Urban Marock an seinen Onkel Wilhelm Marock über seinen bisherigen Lebenslauf, das bevorstehende Theologiestudium am Priesterseminar St. Luzi in Chur sowie seine Geldsorgen


Handschriftliches Originalschreiben des Urban Marock, Mauren, an Wilhelm Marock, Hammond (Indiana) [1]

02.09.1898, Mauren

Theurer Oheim [2]!

Es ist wohl das erstemal, lieber Vetter, dass ich Ihnen
einen Brief schreibe. Heute habe ich mich entschlossen auch
Ihnen, obwohl ich nie das Glück hatte, Sie persöhnlich kennen
zu lernen, ein mal einige Zeilen zu schreiben. Es ist schon
so lange Zeit, seitdem Sie von Ihrer lieben Heimat
abgereist sind, so dass man Ihnen nicht mehr gut mit
Neuigkeiten aufwarten kann, deshalb habe ich mich ent-
schlossen, Ihnen meinen bisherigen Lebenslauf in aller
Kürze zu schildern: Möchten Sie die Güte haben, meine
dürftigen Worte zu hören: Ich bin bereits 25 Jahre alt
und habe während diesen Jahren schon vieles mitge-
macht. Etwa 8 Jahre habe ich die Volksschule besucht. Dann
bestürmte ich meinen Eltern [Andreas Marock, Katharina Marock [-Kieber]] mit Bitten, sie möchten mich
studieren lassen. Allein das war viel gewagt, denn für
arme Eltern ist es keine kleine Aufgabe einen Sohn
studieren zu lassen. Ich konnte sie dann doch schliesslich [3] dazu
bewegen. Im Jahre 1889 besuchte ich zum ersten Mal mit
grosser Freude das k. k. Real- und Obergymnasium zu
Feldkirch. Hier hatte ich 7 Jahre mit gutem Erfolg studiert
und habe lateinisch und griechische Sprache gelernt, auch mit
Mathematik, Phisik, Chemie, Geschichte, Geographie und den [4]
verschiedenen Zweigen der Naturgeschichte habe ich mich befasst.
Da ich die letzten 2 Jahre kränklich war und ich Theologie
studieren wollte, wurde mir angerathen die Philosophie im
Kollegium „Maria Hilf“ in Schwyz zu studieren. Ich war
deshalb das letzte Jahr in Schwyz (Schweiz) als Philosoph.
Dieses Jahr ist sehr theuer gekommen (etwa 900-1000 fr) und
hat die Kräfte meines Vaters beinahe ganz erschöpft.
Ich lege auch eine beglaubigte Zeugnisabschrift vom letzten
Schuljahr bei. [5] Einerseits mit Freude, andererseits aber auch
mit einer gewissen Angst, beginne ich am 25. Oktober dieses
Jahres Theologie im Priesterseminar in Chur zu studieren.
Mit Freude, wenn mich der Gedanke beseelt, dass ich nach 3 Jahren
mit Gottes Hilfe und Beistand, Gott dem Herrn mein
erstes heiliges Messopfer darbringen und nachher zur Ehre
Gottes und zum Wohle der Menschheit wirken kann.
Aber auch mit Angst, wenn mir der schreckliche Gedanke
kommt, dass mir vielleicht die Geldmittel nicht mehr aus-
reichen, um meine Studien vollenden zu können. Doch ich
habe grosses Vertrauen zu Gott, der mich nicht verlassen
wird.

Das ist mein, theurer Vetter, in Kürze mein bisheriger
Lebenslauf. Neuigkeiten habe ich Ihnen nicht gerade
viel zu schreiben. Ihre Mutter [Genofeva Marock [-Meier]] ist, wie Sie vielleicht
schon wissen, bei meinen Eltern, nicht mehr bei ihrem 
Bruder Jakob [Marock]. Ihre Mutter, meine Eltern, sowie
alle Ihrer Verwandten sind Gott sei Dank gesund,
was wir auch von Ihnen und Ihrer Familie hoffen. [6]

Entschuldigen Sie also, lieber Vetter, wenn ich dieses
Schreiben heute an Sie richte und ich schliesse mit
der Bitte, Sie möchten auch mir noch einmal vor
25. Oktober schreiben.

Es grüsst Sie
achtungsvollst

Ihr Vetter Urban Marock
stud. phil.

Grüsse von Ihrer Mutter, meinen Eltern, Verwandten
und Bekannten.

______________

[1] US PA Donna Delph. Brief in Kurrentschrift.
[2] In lateinischer Schrift. Auf weitere einschlägige Fussnoten wird verzichtet.
[3] Ursprüngliche Fassung: „schlieẞlich“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[4] Seitenwechsel.
[5] Liegt nicht mehr bei.
[6] Seitenwechsel.