Alfons Hasler und Johann Kindle erstatten Strafanzeige gegen Konrad Schädler, den sie für ihre Inhaftierung wegen Spionageverdacht verantwortlich machen


Handschriftliche Strafanzeige an das Landgericht, verfasst von Rechtsagent David Bühler im Namen von Alfons Hasler und Johann Kindle [1]

13.3.1918, Mauren

Alfons Hasler in Nendeln und Johann Kindle in Mels-Balzers erstatten hiemit durch den ergebenst Gefertigten Agent D. Bühler in Mauren folgende Strafanzeige:

Im Herbste 1916 hielten sich in Triesen, vornehmlich im Schäfle zwei italienische Spione Namens "[Anselmo] Paris" und "Tunelli [Tonelli]" auf.

Zu den Genannten gesellte sich Conrad Schädler, gebürtig aus Triesenberg, wohnhaft in Triesen.

C. Schädler gab diesen Spionen an, er kenne einen Alfons Hasler in Nendeln, welcher nach Innsbruck Schweine verschleisse und welcher in der Lage sei, werthvolle Kriegsberichte, welche ihm vom Portier auf dem Bahnhofe in Innsbruck verrathen werden, hieher zu vermitteln.

Die Spione Paris und Tunelli giengen auf eine solche Verbindung ein und verlangten später, den Alfons Halser kennen zu lernen.

Der Beschuldigte Conrad Schädler fälschte dann einen Reisepass auf den Namen Alfons Hasler, stellte denselben eine andere Person, wie ziemlich bestimmt vermuthet wird, den Hubert Hoch, Sohn des Daniel Hoch in Triesen, als Alfons Hasler vor, übergab den Spionen mündliche und schriftliche, fingierte angeblich aus Innsbruck kommende Kriegsberichte und kassierte hiefür wie verlautet für jeden Bericht 400 bis 500 francs ein.

Der Beschuldigte Conrad Schädler gab den Spionen auch vor, Johann Kindle erhalte ebenfalls von Innsbruck Kriegsnachrichten und befördere dieselben weiter an Spione in der Schweiz.

Einer der oben genannten Spione, Paris oder Tunelli, wurde dann in Österreich aufgefangen und protokollierte dort, dass er mit Hasler und Kindle in Verkehr gestanden.

Die gegenwärtigen Ankläger wussten von der ganzen Machenschaft rein nichts und wurden bei der nächsten Ankunft in Feldkirch verhaftet.

Halser war vom 21. Februar 1917 bis 4/III. 1918, Kindle vom 19. August 1917 bis ebenfalls 4/III. 1918 in Innsbruck unschuldig in Haft. [2]

Beide haben in dieser langen Zeit schrecklich gelitten. Wenn man bedenkt, dass die Kost vornehmlich aus faulen Runkelrüben und Erdäpfeln bestand (Hasler war lange Zeit Ruhr- und Diphuskrank), wenn man ferner bedenkt, was es heisst 7 bezw. 13 Monate zu etwa 30 Verbrechern in ein Local geworfen zu werden, zu ganz herabgekommenen, mit allen möglichen Geschlechtskrankheiten behafteten Menschen, wenn man erwägt, dass die Ankläger indessen Frau und sieben bzw. 9 unversorgte Kinder hier darben liessen und dass beide heute noch krank sind und wahrscheinlich in Bezug auf den total verdorbenen Magen ihr Leben lang den Krankheitskeim zu tragen haben, so ist leicht zu begreifen, das keine Geldentschädigung hinreichen würde, um diese körperlichen und seelischen Leiden der Kläger zu bezahlen.

Als Zeugen gegen den Beschuldigten Conrad Schädler, welcher dieses furchtbare Elend anrichtete, kämen in Betracht:

  1. Lina Mittelberger in Eschen, früher Kellnerin im Schäfle in Triesen, welche den Trinkgelagen der Spione mit C. Schädler zusah. [3]
  2. Rudolf Negele, Fuhrmann dort. [4]
  3. Oswald Kindle dort.
  4. Hubert Hoch, Sohn des Daniel dort, letzterer als Zeuge bezw. nach dem Ergebnisse der Untersuchung als Mitbeschuldigter.

Den Nachweis, dass die Ankläger Hasler und Kindle von Corpscomando in Innsbruck als unschuldig entlassen sind, wird durch die Stadtmagistratskanzlei Innsbruck an die fürstl. Regierung Vaduz gelangen und vermuthlich schon dort liegen. [5]

Um Einleitung des Strafverfahrens gegen Konrad Schädler in Triesen wird das wohllöbliche f.l. Landgericht gebeten. [6]

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[1] LI LA J 007/S 045/052. Auf der Rückseite des Bogens Eingangsstempel des Landgerichts vom 16.3.1918 sowie Vermerke zum weiteren Geschäftsgang. Die Anzeige wurde am 16.3.1918 vom Landgericht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, wo sie am 18.3.1918 einlangte. Die Staatsanwaltschaft retournierte die Anzeige am 18.3.1918 an das Landgericht mit dem Antrag auf "Durchführung von Erhebungen im Sinne der vorliegenden Anzeige".
[2] Zur Inhaftierung von Hasler vgl. auch LI LA V 003/1350, Hasler an deutschösterreichisches Staatsamt für Justiz, 26.4.1919.
[3] Vgl. LI LA J 007/S 045/052, Einvernahme von Lina Mittelberger, 17.4.1918.
[4] Vgl. LI LA J 007/S 045/052, Einvernahme von Rudolf Negele, 3.7.1918.
[5] LI LA J 007/S 045/052, k.k. Landwehr-Divisionsgericht in Innsbruck an k.u.k. Garnisonsarrest Innsbruck, 4.3.1918.
[6] Das Landgericht vernahm in die Folge die Ankläger (LI LA J 007/S 045/052, Einvernahme von Alfons Hasler, 10.4.1918; LI LA J 007/S 045/052, Einvernahme von Johann Kindle, 6.5.1918), die Zeugen Lina Mittelberger und Rudolf Negele (vgl. Anm. 3 und 4) sowie den Beschuldigten Konrad Schädler (LI LA J 007/S 045/052, Einvernahme von Konrad Schädler, 19.6.1918). Ende Juli 1918 wurde das Verfahren wegen Mangel an Beweisen eingestellt (LI LA J 007/S 045/052, Landrichter Julius Thurnher an Kindle und Hasler, 24.7.1918).