Lebenserinnerungen von Franziska von Hoffnaass, Band 1


LEBENSERINNERUNGEN 
= = = = = = = = = = =
von
Franziska von Hoffnaaß
soli Deo
Faschingsonntag 1888.
Seit vergangenem Jahre bin ich um ein großes Gut ärmer geworden. Meine theure Mutter ist gestorben und während sie
sonst an Sonntag Nachmittagen sich so glücklich bei mir, in diesem traulichen Gemach (das all meine Freunde unter dem
Namen "blaue Grottet" kennen und lieben, zubracht ) und wir bei Lecture und Musik auf ihr hohes Alter vergaßen, bleibt
mir jetzt von dem theuren Verkehr mit ihr nur mehr die Erinnerung. Diese aber möchte ich fest halten, ja ich möchte
sie bei aller Wahrheit so wach als möglich gestalten und deßhalb beginne ich diese Zeilen zu schreiben.
Noch wenige Jahre wird es währen und keiner der jungen Generation wird dann wissen, daß da, wo jetzt die breite Maffei
straße mit ihren prunkvollen Häusern und Magazinen steht, dereinst ein schmales Gäßchen, das Fingergäßchen, die Thea
tinerstraße mit dem Promenadenplatz verband. Wenn man von letzterem kam, bildete die linke Ecke des Fingergäßchens
und der Theatiner-Schwabingerstraße (so hieß es damals) eines der drei ältesten Häuser Münchens: ein zwei.stöckiges
mit hohem, spitzen Giebel, welches sich bis zur Hälfte des Gäßchens südwärts gelegen, hineinzog. Wo das Haus endete,
chloss sich ein großer mit prächtigen alten Kastanienbäumen besetzter Hof an und die hohe Mauer des nächsten Hauses, war
so reich mit wildem Wein bewachsen, daß - stand man auf der langen Hausflur des Hauses, welcher zu einem unter oder
vielmehr in das Gezweig des Bäume gebauten Altan führte, der Blick mit Entzücken auf diesem reichen Grün haftete.
Niemand, der jetzt durch die stattliche Maffeistraße wandelt, ahnt, welch ein Idyll hier zerstört worden und welch ein
"Unrecht" den armen Spatzen zugefügt wurde, die seit Jahr hunderten allabendlich diese Schlafstätte mit Geschrei, Streit
und Fröhlichkeit einnahmen.
In diesem eigenthümlichen Hause brachte ich den größten Theil meiner Kindheit und Jugend zu.
Mein lieber theuerer Vater war der Sohn eines königl. Forst- oder Parkmeisters in Fürstenried. Den Großvater Jaegerhuber
habe ich nie gekannt. Dessen Frau, meines lieben Vaters Mutter, soll eine jener prächtigen Bürgersfrauen gewesen sein, deren
häuslicha. Tugenden mit Frömmigkeit und klarem Verstande gepaart, der Vergangenheit mit Recht den Stempel der "guten,
alten Zeit" aufdrückten. Mein Vater, der ein sehr schöner und liebenswürdiger Knabe und Jüngling gewesen sein soll, empfing
durch die Gnade Königs Max Joseph I eine Freistelle im K.Erziehungs-Institut, das Holland'sche, nunmehr von P.P.
Benedictinern geleitet und kam später auf die Universität Landshut, wo er als flotter Isare und intimster Freund des
damals noch nicht so reich begüterten Grafen Max Arco für
- 3 -
diesen im Zweikampf eine lange, tiefe Wunde über das Kinn erhielt, die als Narbe noch mehr beitrug 
ihn in späteren Jahren für einen tapferen General in Civil halten zu machen. Mein theures Mütterlein war die Tochter des damaligen Generalsekretairs des Grafen Ministers Montgelas, Gottfried Edler von Geiger, einer Mannheimer Familie entstammend.
______________

Der vollständige transkribierte Text ist im verknüpften PDF-Dokument zugänglich.