Die Mariahilf-Kapelle in Mäls wird nach einer Renovation feierlich wiedereröffnet


Artikel im "Liechtensteiner Vaterland", nicht gez. [1]

18.7.1945

Die Wieder-Eröffnung der Maria-Hilf-Kapelle in Mäls

Ein prachtvoller Sommertag ist angebrochen, am Morgen orgelt noch der Föhn durch die Gemeinde und schon fürchten manche, dass er [die] nachmittägige Feier im Mariahilf stören werde. Aber gegen Mittag legte sich der ungebetene Gast. Die Sonne schickt aber die sengenden Strahlen hernieder und eine sommerliche Hitze liess den Schweiss in wirklichen kleinen Bächlein hervorperlen. Balzers konnte sich keinen schöneren Sommertag für sein Freudenfest, die Wiedereröffnung der Mariahilf-Kapelle, des ältesten Wallfahrtsortes des Landes, wünschen. Nachmittags halb 2 Uhr bewegte sich die Festgemeinde unter Glockengeläute und den Märschen der Harmoniemusik von der Pfarrkirche nach Mariahilf in Bewegung. Wohl die ganze Gemeinde nahm an der Feier herzlichen Anteil. Von auswärts waren zahlreiche Besucher gekommen, um der schönen Feier beizuwohnen. Die ganze Wegstrecke von der Pfarrkirche bis zum Mariahilf-Kirchlein war reich beflaggt. Die Mariahilf-Strasse glich einer wahren via triumphalis. Auf dem Platze bei Mariahilf hatte sich eine gewaltige Festgemeinde versammelt. Ihre besondere Auszeichnung erhielt das Festchen durch die Teilnahme des Durchlauchtigsten Fürstenpaares [Fürst Franz Josef II. und Fürstin Gina], dessen Ankunft mit stürmischen Hochrufen begrüsst wurde. Auf der an der Nordseite erstellten Tribüne nahmen neben dem Fürstenpaare Platz: Hochwürden Herr Kanonikus Dr. G. [Johann Georg] Marxer, die hochwürdige Geistlichkeit von den beiden Instituten von Gutenberg [2], der Festprediger Hochw. Herr Prof. Dr. Pater Becker, Hochw. Herr Pfarrer [Engelbert] Bucher aus Triesenberg, der Festredner, Herr Regierungssekretär [Ferdinand] Nigg, gleichzeitig als Vertreter der fürstlichen Regierung, die früheren und jetzige Gemeindevertretung von Balzers, die bauführenden Architekten usw. Von dieser Tribüne aus genossen die Ehrengäste ein grossartiges landschaftliches Panorama, der Blick schweifte von der Alpspitze bis zum Falknis und in die st. gallischen Berge.

Den musikalischen Teil der Feier meisterten die Balzner Vereine mit gewohnter Bravour. Die Harmoniemusik unter der Direktion des Herrn Adolf Büchel, der Männergesangverein unter Herrn Severin Brender, der Kirchenchor unter dem Stabe des Herrn Lehrers Alfons Marxer, ein allerliebster Kinderchor unter der gleichen Stabführung wetteiferten in der Verschönerung des Festes.

In der Begrüssungsansprache konnte Hochw. Herr Pfarrer [Leonhard] Hollweck mit besonderer Freude die Teilnahme des Durchlauchtigsten Fürstenpaares feststellen, dann begrüsste er die hochw. Geistlichkeit, insbesondere den Festprediger, H.H. Prof. Dr. P. Becker aus Weesen, Herrn Regierungssekretär Nigg als Festredner und zugleich Vertreter der Regierung, die Gemeindebehörden, die Gemeindeglieder und die zahlreichen Pilger von auswärts. H.H. Pfarrer Hollweck sprach von der geschichtlichen und baulichen Entwicklung des Wallfahrtskirchleins, von der neuesten Renovation und vom endlich gelungenen Werk. Er dankte dem Gemeinderat für die tatkräftige Hilfe, seinen Pfarrkindern für die offene Hand, mit der sie willig und von Herzen ihr Scherflein zur Renovation beisteuerten, der Regierung und dem Landtage für die Subvention von 5000 Fr. In bewegten Worten gedachte der Redner seines verstorbenen Freundes, Hochw. Herr Kanonikus Dr. Basil [Basilius] Vogt, Bürger aus Balzers, aus dessen Vermächtnis 1/3 der Restaurationskosten beglichen werden konnte. Warme Worte fand H.H. Pfarrer für die bauführenden Architekten, für die Handwerker und flocht ein, dass in der Festschrift bedauerlicherweise die Zimmerleute vergessen wurden. Aber gerade sie verdienen ob der schweren und ausgezeichneten Arbeit besonderes Lob und besonderen Dank.

