Die Regierung berichtet Fürst Johann II. über die Wahl von Gustav Schädler zum Regierungschef


Maschinenschriftliches Schreiben, mit handschriftlichen Korrekturen und Ergänzungen, der Regierung, gez. Regierungsrat Felix Gubelmann, an Fürst Johann II. [1]

8.6.1922

Bericht betreffend die Wahl des Regierungschefs

E.D. [Eure Durchlaucht]

Die f. Regg. erlaubt sich, E.D. über die am 6. Juni 1922 vom Landtage vorgenommene Wahl eines neuen Regierungschefs [2] ehrerbietigst Bericht zu erstatten.

Der Sitzung wohnten 13 Abgeordnete bei, da die Herren [Josef] Gassner und [Emil] Bargetze krankheitshalber verhindert waren. Als Regierungskommissär fungierte Abgeordneter und Regierungsrat Gubelmann. Da letzterer mit Rücksicht auf seine Funktion als Regierungsvertreter nicht mitstimmte, nahmen nur 12 Abgeordnete an der Abstimmung teil. Regierungsrat [Gustav] Schädler erhielt 7 Stimmen, 4 Zettel wurden leer abgegeben und 1 Stimme entfiel auf Dr. [Josef] Hoop. Nach der Wahl liessen die Abgeordneten Gassner und Bargetze mitteilen, dass sie bei ihrer Anwesenheit unbedingt für Regierungsrat Schädler gestimmt hätten. Regierungsrat Gubelmann erklärte ebenfalls, der Wahl Schädlers zuzustimmen, nur sei er vermöge seiner Tätigkeit als Regierungskommissär an der Ausübung seines Stimmrechtes verhindert gewesen. Es vereinigen sich somit auf Regierungsrat Schädler 10 Stimmen, d.h. eine Zweidrittelsmehrheit, die allgemein als Bürgschaft für ein gedeihliches Zusammenarbeiten mit dem Landtage betrachtet wird.

Nicht für Schädler stimmten die Mitglieder der Bürgerpartei und die Abgeordneten [Stephan] Wachter und [Baptist] Quaderer der Volkspartei. In einer Vorbesprechung unter den Abgeordneten der Volkspartei brachte Abg. Wachter R.A. Dr. [Martin] Ritter in Innsbruck in Vorschlag und verfocht diese Kandidatur hartnäckig. Ritter hätte bei einer Abstimmung nur die Stimmen Wachters und Quaderers auf sich vereinigt.

An der Sitzung selbst vertrat Wachter den Standpunkt, man solle mit der Wahl solange zuwarten, bis E.D. ins Land kommen. Tatsächlich handelte es sich Wachter um die Kandidatur Ritter.

Nachdem sich durch die Erklärungen Gassners, Bargetzes und Gubelmanns eine Zweidrittelsmehrheit für Schädler ergibt und auch mehrere Abgeordnete (darunter Wachter und Quaderer) keine prinzipiellen Gegner desselben sind, so hat Schädler die Annahme der auf ihn gefallenen Wahl erklärt, jedoch mit der Bedingung, dass ihm E.D., der Landesschulrat und der Landtag volle Garantie bieten, dass er von seiner Stelle als Professor an der Realschule nur beurlaubt, diese also bloss provisorisch besetzt werde und er somit zu jeder Zeit wieder an seinen Posten zurückkehren könne. [3]

Die fürstl. Regierung gestattet sich, E.D. ehrerbietigst den Entwurf eines Höchsten Handschreibens an Regierungsrat Schädler [4] mit der ergebensten Bitte zu unterbreiten, E.D. geruhen, dieses Höchste Handschreiben gnädigst unterfertigen und ehebaldigst herabgelangen zu lasse. [5]

[6] Die Beeidigung des neu ernannten Reg.Chefs könnte wohl am besten bei der demnächst erhofften Anwesenheit E.D. im Fürstentume vorgenommen werden, was allgemein begrüsst würde. [7] Nur wenn innerhalb eines Monats E.D. den angekündigten h. Besuch nicht verwirklichen, müsste Reg.Chefstellvertreter [Alfons] Feger zur Abnahme des Eides veranlasst werden. Schädler würde sein Amt aber schon zu Beginn nächster Woche antreten.

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[1] LI LA RE 1922/2497.
[2] LI LA LTP 1922/068.
[3] Vgl. LI LA RE 1922/2522 ad 2497.
[4] LI LA RE 1922/2497.
[5] Vgl. LI LA RE 1922/2600 ad 2497, Kabinettskanzlei an Regierung, 10.6.1922.
[6] Der folgende Abschnitt ist ein handschriftlicher Nachtrag.
[7] Tatsächlich legte Schädler den Eid am 7.7.1922 vor Fürst Johann II. ab (LI LA RE 1922/3056 ad 2497), der seit dem 27.6.1922 in Liechtenstein weilte (L.Vo., Nr. 52, 1.7.1922, S. 2 ("Hoher Besuch")).