Regierungssekretär Josef Ospelt informiert Hermann von Hampe, Leiter der Hofkanzlei, über den Tod und die Beisetzung von Landesverweser Karl von In der Maur


Maschinenschriftliches Schreiben von Regierungssekretär Josef Ospelt, gez. ders., an Hermann von Hampe, Vorstand der Hofkanzlei in Wien [1]

16.12.1913

Euer Hochwohlgeboren, hochgeehrter Herr Hofrat!

Mit Bezug auf das telephonische Gespräch, das Euer Hochwohlgeboren heute Vormittag mit mir zu führen die Güte hatten, beehre ich mich, im Anschlusse eine Abschrift des nach dem Tode des Herrn fstl. Kabinettsrates [Karl] v. In der Maur in dessen Zimmer vorgefundenen Berichtsentwurfes über seine Krankheit [2] und einen Bericht des Herrn fstl. Landesphysikus Dr. [Felix] Batliner in Vaduz über die Krankheit und den Tod des Herrn Kabinettsrates [3] ergebenst zu unterbreiten und hiebei Folgendes mitzuteilen:

Am 4. d.M. hatte zu Beginn der Landtagssitzung der Abgeordnete [Friedrich] Walser aus Schaan wegen der vom Landtage gewünschten Errichtung eines Elektrizitätswerkes in Triesen unter Ausnützung des Lawenawassers gegen den Regierungskommissär Herrn Kabinettsrat v. In der Maur eine masslose und ungerechte Rede gehalten, deren Schlussantrag, Verweigerung des Budgets für den Fall, als die Regierung [die] Angelegenheit des genannten Werkes nicht rasch fördere, allerdings von dem Landtagspräsidenten Dr. [Albert] Schädler dann bedeutend gemildert wurde, indem der Präsident den Antrag Walsers so zu wenden verstand, dass nur die Abstimmung über das Budget verschoben werden solle. Herr Kabinettsrat hatte dem Abgeordneten Walser entgegnet, dass seine Angriffe masslos und ungerecht seien und hat dem Landtag an Hand der Akten mitgeteilt, dass die Regierung in der gegenständlichen Angelegenheit ihre Pflicht getan habe. [4] Im weiteren Verlauf der Sitzung habe Herr Kabinettsrat, wie er mir nachher sagte, ganz ruhig gesprochen und besonders auch über die Kurort- bezw. Spielbankfrage Aufschluss gegeben. So gegen 12 Uhr sind dann Übelkeit und Krämpfe aufgetreten. Wenn nun auch zwischen der hier allgemein missfällig aufgenommenen Rede Walsers und dem Ausbruch der Krankheit beiläufig 2 Stunden verflossen waren, so glaube ich doch, dass die Rede Walsers und die durch sie hervorgerufene Erregung zum Ausbruch der Krankheit wenigstens beigetragen hat!

Ich habe dann den Herrn Kabinettsrat in seinem Krankenzimmer bis einschliesslich 10. d.M. an den meisten Tagen zweimal, an zwei oder drei Tagen einmal besucht. Hiebei hatte ich den Eindruck, dass der geschilderte Vorgang im Landtag auf sein Gemüt nachwirke. Im Übrigen führte Herr Kabinettsrat bei diesen Besuchen meistens längere oder kürzere Gespräche, erkundigte sich nach den Geschäften, liess sich mehrfach Akten vorlegen, beauftragte mich, ihn bei zwei Sitzungen der Finanzkommission des Landtages zu vertreten; kurz er machte nicht den Eindruck eines gefährlich Kranken. Am 8. d.M. äusserte er die Absicht, mir einen Bericht an Seine Durchlaucht [Johann II.] über seine Erkrankung zu diktieren und ersuchte mich, zu diesem Zwecke am anderen Tage zu ihm zu kommen. Am 9. d.M., als ich in das Krankenzimmer kam, führte Herr Kabinettsrat ein recht angeregtes längeres Gespräch mit mir und sagte, dass er den Bericht an Seine Durchlaucht am anderen Tage diktieren werde. Am gleichen Tage besuchte ich Herrn Kabinettsrat Abends wieder, fand ihn aber etwas weniger gut, als vormittags. An diesem Abende traten dann auch später die Krämpfe sehr stark auf und als ich ihn anderntags wieder besuchte, schilderte er das Durchgemachte vom Vorabend als schrecklich; trotzdem schien er wieder verhältnismässig gut sich zu befinden. An diesem Tage, den 10. d.M. erfuhr ich nun gelegentlich einer Finanzkommissionssitzung von Sanitätsrat Dr. Schädler, dass die Krampfanfälle vom Vorabend sehr bedenklich gewesen seien, von Lebensgefahr infolge des allgemeinen Zustandes sprach Dr. Schädler jedoch nichts. Ich wurde durch die Andeutungen Dr. Schädlers sehr beunruhigt und ersuchte den die eigentliche Behandlung führenden Dr. Batliner um Auskunft, wie ich dies schon vorher getan hatte. Da mir Dr. Batliner am Morgen des 11. d.M. früh erklärte, dass Dr. [Paul] Beck aus Wallenstadt herangezogen werden solle, glaubte ich mit einem Berichte an die hochlöbliche Hofkanzlei zuwarten zu sollen, bis die Diagnose Becks bekannt sei. Diese erfuhr ich am 11. d.M. nachmittags 2 Uhr und bald hiernach sandte ich das Telegramm über die Erkrankung an die hochlöbliche Hofkanzlei. [5] Abends ½ 6 Uhr trat dann der Tod, ohne dass ich meinen hochverehrten Chef an diesem Tage noch lebend gesehen hatte, da Besuche tunlichst eingeschränkt wurden. Noch etwa eine Stunde vor Eintritt des Todes habe Herr Kabinettsrat zu Kanonikus [Johann Baptist] Büchel die Ansicht geäussert, dass er in etwa 3 Wochen wieder besser sein werde.

