Alois Vogt verteidigt das Vorgehen Carl von Vogelsangs gegen Sally Isenberg


Artikel im "Liechtensteiner Vaterland", gez. vom Parteisekretär der Vaterländischen Union, Alois Vogt [1]

20.6.1936

Zum Fall [Sally] Isenberg

Die Art und Weise, wie auf der Gegenseite der Fall Isenberg aufgezogen und verallgemeinert wird, nötigt uns zu einigen grundsätzlichen Feststellungen. Dabei sei vorausgesetzt, dass die Herrn Isenberg im "Stürmer" zur Last gelegten Vorkommnisse unsererseits solange kein Gegenstand öffentlicher Diskussion sein können, als sie nicht bewiesen oder widerlegt sind. Diese Erklärungen haben deswegen keineswegs den Zweck, die gegen Herrn Isenberg im "Stürmer" erhobenen Vorwürfe zu wiederholen, es soll auch keine Stellung zu den einzelnen Vorwürfen bezogen werden, sie sollen weder als wahr noch als unwahr bezeichnet werden, wir lassen diese Fragen vielmehr offen.

Was uns zu einer Stellungnahme herausfordern muss, ist die Methode, mit welcher die Angelegenheit durch Herrn Isenberg und durch das "Liechtensteiner Volksblatt" erledigt werden soll und die Schlüsse, die aus der ganzen Affäre, als solche darf man die Angelegenheit wohl bezeichnen, gezogen werden. [2]

Sowohl Herr Isenberg wie das "Liechtensteinische Volksblatt" versuchen aus der rein persönlichen Angelegenheit des Herrn Isenberg eine allgemein politische, aus einem Einzelfall eine Frage allgemeinen Antisemitismus zu machen. Aus dieser Unterstellung wird dann der Schluss gezogen, die Redaktion des "Liechtensteiner Vaterlandes" schädige bewusst die finanziellen Interessen des Landes, weil sie durch ihren Antisemitismus an Liechtenstein interessiertes jüdisches Kapital vertreibe und dadurch die Staatseinnahmen gefährde. Weiter spricht man der Redaktion kurzerhand das Recht ab, sich um die Sache Isenberg zu kümmern und das liechtensteinische Volk über das zu orientieren, was in einem andern Land über Liechtenstein oder in Liechtenstein wohnende Ausländer geht.

Zu letzerem stellen wir nun fest: Es war nicht nur das Recht des Herrn [Carl] v. Vogelsang, die liechtensteinische Bevölkerung über die Attacke des "Stürmers" gegen Herrn Isenberg zu orientieren, sondern es war seine Pflicht, auf ein Vorkommnis hinzuweisen, das geeignet ist, Liechtenstein und sein Volk wieder einmal vor der ganzen Welt als Zufluchtsort dunkler Elemente (immer im Sinne des "Stürmers" gesprochen) hinzustellen. Liechtenstein ist nun nachgerade genug im Kot herumgezogen worden, als dass man derartige Angriffe gegen seine Ehre einfach hinnehmen darf. Wie soll sich aber das liechtensteinische Volk wehren, wenn es nicht einmal über das, was im Ausland in Beziehung auf Liechtenstein geschrieben wurde, orientieren darf. Es ist also das Recht und die Pflicht eines jeden Liechtensteiners, über das Ansehen seines Vaterlandes zu wachen, es ist auch das Recht und die Pflicht des Herrn v. Vogelsang. Damit aber, dass man die Unschuld des Herrn Isenberg einfach stillschweigend voraussetzt und über Angriffe schwerwiegendster Art, die gegen seine Person in einem vielgelesenen ausländischen Blatt erhoben wurden, einfach zur Tagesordnung übergeht, wie es anscheinend dem "Liechtensteiner Volksblatt" wünschenswert erscheint, ist dem Ansehen unseres Landes nicht gedient. Die Konsequenzen aus solchen Unterlassungssünden könnten eines schönen Tages viel schlimmer sein als die durch Fehlschlüsse vom "Liechtensteiner Volksblatt" im gegenständlichen Fall fälschlicherweise aufgezeigten.

