Artikel in den "Liechtensteiner Nachrichten" [1]
13.8.1929
Das Fest der Erbhuldigung
Vaduz, am 12. August. Die schönen Tage der Erbhuldigung sind vorbei, die Wogen der festlichen Begeisterung sind vorüber, die Pflichten des Alltags haben wiederum von uns Besitz ergriffen. Nicht vorüber soll aber die Erinnerung an den gestrigen Sonntag gehen, der uns Liechtensteinern ein harmonisch verlaufenes, schönes, erhebendes Fest gebracht hat. Noch spätere Geschlechter werden dieses schönen Festes gedenken...
Mit grauem Gewölk war der Himmel am Samstag verhangen. Allüberall hörte man die Frage: Wie wird wohl das Wetter morgen werden? Selbst die Optimisten glaubten nicht an eine Besserung. Die Ungunst der Witterung konnte der allgemeinen Festfreude aber keinen Einhalt gebieten.
Schon lange vor der offiziell bekanntgegebenen Zeit sammelte sich in allen Gemeinden, die das Fürstenpaar auf seiner Fahrt nach Vaduz zu passieren hatte, die Gemeindebehörden, Musikkapellen, Gesangvereine und die Schulkinder. Die Feuerwehren hatten beim gestrigen Fest wie auch schon Samstag den Ordnerdienst übernommen und, wie man feststellen darf, zur Gänze klaglos durchgeführt. In Vaduz traf das Automobil, in welchem sich das Fürstenpaar befand, gegen 7 Uhr abends ein. Nach einem kurzen Aufenthalt, während welchem das hohe Paar von der Gemeindevorstehung begrüsst wurde und zwei Kinder Gedichte vortrugen, fuhr das Auto zum fürstlichen Absteigequartier weiter.
Ein schönes, eindrucksvolles Bild bot der Fackelzug, der sich nach Einbruch der Dunkelheit von Vaduz aus auf der Schlossstrasse zum Absteigequartier hinaufbewegte. Auch der Regen, der leider niederging, konnte den Eindruck des Fackelzuges nicht verwischen. Oben angekommen, trug die Vaduzer Musik ein Stück vor, daran anschliessend der Gesangverein Vaduz und der Vaduzer Kirchenchor. Das Fürstenpaar war durch diese überraschende Ehrung sichtlich erfreut und spendete für die ausgezeichneten Leistungen der Vereine verdientes Lob. Die für halb 10 Uhr angesagte Schlossbeleuchtung musste infolge des wiedereinsetzenden Regens und Nebels an diesem Abend unterbleiben.
Der eigentliche Festtag, der gestrige Sonntag, begann mit einem Wetter, das den Namen "Festwetter" leider nicht beanspruchen konnte. Bis fast zum Schloss Vaduz herunter hingen die Nebel und fast schien es, als ob ein Landregen das Fest stören und beeinträchtigen würde. Überall hörte man Mutmassungen, ob das Wetter sich zum Besseren wenden oder das Fest stark beeinträchtigen würde. Doch erfreut konnte man am Abend feststellen, dass der Wettergott es mit den Liechtensteinern gut gemeint hatte. Insbesonders im Hinblick auf die aus dem ganzen Lande hier versammelten Kinder war es sehr erfreulich, dass das Wetter sich nicht verschlimmert hat.
Um dreiviertel 9 Uhr begann in der Pfarrkirche hier das feierliche Pontifikalamt, das Seine bischöflichen Gnaden Georgius Schmid von Grüneck aus Chur zelebrierte. H. H. [Hochwürdige Herr] Landesvikar Dr. [Johann Georg] Marxer hielt die Festpredigt mit Bezug auf das Fest der Erbhuldigung. Der Kirchenchor brachte zusammen mit dem Orchesterverein unter der bewährten Leitung des fürstlichen Musikdirektors Severin Brender eine klangvolle Instrumentalmesse zu Gehör. Liebenswürdiger Weise hatte die Orgelbegleitung einer der bedeutendsten der heute lebenden Künstler, Herr Professor [Joseph] Renner-Regensburg übernommen.