Von dem Ableben des Herrn Kabinettsrates habe ich ausser der hochlöblichen Hofkanzlei Seine Durchlaucht den Prinzen Franz sen. [von Liechtenstein] und Seine Durchlaucht den Prinzen Eduard [von Liechtenstein] und mehrere andere hochstehende Herren, die mit dem Verblichenen in engeren Beziehungen gestanden waren, telegraphisch verständigt.

Sodann habe ich amtliche Parte [6] anfertigen lassen, konnte aber mit der Versendung dieser erst beginnen, nachdem der Herr Leutnant [Gilbert] v. In der Maur aus Marburg hier eingetroffen war und wegen Überführung und Bestattung des Leichnams Verfügungen getroffen hatte. [7]

Die Teilnahme anlässlich des Hinscheidens des Herrn Regierungschefs ist hier sehr gross und auch von auswärts sind viele telegraphische und schriftliche Beileidsbezeugungen bei der fstl. Regierung eingetroffen. [8] Ich hebe nur besonders jene vom Grafen [Max von] Hardegg, vom Statthalter Grafen [Friedrich von] Toggenburg und vom Oberlandesgerichtspräsidenten Baron [Friedrich von] Call hervor. Der Bischof von Chur [Georg Schmid von Grüneck] hat ein Kondolenzschreiben geschickt und um Vermittlung des Ausdruckes seiner Teilnahme an Seine Durchlaucht ersucht; einen bezüglichen Bericht erlaube ich mir angeschlossen zur gefälligen Weiterleitung ergebenst zu übermitteln. [9]

Prächtige und sehr zahlreiche Kranzspenden und eine ganz ungewöhnliche Beteiligung am Leichenbegängnis bezeugten die allgemeine Liebe und Hochachtung, welche dem teuren Verblichenen entgegen gebracht wurde.

Bei der Leichenüberführung am Sonntag waren ausser den Angehörigen die fstl. Beamtenschaft, die Landtagsabgeordneten, viele Geistliche, die Lehrerschaft, die Gemeindevertretungen, mehrere Vereine und eine grosse Menge von Bewohnern des Landes und der Umgegend beteiligt. Das Kreisgericht in Feldkirch, die Bezirkshauptmannschaft, das Bezirksgericht und die Finanzbezirksdirektion in Feldkirch waren durch ihre Vorstände [10] vertreten.

Über die Feier in Innsbruck, von welcher wohl die Herren Sektionsräte [Zdenko] Hussa und [Heinrich] Pawelka mündlich berichtet haben werden, möchte ich nur anführen, dass an derselben ausser den Angehörigen des Verblichenen aus Liechtenstein eine Abordnung des Landtages und der Geistlichkeit, mehr als die Hälfte der Staatsbeamten, Vertretungen der Lehrer und der Gemeindevorstehungen u.s.f., aus Innsbruck der Statthalter, der Oberlandesgerichtspräsident, der Vorstand der Postdirektion [Emil von Klebelsberg], jener der Staatsbahndirektion, Hofrat [Franz] v. Wieser und eine ganze Reihe anderer Herren teilnahmen.

