Urban Mündle an seinen Cousin Konrad Meier über die Entwässerung eines Sumpfes für die Texas Company bei Charleston (South Carolina), die Gefahr durch Klapperschlangen und Alligatoren, die Vernichtung Miamis (Florida) durch einen Sturm sowie seine durchwegs schwarzen Arbeiter


Handschriftliches Originalschreiben des Urban Mündle („Mundel“), Charleston (South Carolina), an seinen Cousin Konrad Meier und Angehörige, Eschen [1]

09.10.1926, Charleston (South Carolina)

Liebe Angehörige! [2]

Das letztemal schrieb ich Euch
von Baltimore nun bin ich seit
einiger Zeit in Charleston ungefähr
1900 Meilen von New-York entfernt.
Es ist sehr schön hier aber ungeheuer
heiss [3]. Wir haben ungefähr 112 ° Fahren-
heit jeden Tag. Ich wohne ungefähr 8
Meilen von der Stadt entfernt in
einer weltigen [4] Gegend das ganze
Haus von Palmen umgeben jedoch
hat dieses auch seine Schattenseiten den
überall so bald man das Haus ver-
lässt findet man Klapperschlangen.
Diese Reptilien sind so frech, dass sie
bis an die Stiegen des Hauses kommen.
Da wo ich arbeite (wir entwässern
einen Sumpf um mehr Grund für
unsere Niederlassung zu gewinnen)
schossen die Arbeiter zwei Alligatoren
9 Fuss lang. Ich denke dass ich [5]
zu Weihnachten wieder nach hause
das heisst nach dem Norten gehe.
Zuerst glaubte ich in einigen Wochen
hier fertig zu sein. Aber die Arbeit
ist so beschwerlich dass ich wohl für
Monate hier stehen muss. Was ich
nicht sehr liebe, denn ich vertrage
dieses heisse Klima nicht sehr gut.
Es ist schön durch die Welt zu Reisen
und die Natur zu bewundern
aber am Ende komme ich zu der
Überzeugung die Heimat wo man
geboren ist, ist doch am schönsten.
Zwar werde ich nie mehr dorthin
zurückkehren um beständigen Wohn-
sitz zu nehmen, aber doch denke
ich sehr oft zurück. Ich war vor
einigen Tagen in Miami vielleicht
habt ihr in der Zeitung gelesen
von dem ungeheuren Sturm der
hier wütete. Diese Stadt wirklich bil-
det ein trostloses Bild. Menschliche Kunst
suchte dem sumpfigen Terain mehr und
mehr Boden abzugewinnen eine Stadt
stieg aus der Wildnis hervor wie mit
Zauberschlag alles nach dem Modern-
sten eingerichtet. Und alles dieses mensch-
liche Wissen und Können war in einer
Stunde vernichtet durch Sturm und
Wind. Wie machtlos stehen wir Menschen
solchen Natur Wiederigkeiten entgegen. [6]

Miami war ein sütliches Winterkurort
das heisst alle reichen Leute im Norden
gingen nach Miami um dort in
Freude und Herrlichkeit zu leben und
abzuwarten unter dem herrlichen milden
Klimas Miamis bis der Winter im
Norden vorüber ist um dann weiter
dorthin zurückzukehren. Und nun ist diese
Stadt vom Erdboden weggefegt.
Ein zweites Sodoma hat das Schicksal
erreicht.

Wie geht es Euch habt Ihr mir
Antwort auf meinem letzten Brief
gegeben?

Mir geht es sonst ziemlich gut das
meint ich füge mich in jede Lage
und suche daraus meinen besten Vor-
teil zu gewinnen, Klagen führt
zu nichts aber tatkräftiges Ar-
beiten führt zum Gelingen. [7]

Die Arbeiter welche hier für mich
Arbeiten sind durchwegs alle Neger
denn ein Weisser kann niemals die
harte Arbeit bei diesem heissen Klima
vertragen. Zudem ist auch kein Weisser
Arbeiter so leicht bekömlich da ausser-
halb der Stadt das Fieber herrscht.

Indem ich nun schliesse mit der
Hoffnung dass Euch dieser Brief in
bester Gesundheit antrifft.

Grüsst Euch alle

Urban

Schreibt an meine alte Adresse
317 Harrison Pl.
Union City N.J.
U.S.

Wie geht es Therese ich habe noch
nichts von ihr gehört. Warum?
Wollt Ihr mich auf der Landkarte auf-
suchen seht im Süden in der Nähe Florida
32°30‘ nordliche Breite. Cooper River
8 miles from Charleston.

______________

[1] LI PA Meier Guido. Brief überwiegend in Kurrentschrift, daneben in lateinischer Schrift. Briefkopf mit der Ansicht des „The Francis Marion Hotel“. Ferner Firmenlogo: „The Foor and Robinson Hotels“. Kuvert an Konrad Meier beiliegend.
[2] Unterstrichen.
[3] Ursprüngliche Fassung: „heiẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[4] Vgl. englisch „wealthy“ für wohlhabend, vermögend.
[5] Seitenwechsel.
[6] Seitenwechsel.
[7] Seitenwechsel.