Das Landgericht Rankweil und seine Vorläufer (römisches Provinzialgericht, frühmittelalterliches Gaugericht) war ein ausgesprochenes Zivilgericht. Sein Gerichtssprengel umfaßte ganz Rätien. Dadurch kam ihm im Mittelalter eine wichtige politische Funktion zu innerhalb des von Romanen und Germanen besiedelten Raumes: "als einigendes Band der nach Sprache, Recht und Volkstum auseinanderstrebenden Teile Rätiens." (Burmeister, Rankweil, S. 133).
Die Umgründung vom Gaugericht in ein Landgericht erfolgte im Lauf des 13. Jahrhunderts. Seine königliche Gerichtsgewalt blieb überterritorial und wirkte damit den Feudalisierungsbestrebungen unterschiedlicher Grafengeschlechter entgegen. Die Schweizer Gebiete (Bistum Chur und Abtei St. Gallen, die südlichen Teile Graubündens, die eidgenössischen und Bündner Gebiete) entzogen sich dem Landgericht, sodaß es Ende des 15. Jahrhundert zwei Drittel seines Hoheitsgebietes eingebüßt hatte. "Lediglich auf die reichsunmittelbaren Herrschaften Blumenegg, Hohenems und Liechtenstein konnten die Habsburger durch das Landgericht einen gewissen Einfluß ausüben, mußten sich aber auch manchen Widerstand gefallen lassen, der dem Ansehen des Gerichtes großen Schaden zufügte." (Burmeister, Rankweil, S. 134).
Wichtige Marksteine des Gerichts waren die Gerichtsverfassung von 1418 durch König Sigismund, die Kodifzierung des Gewohnheitsrechtes in der Verfassungsurkunde von 1579 von Erzherzog Ferdinand, die Reform durch Maria Theresia im Jahre 1750 und schließlich die durch die Bayerische Regierung verfügte Aufhebung des Landgerichts im Jahr 1806.
Trotz der weitreichenden Bedeutung des Landgerichts haben sich aus der Frühzeit nur wenige Akten erhalten. Zwischen dem 14. und dem 17. Jahrhundert sind rund 100 Gerichtsurkunden bekannt, die sich auf Streitfälle (Weide- und Alpstreitigkeiten, Streitigkeiten über Güter, Holzrechte, Wuhrungen und Steuerzugehörigkeit), auf Fälle freiwilliger Gerichtsbarkeit (Testamente, Erbverträge, Schenkungen, Vidimierungen) und auf Verfahrensfragen bezogen. Erst im 18. Jahrhundert wird durch die überlieferten Protokollbücher und Kundschaften (Zeugeneinvernahmen) das Bild konkreter und läßt sich damit die Bedeutung des Landgerichts für Liechtenstein und seine Bevölkerung genauer ermessen.
Die Regestenaufnahme erfolgte nach den Rubriken "Signatur", "Datum" und "Betreff". Die Betreffsangabe gliederte sich in die Angaben: Ort, Name des Klägers und des Beklagten mit jeweiliger Orts- und Berufsbezeichung, Sachverhalt, Urteil. Besonders ergiebig in sozialgeschichtlicher Hinsicht sind die "Kundschaften" oder Zeugenverhörsprotokolle, die Alltags-schilderungen enthalten. Die Urteile, zumeist Vorladung, Anhörung, Androhung der Acht, Verzögerungen etc. zeigen, wie lange sich ein Zivilprozeß hinziehen konnte.
Darüberhinaus werden frühe Wirtschaftsbeziehungen deutlich. Einige Themenbereiche lassen sich durch die vorliegenden Regesten behandeln:
a) zahlreiche Geldforderungsprozesse, welche durch die angeführte Höhe der Streitsumme Armut und Reichtum verdeutlichen (so 1751 09 20 in Balzers, wo es um ein Streitsumme von 3 fl ging, die aufgrund der Armut des Beklagten gestundet wurde).
b) Streitigkeiten der Gemeinden wegen Bewirtschaftung gemeinsamer Güter oder Wege. (1735 01 31 der Wegstreit zwischen Ruggell und Bangs; 1751 03 31 Streit um Streumahd zwischen Ruggell und Bangs.)
c) Die Juden in Liechtenstein in der Zeit zwischen 1745 und 1747, die des öfteren Prozesse beim Landgericht Rankweil führten.
d) Schließlich die Differenzen zwischen dem Liechtensteinischen Oberamt und dem Landgericht Rankweil (insbesondere 1721 12 18 und folgende, als der Landgerichtsgefällseinzieher von Rankweil über neun Wochen in Vaduz festgehalten wurde. Dann 1748 11 20, als dem Oberamt Verzögerungstaktik und Anzüglichkeiten vorgeworfen werden.)
e) Landammannwahl von 1738 wird am 1751 07 21 geschildert.
f) Differenzen um die Fertigstellung des Torwächterhauses bei Schloß Vaduz werden ab 1751 03 31 behandel.
g) Durch Quantifizierung der vorliegenden Daten lassen sich wertvolle sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Erkenntniss gewinnen.
Weitere Besonderheiten, die während der Erfassung vermerkt wurden:
Ehrenbeleidigungsprozess, der die Mühle in Mauren und die Kornnutzung betrifft (1771 07 15)
Buschauer Jakob von Götzis, der in Balzers in einem Prozess verwickelt ist, begegnet in einem späteren Gerichtsprotokoll in einer Verlassenschaftssache. Er hat in der Zwischenzeit die Witwe des Postmeisters in Balzers, Wolfinger, geheiratet. Seine früheren Handelsbeziehungen nach Balzers sind durch den Prozess von 1783 06 30 belegt.
Hilti Johannes als Schmied von Schaan verkauft seine Äxte in Feldkirch (1783 03 12).
Math Jakob begegnet als Schuster in Mauren (1783 03 12)
Der alte Landammann Jäger: Erbabhandlung (1783)
Neben den Berufsbezeichnungen entnimmt man aus den eingeklagten Schuldforderungen auch die Höhe der eingeforderten Kapitalien sowie die Kapitalgeber, die aus Maienfeld, Chur oder Lindau stammen.
Als Einzieher für Kapitalgeber aus Chur begegnen Johann Battliner, Schellenberg (z.B. 1791 06 06 und öfter) oder Marxer Adam, Ruggell (1791 06 09).
Sämtliche Klagseingaben beim Landgericht Rankweil von 1791 und 1792 stammen von Battliner Johann von Schellenberg als Einzieher von Planta Ursula, Malans bzw. von Battliner Johann von Gamprin als Einzieher des Herrn von Salis.
______________