Die Begrüssungsansprache endete mit einem Dank an alle Erschienenen, mit einem Dank an die Gnadenmutter von Mariahilf und mit einer Fürbitte für weitere Hilfe.

Hochw. Herr Dr. P. Becker, seit seinen Kanzelvorträgen bei der letzten Mission in Balzers ein geschätzter Kanzelredner, sprach ein ausgezeichnetes Kanzelwort über den Gnadenort Mariahilf, über den Segen, den dieses Wallfahrtskirchlein seit Jahrhunderten ins Land und über dessen Grenzen hinausströmt, und über die Hilfe, die unzähligen Bedrängten an diesem Orte zuteil wurde. Er ermunterte die Gläubigen, auch in Zukunft ihre Anliegen vor dem Gnadenbilde Mariahilf niederzulegen.

Anschliessend an die herrliche Predigt erfolgte dann unter Glockengeläute der Einzug der Hochw. Geistlichkeit und der Fürstenpaares in die neu renovierte Wallfahrtskirche, deren Altäre mit prachtvollen Blumen reich geschmückt waren. Nachdem die Muttergotteslitanei gebetet war, wurde ein Te Deum angestimmt und von der ganzen Festgemeinde mitgesungen.

Nach Beendigung der kurzen kirchlichen Feier hielt dann Herr Regierungssekretär Ferdinand Nigg, ein Bürger unserer Gemeinde, die Festrede.

Wir drucken diese Rede im Folgenden ab.

Durchlauchtigstes Fürstenpaar!

Hochwürdige Geistlichkeit!

Liebe Gemeindebehörden und liebe Mitbürger von Balzers!

Verehrte Festgäste aus der Nachbarschaft!

Ein witziger Zeitungsschreiber hat festgestellt, dass es wahrscheinlich das erste Mal sei, dass ich in dieser Form, d.h. als Festredner, in meiner Heimatgemeinde auftrete. Er hat recht, aber ich muss mich damit entschuldigen, dass ich der Einladung des Hochwürdigen Herrn Pfarrers Hollweck nicht zu widerstehen getraute. Und dann ist es mein tiefes Gemeinschaftsgefühl, das mich immer an meine Heimatgemeinde kettet und die Liebe und Verehrung, die ich für das Volk von Balzers und Mäls immer hege. Ich habe gefunden, dass es unrecht wäre, wenn ich am heutigen Ehrentage der Gemeinde Balzers, an der Wiedereröffnung der ältesten Wallfahrtsstätte unseres Landes, nicht auch mit mitmachen würde.

Dies vorausgeschickt, heisse ich alle Festgäste herzlich willkommen, ich freue mich, so viele Freunde und Verehrer der Mutter Gottes nicht nur aus Balzers und Mäls, sondern auch aus anderen Gemeinden des Landes und der Schweizerischen Nachbarschaft begrüssen zu können und ihnen zu danken, dass sie so zahlreich erschienen sind.

Mein Gruss gilt besonders dem Durchlauchtigsten Fürstenpaare. Die Gemeinde Balzers weiss die hohe Auszeichnung zu schätzen, dass unser Fürstenpaar der heutigen Feier beiwohnt. Namens der Gemeinde danke ich dem Durchlauchtigsten Fürstenpaare für diese hohe Auszeichnung und versichere dem Fürstenpaar, dass die Gemeinde Balzers dafür mit womöglich noch grösserer Anhänglichkeit an das Fürstenhaus danken wird. Dann gilt mein besonderer Gruss den weltlichen und geistlichen Behörden von Balzers, dem Hochwürdigen Herrn Festprediger, den übrigen geistlichen Herren aus der Nachbarschaft.

Ich bringe Ihnen auch als Vertreter der höchsten Landesbehörde den Gruss der fürstlichen Regierung.