Nun zu dem Versuch, den Fall zu Isenberg zu verallgemeinern. Wir stellen fest, dass die zur Diskussion stehende Angelegenheit eine rein persönliche Angelegenheit des Herrn Isenberg ist. Er allein wurde im "Stürmer" angegriffen und er allein wird sich zu wehren haben und zwar konsequenter Weise dort, wo der Angriff erfolgte und nicht dort, wo der Angriff rein informativ mitgeteilt wurde. Ist Herr Isenberg unschuldig, wird es ihm ein Leichtes sein, seine Unschuld auch zu beweisen, und die Sache ist für uns erledigt. Gelingt es ihm nicht, die Behauptungen des "Stürmers" zu widerlegen, werden wir trotz allem Geschrei im "Liechtensteiner Volksblatt" unsere Konsequenzen ziehen. Wobei es für uns absolut uninteressant ist, ob Herr Isenberg Jude ist oder nicht. Es geht in diesem Fall gar nicht um die rassische Zugehörigkeit des Herrn Isenberg, sondern einzig und allein darum, ist Herr Isenberg eine Belastung für das Ansehen unseres Landes oder nicht.

Herr Isenberg hat sich im "Liechtensteiner Volksblatt" als der arme Verfolgte ausgespielt, der nur wegen seiner Zugehörigkeit zur jüdischen Rasse die Angriffe erdulden muss. [3] Wir stellen fest, dass kein Jude, der hier Gastrecht geniesst oder genossen hat, angegriffen wurde und wird, solange er dieses Gastrecht nicht missbraucht und solange er keine Belastung unseres heimischen Gewerbes und des Ansehens des Landes ist. Wir werden aber eifersüchtig darüber wachen, dass Liechtenstein das Vaterland der Liechtensteiner bleibt und zwar ein Vaterland, dessen sich der Liechtensteiner im Ausland nicht zu schämen braucht.

Wir warnen davor, aus der Angelegenheit Isenberg einen ganz allgemeinen Fall zu machen. Wenn Herr Isenberg und das "Liechtensteiner Volksblatt" dies versuchen wollen, so trifft sie allein die Verantwortung für finanzielle Schädigungen, die unser Land treffen könnten. Es wäre bedauerlich, wenn alle Juden, die hier Gastrecht geniessen, sich als Vorspann des Herrn Isenberg gebrauchen liessen. Bedauerlich im Interesse des Landes, bedauerlich aber auch im Interesse aller jener Juden, die hier gerade wegen ihrer persönlichen Sauberkeit und Integrität grösstes Interesse daran haben, dass der Fall Isenberg so oder so geklärt wird.

Herr Isenberg möchten wir den Rat geben, seinen Fall als ganz isoliert zu behandeln und die Rettung seiner Ehre allein in die Hand zu nehmen. Er wird damit seinen Rassengenossen einen besseren Dienst erweisen als mit seiner bisherigen Methode.

Herr Isenberg hat bei der Vermittlungsverhandlung Herrn v. Vogelsang gedroht, er habe hier die Möglichkeit, seine Macht zu gebrauchen, und er werde sie gebrauchen und zwar gehörig. Nun, das ist uns neu, dass Herr Isenberg eine solche Machtfülle in Liechtenstein besitzt, und es ist gut, dass er es ausgeplaudert hat. Wir werden uns vorsehen können. Und wir werden dafür besorgt sein, dass die Macht in Liechtenstein bei den Liechtensteinern bleibt. Unsere Grossväter und Väter haben hier regiert und ihre Söhne werden es auch, trotz Herrn Isenberg.

Wir wiederholen kurz: Die Angelegenheit Isenberg ist eine isolierte Frage, eine rein persönliche Sache des Herrn Isenberg und keine allgemein jüdische und deswegen auch keine allgemein politische. Jede andere Darstellung widerspricht den Tatsachen und die Verantwortung für solche Unterstellungen werden jene tragen, die diese Unterstellungen eben gemacht haben.

Für und im Auftrag der Vaterländischen Union:

Der Parteisekretär.

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[1] L.Va., Nr. 51, 20.6.1936, S. 1.
[2] Zur Position des "Liechtensteiner Volksblatts" vgl. L.Vo., Nr. 70, 18.6.1936, S. 1 ("Hände weg von solcher Politik").
[3] Vgl. L.Vo., Nr. 68, 13.6.1936, S. 4 ("Erklärung"),  Nr. 69, 16.6.1936, S. 2 ("Erklärung zu den Anwürfen gegen Sally Isenberg").