Alois Rheinberger an Emma Rheinberger über seine schwindenden Kräfte und seine Pflegebedürftigkeit, die Besuche seiner Angehörigen, eine Fotografie vom Staudamm in Keokuk, die Zusendung des Liechtensteiner Volksblattes sowie die Witterung in Nauvoo seit dem Sommer


Handschriftliches Originalschreiben des Alois Rheinberger, Nauvoo (Illinois), an Emma Rheinberger [1]

22.12.1912, Nauvoo (Illinois)

Fräulein Emma Rhbrgr. [2]

Lieb Emma!

Abwechselnd kränklich und
krank seit Frühjahr, scheinen
meiner Tage nicht mehr viele
zu sein. Ich kann mich vielleicht
noch für kurze Zeit noch ein
wenig erholen, aber ich fühle,
wie meine Kraft seit Einem Jahr
schwindet. Ich scheide gerne
und im Frieden mit aller Welt,
mit Dank erfülltem Herzen
für Gottes Führung durch 86 Jahre.
Ich scheide ohne Sorge für meine
Famielie, die zum Teil schon in der
Ewigkeit sicher ruht in Gottes Hand
zum Teil noch hier, in guter Gesundheit
guten Verhältnissen [3], umgeben von
gesunden Kindern und mit [4]
[5] christlicher
Gesinnung, ihr Dasein mit
Gottes Hilfe fortführt.
11 Jahre war ich ganz allein und
hatte es recht schön. Seit November
aber bin ich Hilfe bedürftig, und
der gute Gott fügte es so nett,
dass der Tochtermann meiner Josepha [Josefa Rheinberger]
/: der Frau Massberg :/, anfangs Novbr
sich wieder verheiratete, und die Sepha
mit ihrer Tochter Maria, zu mir
kam, und so habe ich zuletzt
vertraute und zuverlässige Hilfe.
Den Kleinsten der Kinder, das Bübchen
brachte sie mit. Er ist ganz der
Grossmamma [Margarethe Rheinberger [-Brasser]] Kind, stark und gesund,
die grösseren müssen sich an die
neue Frau angewöhnen.

Für Einen Tag besuchte mich mein
Franz [Rheinberger] von New Jork, [6] um
zu sechen, wie es mit mir steht. [7]
Am anderen Tage wieder zurük.
Ein solcher Besuch kostet immer
200 Dollar. Anfangs November
sandte ich Ihnen eine Photogr. dess
Staudammes bei Keokuk. Man erwartet
seine Vollendung im May nächsten
Jahres und rechnet statt 10 –
20 Millionen Dollars Kosten.
Die Anna, die gerade hier war,
verpackte und brachte zur Post das
Paquet; den ich war damals nicht fähig.

Nehmen Sie meinen Dank für
Ihre Freundlichkeit, und Ihr Zusendungen
die ich alle aufbewahrte und wovon
mir die Zeitung [8], die Sie mir so lange
zusandten, als wöchentlicher, lieber
Bote aus der Heimat wert geworden.

Empfangen Sie auch meine aufrichtigsten
und besten Wünsche, für Ihr und der lieb
Ihrigen ferneres Wohlergehen, auch der
Bertha [Schauer] und Ihren Schwester letzten Gruss
und Segen

A. Rheinberger [9]

Ein schönerer Herbst ist nie gewesen.
Der Sommer bei uns vorherrschend
trocken. October, November, Deccember
fast immer sonnig trocken und
mild. Die grösste Erndte
die Amerika noch zu verzeichnen
hatte. Dennoch immer kleineres
Brod.

Halten Sie mich in freund-
lichem Gedächtniss.

Das Ende komt –
Es komt das Ende –
bitte!
dass es sich zum guten wende.

A. Rheinberger

______________

[1] LI LA AFRh Ha 17/20. Brief in Kurrentschrift.
[2] Die Personen- und Ortsnamen, Monatsnamen und Fremdwörter, für die Alois Rheinberger die lateinische Schrift verwendete, werden im Editionstext kursiv gesetzt. Auf weitere einschlägige Fussnoten wird verzichtet.
[3] Ursprüngliche Fassung: „Verhältniẞen“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[4] Seitenwechsel.
[5] Durchstreichung.
[6] Durchstreichung.
[7] Seitenwechsel.
[8] Liechtensteiner Volksblatt.
[9] Seitenwechsel.