Vertreter der Volkspartei treffen mit Josef Martin und Josef Peer zusätzliche Vereinbarungen zu den Ergebnissen der "Schlossverhandlungen"
Maschinenschriftliches Protokoll, gez. Kabinettsrat Josef Martin, Vorstand der Kabinettskanzlei und Josef Peer sowie Anton Walser, Obmann der Volkspartei, Wilhelm Beck, Gustav Schädler, Felix Hasler, Alois Frick und Andreas Vogt [1] verm. 15.9.1920, Vaduz [2] Protokoll aufgenommen zu Vaduz am 14. September 1920. Bezugnehmend auf die zwischen den Herren - Anton Walser-Kirchthaler als Obmann der Volkspartei, Landtagsvicepräsident Dr. Wilhelm Beck, Abgeordneter Reallehrer Gustav Schädler (im Folgenden kurz "Partei" genannt) und
- Vorstand der fürstl. Kabinettskanzlei, Kabinettsrat Josef Martin und Hofrat Dr. Josef Peer
gepflogenen Besprechungen, deren meritorisches Ergebnis sich mit den von Sr. Durchlaucht dem Landesfürsten [Johann II.] am 11. & 13. m.c. [mensis currentis] [3] gefassten Entschliessungen deckt, werden noch folgende Erklärungen niedergelegt, bezw. Wünsche ausgesprochen: - Die Partei wünscht, dass in den, dem Landtage vorzulegenden Regierungsvorlagen der Regierungssekretär als "Landschreiber", die zukünftige Regierung als parlamentarische, bzw. als Ressortregierung, die Abgeordneten als "volksgewählte Abgeordnete" bezeichnet werden.
Dr. Peer wird diesem Wunsche bei Ausarbeitung der Regierungsvorlage Rechnung tragen. - Die Partei betont, dass die Beiziehung des Schweizer Fachmannes insbesondere auch deshalb verlangt worden sei, um dadurch eine Garantie für die demokratische Ausgestaltung der Verfassung und Verwaltung zu schaffen.
Dr. Peer erklärt, die Mitarbeit des Schweizer Fachmanns bei Ausarbeitung der Regierungsvorlagen in loyaler und weitgehender Auslegung der Heranziehungsbestimmung in Anspruch nehmen zu wollen. - Die Partei fasst die Forderung der mehrheitlichen Besetzung des Staatsgerichtshofes mit Liechtensteinern dahin auf, dass auch die Unterabteilungen und Senate dieses Gerichtshofes mehrheitlich aus Liechtensteinern zu bestehen, ferner dass die Erkenntnisse dieses Gerichtshofes über präjudicielle Verfassungsfragen kassatorisch zu sein haben.
Dr. Peer tritt dieser Auffassung bei. - Die Partei fordert im Interesse des Staatsansehens, dass der Präsident des Staatsgerichtshofes ein gebürtiger Liechtensteiner sei.
Dr. Peer erhebt dagegen keine principielle Einwendung. - Die Partei wünscht aus historischen Gründen, dass die Zahl der Abgeordneten fünfzehn bleibe, verteilt auf die beiden Landschaften.
Dr. Peer überlässt die Entscheidung über diese Frage gänzlich dem Landtag. - Mit dem Verlangen der Partei, dass seine Berufung auf die Dauer eines halben Jahres eingeschränkt werde, erklärt sich Dr. Peer einverstanden.
- Die Partei wünscht sehr dringend, dass die Reformvorlagen betreffend die Verfassung & die Landtagswahlordnung so rechtzeitig an den Landtag gelangen, dass die Neuwahlen zum Landtage spätestens im Februar 1921 vor sich gehen können.
Dr. Peer verspricht seinerseits eine diesem Wunsche nach Kräften Rechnung tragende beschleunigte Behandlung, lehnt aber gleichzeitig die Verantwortung für Hindernisse ab, die sich der Erfüllung dieses Wunsches ohne sein Zutun entgegenstellen.
Beiderseits gefertigt und zwar - von Seite der Partei mit dem Bemerken, dass die Herren Vicepräsident Dr. Beck & Abgeordneter Schädler sich mit den getroffenen, die Berufung Dr. Peers in sich schliessenden Abmachungen bedingungslos einverstanden erklären, während Herr Obmann Walser sich die Genehmigung durch die Delegierten der Partei vorbehält, dieser gegenüber aber die Annahme der von ihm für seine Person gebilligten Abmachungen vertreten wird;
- von Seite des Kabinettsrates Martin & des Hofrates Dr. Peer mit der Erklärung, dass sie die getroffene Abmachungen & Zugeständnisse nur für den Fall des Zustandekommens einer Einigung im Sinne der Abmachungen für verbindlich erklären können.
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[1] LI PA VU, Schlossabmachungen, Nr. 9. Ediert in: Die Schlossabmachungen vom September 1920. Studien und Quellen zur politischen Geschichte des Fürstentums Liechtenstein im frühen 20. Jahrhundert, hrsg. von der Vaterländischen Union, Vaduz 1996, S. 197–199. Das Dokument stammt aus dem Nachlass von Gustav Schädler und wurde von dessen Söhnen dem Parteiarchiv der Vaterländischen Union übergeben. [2] Das Protokoll ist datiert auf den 14.9.1920. Es dürfte jedoch, wie aus dem Bericht von Josef Peer "Die Revision der Verfassung im Fürstentum Liechtenstein" vom 18.4.1921 (LI LA PA 013/013/4) hervorgeht, erst am 15.9.1920 unterschrieben worden sein. Höchstwahrscheinlich handelt es sich um das im Protokoll von Gustav Schädler über die "Schlossverhandlungen" (LI PA VU, Schlossabmachungen, Nr. 5) erwähnte "Geheimprotokoll", das am fünften Tag der Verhandlungen, also am 15.9.1920, unterschrieben wurde. [3] LI PA VU, Schlossabmachungen, Nr. 7, Entschliessung von Johann II., 11.9.1920; LI PA VU, Schlossabmachungen, Nr. 8, Modifikationen der Entschliessung von Johann II., 13.9.1920.
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