Prinz Eduard von Liechtenstein teilt der Regierung die Meinung eines Schweizer Bankfachmannes zur Valutaregulierung bzw. zu einer eigenen liechtensteinischen Notenbank mit


Maschinenschriftliche Zusammenfassung der Meinung eines nicht namentlich genannten Schweizer Bankfachmannes durch Prinz Eduard von Liechtenstein, nicht gez. [1]

23.7.1920, Wien

Bankgründung, Valutaregulierung im Fürstentum Liechtenstein. Mitteilungen eines Schweizer Bankfachmannes.

„Da die Gefahren, welche eine Notenbank in sich birgt, nur von einem sehr grossen Gebiete ertragen werden können, erscheint mir die Gründung einer Notenbank für das Fürstentum Liechtenstein nicht angebracht.

Die während des Krieges gegründeten Notenbanken in den einzelnen baltischen Ländern haben mit erheblichen Verlusten gearbeitet, weil diese Gebiete nicht die Tragfähigkeit für eine Notenbank hatten. Ebenso konnte bis jetzt für keinen der österreichischen Successionsstaaten eine Notenbank geschaffen werden, - weder für Polen, noch für Tschechien, noch für Jugoslavien, - weil kein ausländisches Bankenkonsortium die Gefahren, welche derzeit mit der Gründung einer Notenbank verknüpft sind, auf sich nehmen wollte. Speziell für Liechtenstein ist die Frage dadurch sehr erschwert, weil in diesem Lande schon zwei Währungen (K- und Fr.-Währung) zirkulieren und die Schaffung einer dritten Währung die Verhältnisse nur komplizieren würde. Soweit man beurteilen kann, scheint die Bevölkerung in Liechtenstein die Schweizer Frankenwährung zu wünschen und nicht eine neue dritte. Nun soll das Projekt einer Notenbank vorsehen, dass die Liechtensteinische Note mit dem Schweizer Franken gleichgehalten werde, - aber ob und unter welchen Opfern dies möglich sein wird, lässt sich bei Gründung einer Notenbank nicht beurteilen.

Seine Durchlaucht [Johann II.] würden dauernd die moralische Verpflichtung haben, die liechtensteinische Note gleichwertig mit dem Schweizer Franken zu erhalten, weil die Bevölkerung aufgebracht sein würde, wenn die Note ein starkes Disagio bekäme. Wenn nun die Notenbank unglückliche Geschäfte, bei denen sie Verluste erleidet, machen sollte, so würde ihre Note im Kurs heruntergehen und Seine Durchlaucht müssten auch über die Verpflichtung des Staates hinaus aus politischen Gründen Mittel zur Verfügung stellen, um einen Kurssturz der Liechtensteinischen Noten zu verhindern. Die Grösse der Gefahren, welche sich in dieser Hinsicht ergeben, sind umso schwerer abzumessen, da die Notenbank sich nicht auf das reine Notenbankgeschäft beschränken könnte, sondern um Geld zu verdienen und ihren Apparat zu erhalten, auch andere Geschäfte machen müsste, für die im Lande selbst kein eigentlicher Wirkungskreis wäre. Ich höre z. B. von Raten- und Promessengeschäften, die selbstverständlich einer Notenbank vollkommen ferne liegen, ferner von Warengeschäften, die heute die riskantesten Transaktionen sind und für ein Agrarland vollkommen überflüssig erscheinen, da dieses sich seinen ganzen Auslandbedarf in einfachster Weise decken kann.

Die Währungstransaktionen selbst könnten in der einfachsten Weise durchgeführt werden, indem mit der Schweizer Regierung ein Abkommen geschlossen wird, demzufolge die Schweizer Bundesregierung bezw. die Schweizer Nationalbank die Mittel zur Verfügung stellt, um durch die Liechtensteinische Sparkassa die im Lande vorhandenen Kronen in Schweizer Franken umzutauschen. Diese Transaktionen würden dem Fürsten keine Lasten auferlegen, soweit Seine Durchlaucht nicht die Absicht haben sollten, besonders bedürftigen Kreisen einen höheren Kurs als den derzeitigen Züricher Kurs für die Krone zu vergüten. Wenn ich annehme, dass von den 12'000 Liechtensteinern 500 als bedürftig angesehen werden und jedem dieser 500 für den Betrag von 1000.- K, 100 Fr. statt 36 vergütet werden, so ergibt dies 32'000 Fr.-. Ausserdem scheint es den Absichten Seiner Durchlaucht zu entsprechen, eventuell auch der Sparkassa, welche Guthaben in Österreich zu besitzen scheint, Zuwendungen zukommen zu lassen, um ihr den Übergang zur anderen Währung zu erleichtern. Auch diese Zuwendungen könnten in engen Grenzen gehalten werden, da die Sparkassa selbst nur K-Verpflichtungen besitzt und es sich auch hier nur darum handeln würde, der besonders bedürftigen Minderheit der Einleger aufzuhelfen. Die gesamte Inanspruchnahme Seiner Durchlaucht aus beiden Ursachen dürfte meiner Schätzung nach mit 70 bis 80'000 Fr. im Höchstausmasse begrenzt sein. Eine spätere Inanspruchnahme wäre selbstverständlich ausgeschlossen. Aufgabe der Sparkassa wäre es, den Umtausch der Kronen in Schweizer Fr. durchzuführen und dabei genau zu konstatieren, wer liechtensteinischer Staatsbürger ist, ob die umgetauschten Kronen wirklich Eigentum eines solchen sind und eventuell wer besonders bedürftig ist. Selbstverständlich würde ich empfehlen, dass Vertrauensorgane Seiner Durchlaucht bei diesen Operationen kontrollierend mitwirken.

In dieser Frage würde die Währungsfrage in einfachster Weise geregelt werden können. Eine Notenbank wäre ein Experiment, dessen eventuell übler Ausgang den künftigen Anschluss an das Schweizer Währungssystem dauernd vereiteln könnte. In der Schweiz herrscht der Eindruck vor, dass mit der Gründung einer Bank in Liechtenstein Transaktionen nicht einwandfreien Inhaltes besonders auf dem Gebiete des Warenverkehres von Land zu Land und des Geld- und Kapitalsverkehres (besonders von Steuerflucht aus Österreich) verbunden wären. Ferner könnte es geschehen, dass bei dem Umtausch von Kronen in liechtensteinische Franken auch andere Kronen als die im rein liechtensteinischen Besitz befindlichen zur Umwechslung gelangen, was natürlich nur auf Kosten Seiner Durchlaucht möglich wäre (mit Rücksicht auf das zur Deckung zur Verfügung gestellte Kapital).

Aus allen diesen Gründen würde ich den einfachen Weg des Umtausches ohne eine Notenbank empfehlen. – Die Frage, ob Liechtenstein selbständig Silber- und Scheidemünzen prägen oder auch diese von der Schweizer Bank beziehen soll, könnte und zwar mit zweifelloser Aussicht auf Erfolg späteren Verhandlungen vorbehalten bleiben.“

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[1] LI LA SF 01/1920/129. Bestand Präsidialakten, die dem Landesverweser vorbehalten waren. Randvermerk: „Streng vertraulich". Um welchen Bankfachmann es sich handelt, lässt sich nicht feststellen.