr geehrter Herr Generalkonsul!
Im Nachhang zu unserem Schreiben vom 13. August 1942 [2] beehren wir uns Ihnen mitzuteilen, dass wir vom Eidgenössischen Politischen Departement nunmehr folgende Mitteilung erhalten haben:
“Das Departement hat nunmehr die Ehre, der Fürstlichen Regierung bekanntzugeben, dass die schweizerischen Grenzwachorgane in Liechtenstein Weisung erhielten, entwichene französische Kriegsgefangene, die auf liechtensteinischem Gebiete aufgegriffen werden, auf die Tatsache des Betretens liechtensteinischen Hoheitsgebietes und auf die damit verbundenen Folgen aufmerksam zu machen. Kriegsgefangene, die sich nicht zur Umkehr entschliessen, werden von den Grenzwachorganen der liechtensteinischen Polizei dadurch zur Verfügung gehalten, dass diese die in Betracht kommenden liechtensteinischen Polizeiorgane zur sofortigen weiteren Veranlassung unverzüglich von der erfolgten Festnahme verständigen werden.”
Somit dürfte die Angelegenheit in einer befriedigenden Weise gelöst sein und in Zukunft sich reibungslos abwickeln. [3]
Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Generalkonsul, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.
Abschrift:
Dem Sicherheitskorps zur Kenntnisnahme und weiteren Veranlassung. Wenn französische Kriegsgefangene seitens der Schweizerischen Grenzwachorgane zugeführt werden, wären diese den deutschen Grenzorganen wieder zu übergeben. [4]
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[1] LI LA RF 206/142/023.
[2] LI LA RF 206/142/015a-b.
[3] Tatsächlich war die schweizerische Weisung den deutschen Behörden zu wenig deutlich: Es sei "bei dieser Regelung denkbar, dass ein flüchtiger französischer Kriegsgefangener sich von einer schweizerischen Grenzwache zur anderen begibt und sich von jeder auf die Tatsache des Betretens liechtensteinischen Gebietes und die damit verbundenen Folgen aufmerksam machen lässt, ohne jemals festgenommen und der liechtensteinischen Polizei 'zur weiteren Veranlassung' übergeben zu werden." Deutschland forderte daher eine ausdrückliche Verpflichtung zur Übergabe von Kriegsgefangenen durch die liechtensteinische Polizei an die deutschen Grenzbehörden, und zwar für Angehörige aller Nationalitäten (LI LA RF 206/142/025a-b).
[4] Entgegen dieser Weisung wurden drei französische Kriegsgefangene, die am 5.10.1942 in Liechtenstein aufgegriffen wurden, nicht den deutschen Behörden überstellt, sondern im Gefängnis von Vaduz festgehalten. Zwei der Gefangenen gelang am 10.1.1943 die Flucht in die Schweiz, der dritte, Elie Brisse, wurde seit dem 15.1.1943 für landwirtschaftliche Arbeiten eingesetzt (LI LA RF 206/142/032, 033).