Ein Mitglied der liechtensteinischen Mannschaft berichtet über die Teilnahme an der Winterolympiade in Garmisch-Partenkirchen


Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]

3.3.1936

Die liechtensteinische Olympiamannschaft bei den Winterspielen der 4. Olympiade in Garmisch-Partenkirchen

1. Allgemeines

Nachdem Liechtenstein keine staatlich geförderte Sporterziehung wie die meisten übrigen Staaten in Europa und Übersee kennt, war es eigentlich ein kühnes Unternehmen, eine Anmeldung für die 4. Olympiade einzureichen. Herrn Baron Woldemar von Falz-Fein war es zu verdanken, wenn dieser Plan Wirklichkeit wurde. [2] Erst eine spätere Zeit wird die volle Erkenntnis bringen, welche Vorteile die Teilnahme nicht allein für die Sache des liechtensteinischen Sportwesens, sondern auch für das Land in sich schloss. Gestreift soll hier nur werden, dass es für das Land als selbständiger Staat äusserst wichtig ist, bei solchen Anlässen international anerkannt zu werden. Auch für den Fremdenverkehr ist es sehr wichtig, wenn solcherart die Aufmerksamkeit des Auslandes in freundlicher Weise auf unser Land gelenkt wurde.

2. Vorbereitungen

Die ersten Vorbereitungen galten der Schaffung eines Nationalen Olympischen Komitees. Dieses wurde aus folgenden Herren gebildet: Steuerbeamter Alexander Frick, Schaan, Vorsitzender; Baron W. v. Falz-Fein, Vaduz, Vizepräsident; Landgerichtsbeamter Xaver Frick, Balzers, Schriftführer und Kassier; Beiräte: Lehrer Ernst Schädler, Vaduz, Kaufmann Friedrich Thöny, Schaan, [3] Weinhändler Hans Ritter, Schaan. Das Ehrenpräsidium hatte Herr Regierungschef Dr. Josef Hoop. Olymp.-Attaché wurde Herr Baron Eduard Theodor v. Falz-Fein. Es fanden verschiedene Sitzungen statt, die die Organisation vorbereiteten. Für die Skifahrer wurden die besten zwei Fahrer des Skiklubs Triesenberg gewählt, die als die besten des Landes gesehen wurden. Die Bobmannschaft stellte der Olymp.-Attaché zusammen. Die beiden Mannschaften wurden somit gebildet wie folgt: Skimannschaft: Hubert Nägele u. Franz Schädler, beide aus Triesenberg. Bobmannschaft: E. Th. Baron v. Falz-Fein, Berlin und Eugen Büchel, Vaduz. – Die Pullover in blau-roter Farbe stiftete in verdankenswerter Weise die Firma Engel, Strickwaren, Vaduz, dazu ein Paar Strümpfe, Skisocken und eine blau-rote Wollmütze.

3. Vor-Training

Die Skifahrer trainierten unter Skilehrer Frick, Rankweil, vom 6. bis 20. Januar im Malbun, vom 20. Januar bis 2. Februar in St. Anton am Arlberg. – Die Bobfahrer trainierten mit der deutschen Mannschaft in St. Moritz vom 7. Januar bis 22. Januar; sie wohnten dort im Hotel Kulm. Dort kamen mehrere Stürze mit leichteren Verletzungen vor.

4. Garmisch-Partenkirchen

In Garmisch-Partenkirchen ("Ga-Pa") traf zuerst, am 24. Januar die Bobmannschaft ein, die Skiläufer am 3. Februar. Die Bobfahrer waren im Hotel Rissersee, die Skifahrer in der Pension Irmgard untergebracht, erstere in Garmisch, letztere in Partenkirchen. Am 4. Februar verletzte sich Franz Schädler (Sehnenriss). Am 5. Februar stürzten die Bobfahrer, Eugen Büchel erlitt einen Knöchelbänderbruch, Baron Falz-Fein erlitt eine Bindehautentzündung; nichtsdestoweniger liessen sich die Liechtensteiner nicht vom Start abhalten. – In Garmisch wogte es von Menschen. Der Empfang und die Eindrücke waren unwiedergebbar gewaltig. Überall grüsste man uns aufs herzlichste. Es folgten Veranstaltungen und Einladungen der mannigfaltigsten Art.

5. Die Liechtensteiner im Kampf

Zuerst starteten die Skiläufer am 7. Februar für den Abfahrtslauf. Sie belegten unter 68 mit Hubert Nägele mit 8:09,4 den 48. und Franz Schädler mit 11:49,8 den 51. Platz. Die beste Zeit (Birger Ruud, Norwegen) war 4:47,4, die schlechteste 14:29,2. Beim Slalom wurden die Liechtensteiner Skiläufer nicht mehr klassiert, weil sie nicht die vorgeschriebene Zeit erreichten. Beim Start waren sie sehr gut in Form und verteidigten sie die Farben unseres Landes ehrenvoll.

Die Bobfahrer starteten zuerst am 14., dann am 15. Februar, je zwei Läufe pro Tag. Nach dem 1. Lauf waren sie unter 23 die 14., bei 2. Lauf wieder unter 23 die 8., nach den 1. zwei Läufen waren sie (zusammengenommen) an 13. Stelle. – Beim 3. Lauf hatten sie eine sehr unglückliche Startnummer und kamen dadurch auf den 22. Platz. Beim 4. Lauf waren sie an 11. Stelle und wurden beim Gesamtklassement dem 18. Rang zugeteilt (alle 4 Läufe zusammengezählt). Die liechtensteinische Zeit war (im Gesamtdurchschnitt) 6.01:94. Die beste Zeit war 5:29,29 ([Ivan] Brown, USA) die schlechteste 6:32,79.

Der Präsident des Intern. Olymp. Komitees [Henri de Baillet-Latour] beglückwünschte die Bobfahrer zu ihrer Fahrt, die als technisch einwandfrei bezeichnet wurde.

Die ehrenvolle Haltung der Bobfahrer ist um so anerkennenswerter, da Baron Falz-Fein bisher nur als Beifahrer gefahren war, Eugen Büchel dagegen bisher nur Ski gefahren war.

6. Ausklänge

Es wäre dieser Bericht nicht vollständig, wenn wir uns nicht dem allgemeinen Lob der Nationen über die besondere Aufnahme, die vorzügliche und mustergültige Organisation anschliessen würden, die Deutschland uns allen zugute kommen liess. Alle Nationen ohne Ausnahme waren in dieser Hinsicht wirklich begeistert, jeder Teilnehmer erhielt 2 wunderbare Bücher, eines über Deutschland, eines über die Olympiade und eine schöne Erinnerungsplakette. Die Schlussfeier, die uns allen in Erinnerung bleiben wird, fand ihren Ausklang im Olympiaball im Deutschen Theater in München. Alles wurde uns kostenfrei geboten. – Am 18. Februar kehrten die liechtensteinischen Olympiateilnehmer wieder wohlbehalten nach Hause, bereichert mit unvergesslich schönen Erinnerungen.

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[1] L.Vo., Nr. 26, 3.3.1936, S. 2. Der Bericht erschien auch in L.Va., Nr. 20, 4.3.1936, S. 1.
[2] Zu den Vorbereitungen für die Olympiateilnahme vgl. LI LA RF 150/358 sowie LI LA PA 001/025.
[3] Gründungsmitglied des Nationalen Olympischen Komitees war offenbar nicht Fritz Thöny, sondern sein Bruder Paul Thöny (LI LA RF 150/358/005, 006). Fritz Thöny ist erst seit September 1935 als Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees belegt (LI LA PA 001/025).