Ein anonymer Schreiber bittet Regierungschef Josef Hoop um eine bessere Behandlung der deutschen Wehrdienstverweigerer


Anonymes Schreiben an Regierungschef Josef Hoop [1]

17.8.1944, o.O.

Sehr geehrter Herr Regierungschef!

Gestatten Sie mir, Herr Regierungschef, einige Zeilen an Sie zu richten. Es handelt sich um die Behandlung der "Refrakteure" in unserem Lande. Diese Männer haben den Mut aufgebracht & wahrscheinlich nicht ohne innere schwere Kämpfe, ausgenommen die Parteileute, einer schreienden Ungerechtigkeit die Stirne zu bieten & dem Gestellungsbefehl ihres Landes, einer organisierten Räuberbande, keine Folge zu leisten. Sie taten es mit Einsatz ihres Lebens & mussten teilweise gewärtig sein, ob sie ihren Henkern nicht doch noch ausgeliefert werden würden. Sie taten es nicht aus Feigheit, sondern weil ihnen ihr Gewissen dieses nicht zuliess.

Nun sollen diese Männer, es sind teilweise Familienväter, unter Polizeiaufsicht an den Pranger gestellt werden & unserem Lande "Frondienst leisten", ohne dass ihnen auch nur ihr Auskommen für sie & ihre Angehörigen zugesichert wurde. [2] Wie wir uns überzeugen konnten, mussten Einzelne von ihnen sogar ihre Arbeitsstätte verlassen & sind nun der Verdienstmöglichkeit durch die Behörde völlig beraubt worden. Würde diesen Männer nicht durch ihnen "Wohlgesinnte" zu Seite stehen, die Behörde liess sie ruhig verhungern.

Die Zeit läuft nun aber, der Krieg geht seinem Ende entgegen & alle Ungerechtigkeit, auch die der "Neutralen", ist gut notiert & wird seinen gerechten Lohn empfangen.

Ich weiss es, dass ihre Stellung in Ihrem Amte nicht leicht ist & dass Sie vielen in unserem Lande ein "Vater" geworden sind. Es würde mir daher sehr leid tun, wenn Sie für obige geschilderte Handlung zur Verantwortung gezogen würden. Da diese Männer unserem Lande keinen Schaden je zugefügt haben, bitte ich Sie, Herr Regierungschef, ganz herzlich, diese Männer wieder frei zu lassen & einen jeden da wieder arbeiten zu lassen, wo es ihm beliebt & wo er Arbeit bekommt.

Mit vorzüglicher Hochachtung

von einem sehr um Sie & für unser Land

Besorgten

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[1] LI LA RF 219/287 (c). Das Schreiben wurde von Hoop am 25.9.1944 ad acta gelegt.
[2] Die deutschen Wehrdienstverweigerer mussten ab 14.8.1944 jeweils am Nachmittag unter der Aufsicht eines Hilfspolizisten an einer Kartoffelkäfersuchaktion teilnehmen (LI LA RF 219/287 (b), Franz Hilbe an die Regierung, 16.8.1944; LI LA V 005/1944/1329).