Knapp vor 11 Uhr begann der feierliche Akt der Erbhuldigung im Landtag. [2] Der Landesfürst [Franz I.] betrat, begleitet von Ihrer Durchlaucht der Landesfürstin [Elsa], den Landtagssaal, in dem sämtliche Landtagsabgeordneten, die Mitglieder der Regierung und eine zahlreiche Zuschauermenge sich eingefunden hatte. Der Saal war mit Blattpflanzen und Fahnen in den Landesfarben und den Farben der fürstlichen Familie geschmackvoll dekoriert. Landtagspräsident Pfarrer [Anton] Frommelt-Triesen hielt die Huldigungsrede, in der er der heute im ganzen Lande herrschenden Freude über die Anwesenheit des Fürstenpaares in unserem Lande zum Ausdruck brachte. Seine Durchlaucht der Landesfürst führte in Erwiderung der Rede des Landtagspräsidenten aus, dass ihn die Kundgebung freue und sprach im Verlaufe seiner Rede insbesondere den Wunsch aus, dass recht bald in unserem Lande der Friede einkehren möge. (Wir werden die Rede seiner Durchlaucht, sobald wir den amtlichen Text erhalten, im Wortlaut veröffentlichen. Anm. d. Red.) [3] Zum Schlusse der Kundgebung im Landtage kamen noch die Photographen und ein Kinomann, um die denkwürdige Szene im Bilde festzuhalten.
Das Fürstenpaar begab sich unmittelbar nach der Erbhuldigung ins Absteigequartier zurück, wo der Landesfürst eine Reihe von Persönlichkeiten in Privataudienz empfing, [4] darunter auch den Abgeordneten [Josef] Gassner-Triesenberg als Obmann der liechtensteinischen Volkspartei.
Zur Festtafel im fürstlichen Schlosse waren sämtliche Landtagsabgeordneten und die Mitglieder der Regierung geladen und erschienen.
Schon bald nach Mittag begann der Zug des Volkes auf den historischen Platz vor dem Schlosse Vaduz. Jeder wollte womöglich dem andern zuvorkommen, um einen guten Platz zu finden, von dem aus das imposante Schauspiel des Aufmarsches des Festzuges am besten zu sehen war. Gegen 3 Uhr erschien das fürstliche Paar und nahm rechts und links vom Landesbischofe Georgius auf der errichteten Ehrentribüne Platz. Fanfarenklänge kündeten den nahenden Festzug. Die Reihenfolge des Festzuges war folgende:
- Sechs Herolde zu Pferd;
- Bannerträger mit den alten Fahnen von Montfort, Brandis, Sulz, Hohenems und Schellenberg;
- Landesfahne, flankiert von zwei Fahnen blau-rot;
- Harmoniemusik Vaduz;
- Trachtengruppe: 3 Paare in Liechtensteinischer Tracht und 2 Frauen mit Radhauben;
- Schulen:
a) weissgekleidete Mädchen aus allen Gemeinden, mit Blumen;
b) Landesschule Vaduz;
c) Sekundarschule Eschen;
d) Schule Balzers;
e) Schule Eschen;
f) Schule Gamprin;
g) Schule Mauren;
Musikverein Ruggell.
h) Schule Nendeln;
i) Schule Planken;
k) Schule Ruggell;
l) Schule Schaan;
m) Schule Schaanwald;
Musikverein Eschen.
n) Schule Schellenberg;
o) Schule Triesen;
p) Schule Triesenberg;
q) Schule Vaduz;
Die Schulen versammelten sich um 1/2 2 Uhr auf dem Vaduzer Marktplatz.
Musikverein Mauren. - Veteranen im Wagen;
- Landesbehörden, Gerichte etc.;
- Hochwürdige Geistlichkeit;
- Beamtenschaft;
- Gemeindevertretungen;
Sämtliche Mitglieder der Behörden und die Beamtenschaft versammelten sich um 1.45 Uhr beim Regierungsgebäude.
Musikverein Schaan. - Turnverein Schaan;
- Turnverein Vaduz;
- Liechtensteinischer Sängerbund;
Musikverein Triesen. - Kirchenchöre;
- Radfahrervereine;
- Gewerbliche Vereinigungen;
- Arbeitervereine;
Musikverein Schellenberg. - Jungfrauenvereine;
- Jünglingsvereine;
- Gesellenvereine;
- Feuerwehrvereine;
Musikverein Balzers. - Übriges Volk.
Besonderen Beifall fand auch die Biedermeiergruppe, welche die unter der Leitung des Herrn Lehrers Ernst Schädler-Vaduz stehende Vaduzer Theatergesellschaft zusammengestellt hatte. Sie brachte eine sehr angenehme Abwechslung in den Festzug. Ebenso wurde die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Chaise gelenkt, welche die vier Veteranen von anno sechsundsechzig auf den Festplatz brachte. Ihre Fahne hatte den Ehrenplatz vor der Fürstentribüne.