Wir stehen an historischer Stätte. In den umliegenden Augefilden hat im Jahre 1289 [3] zwischen Bischof Friedrich [von Montfort] von Chur und dem Grafen Hugo von Werdenberg eine Schlacht stattgefunden und zur Erinnerung an diese Schlacht ist nach sicherer Überlieferung die erste Mariahilf-Kapelle erbaut worden. Im Volksmunde wird die Entstehung dieser Kapelle allerdings damit erklärt, dass in diesen Auen ein schrecklicher Lindwurm hauste und schwersten Schaden anrichtete. Die nahen Drachenlöcher erinnern heute noch an diesen Lindwurm und um dieses gefrässige Ungeheuer zu bannen und unschädlich zu machen, gelobten unsere Vorfahren, Unserer lieben Frau eine Kapelle zu bauen.

Mehr als 650 Jahre steht nun unser Mariahilf-Kirchlein. Der Zahn der Zeit hat allerdings oft an diese Kapelle genagt und wir dürfen annehmen, dass die Mariahilf-Kapelle in ihrer heutigen restaurierten Form die vierte Auflage erlebt. Denn in seinem Testament gedachte der hochwürdige Herr Pfarrer [Valentin] Kriss, auch ein Sohn unserer Gemeinde, "der neuen Kapelle unserer Lieben Frauen Hilf in Balzers". [4] Also muss die erstmals 1289 erbaute Kapelle kurz vor dem Tode des Pfarrers Kriss erneuert worden sein. Eine dritte Erneuerung fand dann 1815 statt, in welchem Jahre die Kapelle vom damaligen Bischof von Chur geweiht wurde.

Und nun stehen wir vor der vierten Mariahilf-Kapelle. Am Feste Maria Geburt des letzten Jahres ermahnte mein geistlicher Sohn, Ernst Nigg, in seiner Festpredigt, die Gemeinde: "Es ist Eure Aufgabe, meine lieben Balzner, dieses Heiligtum wie Euer Kleinod zu erhalten und zu pflegen. Wir wollen unsere Herzen weit öffnen, wenn es gilt, dieses Kirchlein bald zu restaurieren und für die Zukunft zu erhalten für unsere Gemeinde Balzers und für unser Land Liechtenstein, damit es uns, unseren Familien, unserer Gemeinde und unserem Lande den Frieden bewahre."

Mit freudiger Opferbereitschaft hat der Balzner Gemeinderat dieser Mahnung und dem Drängen des seeleneifrigen Pfarrherrn Hollweck Folge geleistet und hat bereitwillig die nötigen Mittel - soweit diese nicht durch die Stiftung des unvergesslichen hochwürdigen Herrn Kanonikus Basil Vogt, des grossen Balzners, zur Verfügung stunden und in Sammlungen beschafft werden konnten - bewilligt. Dafür sei dem Gemeinderat herzlich gedankt. Die Ausführung der Renovation oblag den einheimischen Architekten [Hans] Rheinberger und [Karl] Gassner und die Arbeiten wurden vorzüglich durch Balzner Handwerker in gewohnt gediegener Weise ausgeführt. Mit wenigen Ausnahmen ist die Renovation beendet und jeder mag sich heute selbst überzeugen, dass sie vollkommen gelungen ist und dass der älteste Wallfahrtsort Liechtensteins nun wieder jene Form und Ausstattung hat, die ihm gebührt. Was noch fehlt, wird bis zum nächsten Bruderschaftstage am 8. September fertig sein.

Ich würde unrecht tun, wenn ich nicht jetzt - nachdem ich der Gemeindebehörden, der Architekten und der ausführenden Handwerker gedacht habe, nicht noch besonders des eifrigsten Förderers der Renovation, des hochwürdigen Herrn Pfarrers Hollweck gedenken würde. In den Geschichtsblättern der Mariahilf-Kapelle wird sein Name einen Ehrenplatz einnehmen. Herrn Pfarrer Hollweck wärmstens zu danken, ist meine Ehrenpflicht. Ich weiss, dass Herr Pfarrer Hollweck noch einige finanzielle Sorgen für den Kapellenbau hat, aber Maria, die Hilfe der Christen, wird die Anliegen ihres eifrigen Dieners fördern und alle Nöte beheben helfen.

Andachtsgestimmt stehen wir heute vor dem in würdiger Form erneuerten Heiligtum der Mutter Gottes. Mehr als 650 Jahre tragen bedrängte Menschen ihre Sorgen hier der Fürbitterin aller Christen vor, klagen ihr Leid und ihren Jammer und bitten um Hilfe in ihren Nöten. Nur Gott weiss es, wie viele Menschlein getröstet von hier weg gingen, wie viele Bitten hier Erhörung gefunden haben.

