Bericht in der Thurgauer Zeitung, nicht gez. [1]
22.3.1920
Liechtenstein
Im Fürstentum Liechtenstein ist eine Zählung der vorhandenen Kronen vorgenommen worden, die durch eine 26stündige vollständige Grenzsperre erleichtert wurde. Die gelungene Geheimhaltung der beabsichtigten Grenzsperre hat jedenfalls einen Zustrom grösserer Notenmengen aus Österreich und aus der Schweiz verhindert. In den Gemeinden wurden 8‘600‘000 Kronen gezählt, mit den Kassabeständen der Regierung, der Sparkassa und der Rentenkasse erhöht sich das Ergebnis auf rund 11‘000‘000 Kronen. Das ist auf den Kopf in Liechtenstein etwa 1100 Kronen in Noten. Die Währungssanierung beschäftigt die liechtensteinische Regierung sehr stark. Es steht noch nicht fest, ob man eine liechtensteinische Krone oder einen liechtensteinischen Franken schaffen, oder den Schweizerfranken einführen soll. Jedenfalls ist aber eine Bank notwendig, um die mit der Währungsänderung verbundenen Arbeiten durchzuführen. Mehrere Wiener Banken liegen in scharfer Konkurrenz um diese Bankkonzession. Eine holländisch-schweizerisch-österreichische Bankengruppe unter der Führung der Anglobank, die österreichische Handels- und Industriebank und die Zentralbank der deutschen Sparkassen in Wien bewerben sich darum. Mit den zwei Erstgenannten haben vor kurzem in Wien Verhandlungen stattgefunden, die demnächst in Liechtenstein selbst weitergeführt werden. Die Frankenwährung bürgert sich von selbst ein, da die Nahrungsmittel nur für Franken zu haben sind und fast alle Handwerker nur gegen Franken arbeiten. Auch die Hebammen haben ja sogar erklärt, dass sie nur noch gegen Frankenwährung ihres Amtes walten. Die fürstliche Regierung sah sich genötigt, den Staatsangestellten einen Zuschuss zu gewähren, der bei Ledigen 50, bei Verheirateten 70 und für jedes unversorgte Kind acht Franken monatlich beträgt. Eine Versammlung in Vaduz hat beschlossen, die Regierung solle dafür sorgen, dass der Grenzübertritt der Liechtensteiner Arbeiter in die Schweiz erleichtert werde, so dass man längere Zeit sich an entfernten Orten aufhalten könne. Sodann müsse dafür gesorgt werden, dass die zurzeit Arbeitslosen im Lande Beschäftigung erhalten und zwar „gegen Bezahlung mit gutem Geld.“ Daher seien das Lawenawerk und die beschlossenen Strassen in Angriff zu nehmen.
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[1]Thurgauer Zeitung 22.3.1920 (LI LA SgZs 1920)