Am nächsten Donnerstag findet hier die erste Bestattnis in der Pfarrkirche statt, zu welcher ich amtliche Einladungen ausgegeben habe. [11]

Durch den Heimgang des Herrn Kabinettsrates v. In der Maur ist wohl kaum jemand stärker betroffen worden, als ich, der ich ihn in meiner 16jährigen Dienstzeit und besonders in meiner dreijährigen Verwendung auf meinen Posten als Regierungssekretär als edlen und gerechten Vorgesetzten hochschätzen und wie einen Vater verehren lernte, von dem ich aber auch manchen Beweis seines besonderen Wohlwollens empfangen habe. Möge ihm für all das Gute und Edle, was er meinem kleinen Vaterlande und was er mir und so vielen Anderen erwiesen hat, im besseren Jenseits reiche Vergeltung zu teil werden.

Gestatten Herr Hofrat, dass ich noch einige amtliche Angelegenheiten kurz berühre.

Der Herr Kabinettsrat hatte, nachdem die neue Strafprozessordnung vom Landtage angenommen und die Reinschrift verfasst worden war, [12] mit der Ausarbeitung eines Berichtes an Seine Durchlaucht begonnen, konnte diesen jedoch nicht mehr fertig stellen. 7 Seiten dieses Konzeptes habe ich auf seinem Schreibtische gefunden. [13] Nach Rücksprache mit Herrn Landrichter Dr. [Franz Josef] Erne möchte ich mir die Anfrage erlauben, ob ich dieses Gesetz nebst einer Abschrift des erwähnten angefangenen Berichtes und einem entsprechenden Begleitbericht zur Vorlage bringen soll.

Das Finanzgesetz wird voraussichtlich am 18. d.M. vom Landtage angenommen werden [14] und sollte, da es mit 1. Jänner 1914 in Kraft treten soll, tunlichst bald der Höchsten Sanktion zugeführt werden, weshalb ich mir, wenn Euer Hochwohlgeboren nichts anderes verfügen, erlauben werde, das Finanzgesetz baldigst mit der Bitte um die Höchste Sanktion in Vorlage zu bringen.

Da ich durch [den] Tod meines hochverehrten Herrn Chefs ganz erschüttert und durch die mit diesem Todesfalle in Verbindung stehenden Angelegenheiten sowie durch viele Amtsgeschäfte ganz ungewöhnlich in Anspruch genommen bin, bitte ich, mich nachsichtig beurteilen zu wollen.

Genehmigen Herr Hofrat die Versicherung meiner ganz besonderen Hochachtung, womit ich mir erlaube zu zeichnen

Ew. Hochwgb.

ganz ergebenst

______________

[1] LI LA SF 01/1913/077. Der Adressat des Schreibens geht aus dem Antwortschreiben hervor (LI LA SF 01/1913/080, Hampe an Ospelt, 18.12.1913).
[2] LI LA SF 01/1913/077, In der Maur an Johann II., 10.12.1913.
[3] LI LA SF 01/1913/077, Krankheits-Bericht von Felix Batliner, 16.12.1913.
[4] LI LA LTA 1913/S04/2, Landtagsprotokoll vom 4.12.1913.
[5] LI LA SF 01/1913/074, Telegramm Ospelt an Hofkanzlei, 11.12.1913.
[6] LI LA SF 01/1913/ad 75.
[7] In der Maur hatte in seinem Testament den Wunsch geäussert, in der Familiengruft der von Martini in Innsbruck beigesetzt zu werden (LI LA SF 01/1913/ad 81, Wilhelm Tschögl an Ospelt, 12.12.1913).
[8] Vgl. LI LA SF 01/1913/081.
[9] LI LA SF 01/1913/076, Bischof Georg Schmid von Grüneck an Regierung, 13.12.1913; Bericht Ospelt an Johann II., 16.12.1913.
[10] Wohl Alois Juffmann, Rudolf von Ferrari, Olivier Ender und Andreas Federa.
[11] LI LA SF 01/1913/077a.
[12] LI LA LTA 1913/S04/2, Landtagsprotokoll vom 8.11.1913; Gesetz vom 31.12.1913 betreffend die Einführung einer Strafprozessordnung, LGBl. 1914 Nr. 3.
[13] LI LA RE 1913/3695 ad 40, Bericht an Johann II., o.D.
[14] LI LA LTA 1913/S04/2, Landtagsprotokoll vom 18.12.1913; Finanzgesetz vom 31.12.1913 für das Jahr 1914, LGBl. 1914 Nr. 1.