Mehr als sechseinhalb Jahrhunderte unserer Geschichte schaute dieses traute Kirchlein, es sah, wie im alten Zürichkrieg 1466 [5] Balzers und Mäls niedergebrannt wurden, wie 1499 die Eidgenossen über den Rhein herüber kamen und vergebens versuchten, die Feste Gutenberg einzunehmen. Im dreissigjährigen Krieg sah das Kirchlein, die schwedischen Truppen sengend und raubend unsere Heimat durchziehen. Wieder sah Mariahilf in den Jahren nach der französischen Revolution die österreichischen und französischen Heere hin- und herziehen. Und als 1795 Balzers ein Raub der Flammen wurde, denen auch die Kirche zum Opfer fiel, da diente unser Wallfahrtskirchlein durch 12 Jahre der Gemeinde als Gottesdienstlokal. Das Kirchlein überdauerte alle diese kriegerischen Ereignisse und erlebte den Ersten Weltkrieg von 1914-18 und endlich den schrecklichsten der Kriege, den eben zu Ende gegangenen Zweiten Weltkrieg. Was mögen die altersgrauen Mauern gedacht haben, als ein paar hundert Meter südlich und westlich die Berge angebohrt und mit schwersten Geschützen versehen wurden?

Ein paar Monate nach Eintritt der Waffenruhe können wir die feierliche Wiedereröffnung des Wallfahrtskirchleins feiern. Da ist es unsere Pflicht, daran zu denken und dafür zu danken, dass wir es neben dem Machtschutze Gottes in erster Linie der Fürbitte der Mutter Gottes zu verdanken haben, dass wir unversehrt diese schrecklichen Kriegsjahre überstanden haben, dass wir wie im tiefsten Frieden unsere Felder bestellen konnten und dass wir keinen Blutzoll zahlen mussten und dass wir die Blüte unseres Volkes, unsere Jugend, unversehrt erhalten konnten.

Der Mutter Gottes von Mariahilf zollen wir heute durch unser weihevolles Beisammensein den herzlichen Dank für alle Wohltaten, die sie uns erwiesen hat und wir bitten sie, uns, unsere Gemeinde, unserem Lande auch in Zukunft ihre Huld und Gnade zu schenken.

Seine Durchlaucht, unser edler Landesfürst, dessen weiser Führung unter dem Machtschutze Gottes und der Fürbitte der Gottesmutter wir es verdanken, dass wir durch alle Fährnisse des Krieges hindurchgekommen sind, haben unser Land und unser Volk der Mutter Gottes geweiht. [6] Wir wollen darum heute auch unseres Durchlauchtigsten Fürsten und seiner Edlen Gemahlin gedenken, das Fürstenpaar unserer Liebe und Treue versichern und ihm unsere von innerstem Herzen kommenden Verehrung darbringen.

Es ist mir ein Herzensbedürfnis, Sie alle am Schlusse meiner Ausführungen zu bitten, mit mir einzustimmen in den Ruf:

Seine Durchlaucht Fürst Franz Josef und Seine Edle Gemahlin Fürstin Gina leben hoch, hoch, hoch!

Mit Begeisterung stimmte das ganze Volk in diese Hochrufe ein und sang am Schlusse die Volkshymne.

Die Gemeinde Balzers kann mit Befriedigung auf den Verlauf ihres Ehrentages blicken. Sie hat das Festchen mit einfachen Mitteln - und vielleicht gerade wegen dieser einfachen Mittel - zu einer erhebenden Feier gestaltet. Ihr gebührt hiefür Dank und jeder, der heute Zeuge dieser freudigen Volksstimmung sein konnte, wird diesen Erinnerungstag nie vergessen.

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[1] L.Va., Nr. 58, 18.7.1945, S. 1. 
[2] Neben den Salettinern, welche Gutenberg 1935 erworben hatten, befanden sich von 1941 bis 1945 die von den Nationalsozialisten aus Feldkirch vertriebenen Jesuiten im Hauptgebäude des Anwesens.  
[3] 5.1.1289.
[4] Testament vom 14.5.1690. Siehe LI LA Schädler Urkunden 152.
[5] Der Alte Zürichkrieg wird auf den Zeitraum 1436-1450 datiert. 1445 überquerten die Eidgenossen den Rhein und verbrannten Balzers.
[6] Zur Vaterlandsweihe an die Jungfrau Maria zu Dux siehe L.Vo., 1940.03.27.