Andreas Marock an Wilhelm Marock über den Familienstreit um das väterliche Haus samt den zugeschriebenen Gütern in Mauren sowie über das Erdbeben in Liechtenstein vom 18. November 1881


Handschriftliches Originalschreiben des Andreas Marock, Mauren, an seinen Bruder Wilhelm Marock in Indiana [1]

02.01.1882, Mauren

Theurer Bruder Wilhelm!

Deinen Brif vom 1. Dezembr, hab ich den 23. Dez.
mit sehr grossen [2] Freuden erhalten, noch mehr entzükt
von Freuden das wir Deine grosse Mutterliebe
sahen, Ein Herz von lauter Gütte. Lieber Wilhelm
könnte ich Dich hicher wünschen. Die Rohheit unser
zwei Brüder, gegen eine so gute Mutter [Genofeva Marock [-Meier]], und
Brüder, fermag ich nicht zu schreiben, man hänte ein
ganzen Tag mündlich zu besprechen, so Gott will
es bald bessern wird.

(Bemerkung) Das Ferdinant [Ferdinand Marock] ungefähr vor 1 ½. Jahr
das Haus, von Vater [Jakob Marock] bekham, ist Dir vileicht be-
kannt. Aber jener schlime Schwindel, den er damals
verübte, wurde uns erst leste Wohe bekant.  

I Da er zum heirathen gezwungen wurde, frug er
den Vater um das Haus an. Der Vater sagte
es mir, u. was er machen solte. Ich erwiderte
unter disen, u. jenen Bedingungen, soll er ihm
es nur geben. (Nur bedenken, dass Sie Eltern nicht
zu klagen kommen.)

II Suchte er schon den schlimsten, im Unterland zum
verschreiben auf, nämlich, Dir vileicht noch bekannt
den Martin Öhri in Eschen, als allbekanter
Betrüger. Der Vertrag wurde gemacht, da wir
Ihn lasen wurde Er von mir u. Eltern nicht
angenommen. Er lies sogleich einen zweiten
machen, der war so schlimm wie der Erste,
da wurde der Vater zornig, und sprach unter
keinen Bedingungen bekomt der mir das
Haus. [3]

Es verzogen sich etwa 14. Tage, fand er mich bei
jeder Arbeit, mehr als 10. mahl, den er bemerkte,
dass niemand, ihm mehr helfen konte als ich.
Den mein Wort gahlt beim Vater alles.
Indem er nicht mein lieblings Bruder war
den schon vor 6. Jahren musste ich mit der
ganzen Famülie, wegen seiner aus dem
Väterlichen Hause entflichen. Hate aber doch
mitleid mit Ihm, und durch mehreres be-
sprechen beim Vater bracht ich dazu, dass er
den 3.ten Vertrag anfertigen durfte.

Bemerkte ihm aber, wen er dis mahl nicht
schreiben lasse wie ich sagen, so bekümere ich
mich nicht mehr, und es wurde geschriben wie
man sagte. Nämlich wie folkt, um den Kauf-
schilling, für 14. hundert fl. [Gulden] und jedem von
den zwei jüngeren Brüdern 100 fl. zum vor-
aus, also vür 16. hundert fl. und zwar mit
dem Beding, dass er erst nach dem Ableben
der Eltern, sowohl des Mutters als des
Vaters, in Besitz eintreten könne, und [4] dass
nach dem Ableben des Vaters, die Mutter
das Haus u. Stall samt zugeschribenen Gütter
unbeschränkt Nuzgenieserin sei.

Es dauerte etliche Tage da kahm Martin
Öhri selber und laas den Vertrag nochmahls
vor, und er wurde unterfertigt vom
Vater u. 2 Zougen Jakob Keiser u. Berhard
Öhri, aber welcher – der Erstere wird
unterschriben, wis gegangen weiss ich nicht. [5]

Nun leste Woche da wir im Hause mit dem
Vorsteher [Jakob Kaiser] die Abhandlung wildkhürlich
vornehmen wolten, brachte er vor, dass
von nun an, er die zugeschribenen Gütter
nuzen werde, der Vorsterher las den
Vertrag, und es war eben so, ein Erschü-
ter durchtrang mich wie vom Blitz ge-
troffen. Ich sagte ihm das Nöthig noch, und
lief davon. Die Mutter musste 3. Tag ligen
doch wider besser. Heute sind wir nach
Vaduz gegangen, wir gingen zun Landes-
verweser [Karl Haus von Hausen], und fragten Ihn um Rath.
Wie es komt werde ich Dir geschwind wi-
der berichten. Ich werde Dir, inerhalb
2. Monaten, noch 2-3 mahl schreiben.
Es ist Abend u. schon halb zwei Uhr.

Nun bemerke ich nur noch, das wir auch
beim Asesser gewesen sind, und redeten
wegen Deiner. Er bemerkte uns, dass
wir nie eine Abhandlung pflegen können
ohne einen Vertreter vür Dich, und
diser Vertreter müsse eine Egalisierte
Volmacht, von Dir haben. Asesser setzte
Es mir zu, also schike mir so geschwind
als möglich dise Volmacht. Ich werde
Dir diesen Witter noch alles ausführlich schreiben
lass Dir in Deinen Brifen von unseren
2. Brüder nichts merken, bis die Geschichte
auseinander ist, dann wollen wir seiner
gedenken. [6]

Bis im März werde ich mein Familienbild
nebst Mutter u. Jakob [Marock] schiken. Deines hab
ich leider nicht.

Ich werde das nächstemahl besser und
ausführlicher schreiben, noch bemerke ich
dass wir seit 6 Wohen her 29. Erdbeeben
verspührt haben. Das erste war das [7]
gröste, 18. November Morgens 5 Uhr, so das
es etliche Kamienhüte herunter warf. [8]   

Schlisse mein Schreiben mit den
herzlichsten Grüssen von uns drei
Brüder und Mutter an Dich, Marie,
und Kinder.    
 
 Andreas Marock

______________

[1] US PA Delph Donna. Brief in Kurrentschrift.
[2] Ursprüngliche Fassung: „groẞen“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Durchstreichung.
[5] Seitenwechsel.
[6] Seitenwechsel.
[7] Durchstreichung.
[8] Vgl. L.Vo., Nr. 47, 25.11.1881, S. 1 („Vaduz, 18. Nov.“).