Prinz Alois, Regierungschef Josef Ospelt, Josef Peer und Kabinettsdirektor Josef Martin schlagen Fürst Johann II. vor, die Forderungen des Churer Bischofs Georg Schmid von Grüneck zur Verfassungsrevision abzulehnen


Maschinenschriftlicher Auszug aus einem Promemoria, erstellt zuhanden von Prinz Franz [1]

o.D. (zu 4.7.1921)

Promemoria-Auszug

für Seine Durchlaucht den Herrn Prinzen Franz sen.

Gelegentlich der Anwesenheit des derzeitigen Regierungschefs fürstl. Rat [Josef] Ospelt und des Hofrates Dr. [Josef] Peer in Wien hat am 4. Juli 1921 im Palais eine Besprechung unter dem Vorsitze Seiner Durchlaucht des Herrn Prinzen Alois stattgefunden, an der ausser den beiden Obgenannten auch der Kabinettsdirektor Seiner Durchlaucht [Johann II.], Jos. [Josef] Martin, teilnahm. Hiebei wurden unter Vorbehalt der Zustimmung Seiner Durchlaucht des regierenden Herrn

B. die Stellungnahme zu den vom Herrn Bischof von Chur [Georg Schmid von Grüneck] geäusserten Wünschen, betreffend einiger Bestimmungen der Verfassungsreform besprochen. [2]

Es wurde beschlossen, Seiner Durchlaucht dem regierenden Herrn folgende Vorschläge zu unterbreiten:

Ad B.: Mit Rücksicht darauf, dass Seine Durchlaucht der regierende Herr seinerzeit dem vom Hofrate Dr. Peer ausgearbeiteten Verfassungsentwurfe die Vorsanktion zu erteilen geruhte [3] und auf das Stadium, in dem sich derzeit die parlamentarische Behandlung des Reformwerkes befindet, dürfte ein Eingehen Seiner Durchlaucht des regierenden Herrn auf die vom Herrn Bischofe geäusserten Wünsche nicht wohl tunlich sein; es wäre vielleicht zweckmässig, dem Herrn Bischof nahezulegen, er möge, falls er Wert auf die Berücksichtigung seiner Wünsche legt, sich mit dem Regierungschef in Vaduz ins Einvernehmen setzen, der dann Fühlung mit der vom Landtage bestellten Verfassungskommission nehmen und Seiner Durchlaucht dem regierenden Herrn Bericht und Anträge unterbereiten wird.

B. Für den Besuch in Chur. [4]

Die Eröffnungen, die dem Herrn Bischof zu machen wären, ergeben sich von selbst aus dem oben ad B Gesagten.

Ein Besuch Seiner Durchlaucht des Prinzen Franz sen. in Vaduz würde gewiss im Lande allenthalben freudig begrüsst werden.

Falls Seine Durchlaucht dem Lande die Ehre eines solchen Besuches erweisen wollten, würde der Regierungschef fürstl. Rat Ospelt sich erlauben, dann ein dem zeitlichen und örtlichen Rahmen des hohen Besuches angepasstes Programm Seiner Durchlaucht selbst zu unterbreiten.

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[1] LI LA SF 01/1921/ad 115. Ebd. ein weiteres Exemplar. Das vollständige Promemoria unter LI PA Paul und Judith Kaiser-Eigenmann, Nachlass Josef Ospelt.
[2] Zu den Forderungen des Bischofs vgl. LI LA V 002/0461, Notiz von Kabinettsdirektor Josef Martin über die Besprechung vom 13.5.1921 mit Bischof Georg Schmid von Grüneck, 21.5.1921.
[3] LI LA RE 1921/0963, Regierungsvorlage von Josef Peer, 12.1.1921.
[4] Prinz Franz traf sich, begleitet von Regierungschef Josef Ospelt und Landesvikar Johann Baptist Büchel, am 1.8.1921 in Chur mit Bischof Schmid von Grüneck. Zu dieser Besprechung vgl. LI LA SF 01/1921/125, Prinz Franz an Kabinettskanzlei, 2.8.1921.