Nicht gezeichneter Amtsvermerk, vermutlich von Regierungschef Josef Hoop [1]
20.2.1935
Amtsvermerk über die Besprechungen in Bern am 18. und 19. Feber 1938
I. Neutralität Liechtensteins
Bei früheren Besprechungen wurde erwogen, Liechtenstein in die schweizerische Neutralität einzubeziehen. Das hätte zur Folge gehabt, dass im Falle eines Krieges die liechtensteinisch-österreichische Grenze besetzt und damit geschützt würde. Es wurde damals vereinbart, dass Liechtenstein sich entschliessen sollte, entweder den Einbezug Liechtensteins in die schweizerische Neutralität beim Völkerbund nachzusuchen, worauf wahrscheinlich unserem Wunsche Rechnung getragen worden wäre. Inzwischen ist diese Frage anlässlich der Behandlung der Römer Protokolle [2] in der Schweiz gründlich geprüft worden und die Schweiz hält es für zweckmässiger, einstweilen in dieser Frage nichts zu unternehmen, bezw. vertritt die Auffassung dem gemäss vorerwähnten Absatz allenfalls gestellten Gesuche nicht entsprechen zu sollen. Es würde möglicherweise doch international unliebsam ausgelegt werden, während in einem Ernstfalle d.h. bei kriegerischen Verwicklungen die Sache sich wohl von selber in einem für die Schweiz und Liechtenstein günstigen Sinn lösen würde.
Einstweilen sollen aber auch in Liechtenstein die Grundbedingungen geschaffen werden, die den Schutz des heimischen Bodens zur Voraussetzung haben. Hiezu gehört vor allem die Anwendung der Feldtelegraphenordnung in Liechtensten für den Mobilisations- bzw. Kriegsfall:
1. Abschaltung des Telephonverkehrs an der liechtensteinisch-österreichischen wie an der schweizerisch-österreichischen Grenze,
2. Tag- und Nachtdienst auf den Telephonämtern,
3. Zensur der Telegramme mit Ausnahme jener der Regierung,
4. Einführung der Militärtelegramme für die Regierung im Verkehr mit den Zentralbehörden in Bern,
5. Weiterausbau des Telephonnetzes zu allenfalls zu vermehrenden Grenzwachtposten.
Die Kosten des Tag- und Nachtdienstes sowie des allenfalls noch weiter auszubauenden Telephonnetzes sollen zu Lasten der Eidg. Militärverwaltung gehen, wenn die Initiative zu diesen Einrichtungen von ihr ausgeht, wenn jedoch damit ein besonderer Wunsch Liechtensteins erfüllt wird, zu Lasten Liechtensteins.
Da die Felddiensttelegraphenordnung schon an und für sich aufgrund der mit dem Zollvertrag übernommenen Gesetzgebung in Liechtenstein anwendbar ist, soll deren Inkraftsetzung mit Rücksicht auf die wünschenswerte vertrauliche Behandlung im einfachen Notenwechsel erfolgen.
II. Fremdenpolizei
Es besteht Klarheit, dass aus der Schweiz ausgewiesene oder Einreisesperre habende Ausländer sich in Liechtenstein nicht niederlassen dürfen bezw. es gilt ein Ausweisungsbeschluss oder die Verhängung der Einreisesperre in der Schweiz auch für Liechtenstein und umgekehrt, ähnliche Massnahmen, die in Liechtenstein getroffen werden, auch für den Kt. St. Gallen. Indessen kommt es oft vor, dass Leute, über die die Schweiz Einreisesperre verhängt, gleich nach Liechtenstein kommen im guten Glauben, es sei dies statthaft. Sie machen vielleicht Aufwendungen für ihre Niederlassung, für die Eröffnung eines Geschäftes, Übersiedlungen etz. etz. und über kurz oder lang stellt sich heraus, dass die Person auch Liechtenstein verlassen muss. Die Durchführung dieser Massnahme stellt oft eine Härte dar und der Betroffene kann sich darauf berufen, dass er im guten Glauben gehandelt habe. Es sollte deshalb inskünftig bei Ausweisungsbefehlen bezw. Verhängung von Einreisesperren der Passus angefügt werden: Gemäss dem fremdenpolizeilichen Abkommen vom ... gilt diese Verfügung auch für das Fürstentum Liechtenstein bezw. für den Kt. St. Gallen.
III. Geheime Sender in Liechtenstein
Der besonderen Lage Liechtensteins entsprechend bestünde Verdacht, dass in Liechtenstein sich geheime Sender befinden. Da deren Feststellen ausserordentlich schwer ist, sollten unsere Polizeiorgane über das Verbot der Haltung von Schwarzsendern genau wachen.
Desgleichen über die Haltung von Brieftauben, die allenfalls für militärische Zwecke in Liechtenstein gehalten werden könnten.
IV. Bausparkassenwesen
Mit dem Inkrafttreten der schweizerischen Verordnung über die Kreditkassen mit Wartefrist ist
1.) die in Schaan niedergelassene Bernina zur Untätigkeit verurteilt und
2.) die liechtensteinischen Interessenten haben keine Möglichkeit mehr, mit schweizerischen Bausparkassen und ähnlichen Kreditorganisationen Verträge abzuschliessen.
Angesichts der Tatsache, dass das ganze Bausparkassenwesen mit der gesetzlichen Regelung der Schweiz auf eine gesunde Basis gestellt ist, dass sich ferner diese Kassen einer steigenden Beliebtheit erfreuen, dürfte es zweckmässig sein, Liechtenstein in den Geltungsbereich der schweizerischen Verordnung einzubeziehen, damit auch in dieser Materie völlige Gleichstellung mit einem Schweizer Kanton besteht.
Der Vertreter des Eidg. Justizdepartementes befürchtet, dass die Anwendung dieser Verordnung in zu viele Rechtsgebiete einschneide, die in Liechtenstein noch nicht der Schweiz angepasst sind, so verschiedene Bestimmungen des Zivilrechtes, die Anwendung der Eidg. Betreibungs- und Konkursordnung im Falle von Liquidation solcher Kassen. Der Chef des Aufsichtsamtes für das Bausparkassenwesen vertrat andererseits die Auffassung, dass es vom Standpunkte der Kontrolle zweckmässiger sei, Liechtenstein als Inland zu behandeln. Es sollte demnach noch die Frage geprüft werden, ob die Anwendung der Eidg. Betreibungs- und Konkurs-[Ordnung] oder einzelner Bestimmungen des Zivilrechtes bei der Durchführung der erwähnten Verordnung möglich ist und nachher die Fühlungnahme mit Bern in dieser Frage wieder aufgenommen werden.