Alois Rheinberger an Emma Rheinberger über die Zusendung von Ansichten von Seattle und Quincy sowie der Fotografie eines Mormonenpropheten, ferner über den Besuch von Verwandten in Nauvoo und die dortigen Staubstürme


Handschriftliches Originalschreiben des Alois Rheinberger, Nauvoo (Illinois), an Emma Rheinberger, Vaduz [1]

08.09.1908, Nauvoo (Illinois)

Fräulein Emma Rhbrgr. [2]

Ihre Karten vom 30t May [3] und 15 July [4],
letztere nach nur 10 tägiger Reise, erhalten
und danke, dass [5] Sie sich meiner erinnert.

Hoffend, dass Fräulein Ursula Hemmi [6] von ihren
Verletzungen inzwischen sich erholt habe, melden
Sie ihr bei Gelegenheit mein Bedauern und meine
besten Wünsche. Ich sende Ihnen heute eine
Ansicht von der Stadt Seatle [7] am stillen Meer,
umgeben von den Schiffen unserer glorreichen
Kriegs-Flotte auf ihrer Spazierfahrt um die Welt.

Ferner eine Ansicht der Umgebung von Lewiston [8]
im Staate Idaho [9], der Heimat meiner Tochter Maria [10],
der Frau Blake [11]. Wunderbar mutet es einen an
bei Betrachtung dieser Städte und Umgebungen mit
Obstbäumen aller Art, grossen Weinbergen und
unabsechbaren Weizen Feldern, die vor 50 Jahren noch
Jagd-Gründe der Indianer waren. An sich dürre
und unfruchtbare Ländereien, sind in den letzten
25 Jahren Millionen Akers [12] [13], unter künstliche Bewässerung
gesetzt worden, wodurch die Nährstoffe dess Bodens
gelöst und befächigt wurden, reiche Erndten zu liefern.
Der Acker kostet 3 ½ bis 4 Thaler für die Bewässerung
pr Jahr. [14]  

Die Luft ist sehr trocken, von Merz [15] bis September [16]
nur selten ein wenig Regen. Die Winter
mild, so dass die Schiffe ihre Fahrten ungestört
fortsetzen, und die Leute bei offenem Fenster schlafen.

Belästigend sind die Sand-Stürme, die
zuweilen mit grosser Heftigkeit auftreten und
eine, Ein Zoll dicke Schicht feinen Sandes in die geschlossenen
Häuser tragen. Ferner sende ich Ihnen eine
Photogr. [17] dess unlängst gestorbenen Propheten [18] und
Haupt aller Mormonen [19] [20] und seiner 21 traurenden
Frauen. Denken Sie sich den Schmerz dieser 21 – zum
Trost bleiben ihnen, wie ich gehört, 45 Kinder!

Seit 14 Tagen bin ich wieder allein.
Im May [21] kam die Maria [22] und blieb bis Ende July [23].
Mitte Juli [24] kam auch ihr Mann, Heinrich Blake [25]
auch ein Kind Nauvoos [26], und freute sich noch einmal
seiner ersten Heimath. Und dan kam auch die
Anna [27] mit Man und Töchterchen, und das brachte
Leben in mein stilles Haus. Am 30t Juli [28] reiseten
die Ersten wieder ab, und mit ihnen auch die Maria
Massberg
[29], meiner Sepha [Josefa Rheinberger] Tochter, ein sehr gutes Mädchen
von etwas schwächlicher Gesundheit, erhoffen wir in
diesem ganz verschiedenen Klima, Stärkung für Sie.
Die Veränderung für sie, die nur daheim und in Gesell-
schaft der Mutter war, ist unerwartet und gross. Unerhofft
rollt sich vor ihren bewundernden Augen ein Stück
Amerikas [30] von mehr als 3000 Meilen mit stolzen
Städten, gesegneten Landschaften und trostlosen Wildnissen
auf. [31]
Sie reisten über Chicago, St. Paul, Nord Dakota [32]
und Canada [33] der Heimat zu. 8 Tage später
giengen auch die von Quincy [34] wieder heim.

Jetzt bin ich fast ein wenig verwöhnt.

Heute erhielten wir Nachricht von glücklicher Heimkehr
Aller. Witterung. Bis mitte July [35] jeden
Monat [36] zwischen dem letzten und ersten Viertel
bewölkten Himmel, Regen und Sturm, kühl und
kalt, seither trocken und heiss zwischen 90 und 100.
Die Reben sechen jetzt recht gesund aus, und eine
mittlere Erndt mag noch erfolgen, nur die früchen
Trauben giengen bei nassem und kaltem Wetter
während der Blüte ab.

Bis heute bin ich so gesund, als
es meine vielen Jahre erlauben.

Darf ich dasselbe auch von Ihnen hoffen,
oder müssen Sie noch einmal in den Schnee hinauf?

Empfangen Sie meine herzlichsten Grüsse und
besten Wünsche für Sie und Ihre lieben Geschwister.

Und halten Sie mich in freundlichem
Andenken.

A. Rheinberger [37]

Am 10t die Maria Massberg [38]
berichtet heute, dass sie den ersten
Staubsturm ertragen und
2 ächte Indianer [39] gesechen habe.

______________

[1] LI LA AFRh Ha 17/11. Brief in Kurrentschrift. Kuvert liegt bei.  
[2] In lateinischer Schrift.
[3] In lateinischer Schrift.
[4] In lateinischer Schrift.
[5] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[6] In lateinischer Schrift.
[7] In lateinischer Schrift.
[8] In lateinischer Schrift.
[9] In lateinischer Schrift.  
[10] In lateinischer Schrift.
[11] In lateinischer Schrift.
[12] In lateinischer Schrift.
[13] 1 acre: 0,4047 Hektar.
[14] Seitenwechsel.
[15] In lateinischer Schrift.
[16] In lateinischer Schrift.
[17] In lateinischer Schrift.
[18] In lateinischer Schrift.
[19] In lateinischer Schrift.
[20] Möglicherweise der Mormonen-Prophet Lorenzo Snow, der allerdings bereits 1901 verstarb.
[21] In lateinischer Schrift.
[22] In lateinischer Schrift.
[23] In lateinischer Schrift.
[24] In lateinischer Schrift.
[25] In lateinischer Schrift.
[26] In lateinischer Schrift.
[27] In lateinischer Schrift.
[28] In lateinischer Schrift.
[29] In lateinischer Schrift.
[30] In lateinischer Schrift.
[31] Seitenwechsel.
[32] In lateinischer Schrift.
[33] In lateinischer Schrift.
[34] In lateinischer Schrift.
[35] In lateinischer Schrift.
[36] In lateinischer Schrift.
[37] In lateinischer Schrift.
[38] In lateinischer Schrift.
[39] In lateinischer Schrift.