Der Festplatz bot ein überaus malerisches Bild. Aus dem einfachen, schlichten Dunkel der Männerkleidung hoben sich die bunten, farbenprächtigen Kleider der Frauen und Mädchen auf das Angenehmste ab. Aus allen Gemeinden waren die Schulkinder fast vollzählig erschienen. Es mögen an die 2000 Kinder gewesen sein, die gestern ihrem Fürstenpaar gehuldigt und zugejubelt haben. Die Kinder, ihre Freude u. Begeisterung gaben überhaupt dem gestrigen Feste seine ganz besondere Note! Man muss den Jubel und die Freude der Kleinen gesehen haben, als sie, von Lehrern und Schulschwestern an der Tribüne vorbeigeführt wurden. Der sehr schwierigen Aufgabe, den An- und Abmarsch der 2000 Kinder organisiert und, das soll gleichzeitig festgestellt sein, ganz klaglos organisiert zu haben, gebührt Herrn Oberlehrer Xaver Gassner, Vaduz, der zusammen mit den Herren Regierungssekretär Ferdinand Nigg und Lehrer Schädler die Organisation durchzuführen hatte.
Auch hier heroben sprach Präsident Pfarrer Frommelt die Festrede. Anknüpfend an einen kurzen historischen Überblick schilderte Pfarrer Frommelt die Bedeutung des Fürstengeschlechtes derer von und zu Liechtenstein für unser Land. Des kürzlich erst von uns geschiedenen Fürsten Johannes II. gedachte der Festredner in pietätvoller Weise. Gross war die Überraschung und Freude, als Pfarrer Frommelt dem versammelten Volke die Mitteilung machen konnte, dass das Fürstenpaar aus Anlass des heutigen festlichen Ereignisses einen Betrag von hunderttausend Franken gestiftet habe, dessen Zinserträgnis der Jugend von Liechtenstein künftighin zugute kommen soll. Auch dieser hochherzige Akt zeigte besser als es viele Worte zu tun vermocht hätten, dass die Zuneigung und Liebe unseres Landesfürsten und seiner Frau Gemahlin in ganz besonders hervorragender Weise unseren Kindern gilt. Ganz instinktiv fühlten das auch die Kinder. Der zweite Augustsonntag des Jahres eintausendneunhundertundneunundzwanzig wird unseren Kleinen zeitlebens in bester Erinnerung bleiben.
Begeistert stimmte die mindestens 5000 Personen zählende Versammlung in das Hoch ein, das Pfarrer Frommelt zum Schlusse seiner Rede auf das fürstliche Paar ausbrachte. Fürst Franz I. dankte dem Redner und stattete seinerseits auch seinen und seiner Gemahlin Dank an den hochwürdigsten Landesbischof Georgius Schmid von Grüneck ab. Pfarrer Frommelt brachte auf den Landesbischof ein Hoch aus.
In vorzüglicher mustergültiger Art und Weise vollzog sich der Abmarsch der Volksmassen. Grüssend zogen sie nochmals an ihrem Fürstenpaar vorüber, ihre Fahnen schwingend und ihrem Fürstenpaare zujubelnd, das unverdrossen grüsste und für die Kundgebungen dankte.
In den Wirtschaften von Vaduz herrschte ein reges Leben. In den Strassen standen Dutzende von Personenautos und Omnibussen, die nicht nur aus unserem Lande, sondern auch aus dem benachbarten Vorarlberg, aus der Schweiz und Deutschland Fremde in unser Land gebracht hatten, um diesem denkwürdigen Akte beizuwohnen.
Die schönen, erhebenden Tage der Festesfreude sind vorüber, die Pflichten des Alltags haben wiederum von uns Besitz ergriffen. Nicht vergessen aber wollen wir die schönen erhebenden Stunden, da der Landesfürst und seine Gattin mitten unter uns geweilt haben. Ihnen soll auch von dieser Stelle aus der Gruss des Liechtensteiner Volkes entboten sein, verbunden mit der Bitte, das fürstliche Paar möge noch recht lange in unserem Lande verweilen, damit Fürstenhaus und Volk in vollster Harmonie unser kleines, schönes Land einer segensreichen Zukunft entgegenführen mögen. Das ist unser Wunsch am heutigen Tag.