Der liechtensteinische Geschäftsträger in Bern, Emil Beck, orientiert die liechtensteinische Gesandtschaft in Wien, dass eine Vertretung Liechtensteins beim Heiligen Stuhl durch die Schweiz nicht in Betracht kommt


Maschinenschriftliches Schreiben der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern, gez. Geschäftsträger Emil Beck, an die liechtensteinische Gesandtschaft in Wien [1]

10.12.1919, Bern

Vertretung beim Vatikan

Ihr Schreiben v. 3. Dez. 1919, Zl. 450/5 [2]

Veranlasst durch Ihr Schreiben vom 3. Dezember, Zahl 450/5, habe ich mich erkundigt, in welcher Weise die Schweiz beim Vatikan vertreten sei, und habe dabei durch Herrn [Charles] Lardy erfahren, dass die Schweiz beim Heiligen Stuhl in keiner Weise vertreten ist, wie auch dieser hier in Bern keine Vertretung hat. [3] Bisher sind Vertreter des Papstes nur in speziellen Missionen (z.B. Gefangenenaustausch) in die Schweiz gekommen. Im übrigen steht die Schweiz durch den Oberst der Schweizergarde mit dem Vatikan in Verbindung, und unterhält die besten Beziehungen, ohne jedoch offiziell vertreten zu sein. Eine Vertretung des Fürstentums durch die Schweiz fällt somit hier ganz ausser Betracht. Die Lösung dieser Frage wird sich also auf irgend einem andern Wege finden müssen. [4]

Eine Abschrift geht gleichzeitig an die fürstliche Regierung in Vaduz.

Der fürstliche Geschäftsträger

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[1] LI LA RE 1919/6091 ad 0589. Ausserdem Übermittlung des Dokuments an die liechtensteinische Regierung zur Kenntnisnahme; von dieser am 16.12.1919 ad acta gelegt. Stenographische Bemerkung. Weiteres Exemplar unter LI LA V 003/0075 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien: 492/2)).
[2] Der liechtensteinische Gesandte in Wien, Prinz Eduard, stellte mit Schreiben vom 3.12.1919 an die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern sowie an die liechtensteinische Regierung fest, dass die Vertretung Liechtensteins beim Heiligen Stuhl unbedingt in irgendeiner Weise erfolgen müsse, sei es durch die Schweiz oder durch Österreich. Er ersuchte die Gesandtschaft in Bern um Auskunft, in welcher Weise die Schweiz beim Heiligen Stuhl vertreten sei, und die liechtensteinische Regierung um einen diesbezüglichen Antrag. Prinz Eduard brachte auch die Option ins Spiel, dass der liechtensteinische Gesandte in Wien beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden könnte und dass etwa auftauchende Fragen in direktem Verkehr mit dem päpstlichen Vertreter in Wien zur Regelung gebracht werden könnten (LI LA RE 1919/5966 ad 0589 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien: 450/5)). Vgl. auch das Schreiben von Prinz Eduard an den Vaduzer Hofkaplan Alfons Feger vom 3.12.1919 (LI LA V 003/0075 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien: 492/1)) bzw. dessen Schreiben an Prinz Eduard vom 30.12.1919, wonach der Churer Bischof Georg Schmid von Grüneck den Gedanken einer liechtensteinischen Vertretung beim Heiligen Stuhl sehr begrüsst hatte (ebd.). Vgl. weiters das Schreiben von Hofkaplan Feger an Prinz Eduard vom 24.12.1919 (LI LA V 003/0085 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien: 1920/51/1)).
[3] Vor dem Hintergrund des Kulturkampfes hatte der Schweizer Bundesrat die diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl 1873 abgebrochen. Im Juni 1920 beschloss der Bundesrat, in der Schweiz wieder eine Nuntiatur zuzulassen. Erst 2004 wurde ein schweizerischer Botschafter beim Heiligen Stuhl akkreditiert.
[4] Vgl. in weiterer Folge das Schreiben von Prinz Eduard an Landesverweser Prinz Karl vom 20.6.1920 (LI LA V 003/0109 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien: 449/1)): Darin wurde die Möglichkeit erörtert, die Vertretung Liechtensteins mit jener des Souveränen Malteserordens beim Heiligen Stuhl zu verbinden. Auch die Vertretung durch Spanien oder durch einen italienischen Aristokraten wurde in Erwägung gezogen. – Die Frage einer Vertretung Liechtensteins beim Heiligen Stuhl wurde erst 1927 wieder aufgegriffen (vgl. die Denkschrift von Wilhelm Beck an die fürstliche Kabinettskanzlei vom 8.7.1927 (LI LA RE 1927/3265 ad 0506)).