Handschriftliches Originalschreiben von Alois Biedermann, Soledad (Kalifornien) an die Familie Ulrich Öhri, Spencer (Nebraska) [1]
18.12.1931, Soledad (Kalifornien)
Liebe Famili Ohri!
Ich komme nun endlich noch einem
Jahr auch wieder dazu Euch Lieben
einen Brief zu shreiben. Ich bin
gesund u. geht so ziemlich gut im
Verhältnis zur heutigen Zeit.
ich hoffe nun dass [2] Ihr Lieben
Alle auch gesund seid u. es Euch recht
gut geht. Ich hoffe Ihr werdet mir
verzeihen dass ich Euch so lange
nicht geshrieben habe
Ich bin nämlich ein traurig
fauler Shreiber geworden. [3]
Aber Ihr könt Euch shon vorstellen
wie das Schreiben geht wen man am
Morgen immer so früh aufstehen
muss. Ich habe dieses Jahr kaum
oder sehr wenig meinen Eltern [4] geshrieben
u. hie u. da noch meinem Liebes Püpchen
Also gegenwärtig sind die Zeiten hier
in California so shlecht kaum zum
glauben u. wie man hört ist es in
allen Staten so. Hier sind gegenwärtig
viele Dairyfarmers [5] welche gar nichts mehr
haben, also sind auf der Strasse wie
Bettler die Bank hat Ihnen alles
weggenommen u. im immer gehen noch
mehr u. mehr diesem traurigen
Schicksal entgegen.
Diese Leute können sich selber gar [6]
nicht mehr helfen, den das Vieh
u. die Milk u. überhaupt alle
Produkte die Farmer hat sind ja
nichts mehr wert u. so bekommen
diese Farmer auch keinen Kredit mehr
u. es ist jetzt noch keine Aussicht auf
bessere Zeiten. Ich bin letztes Jahr
noch glücklich gewesen dass ich noch
eine so gute Stelle bekommen habe,
den jetzt sind überall unglaublich
viel Arbeitslose, sehr viele laufen
der Strasse entlang von einer Stadt zur
andern u. fragen an jedem Auto für
ein Reit [7]. Auch sind hier noch sehr viele
Mexikaner ganze Familien Diese leben
nur in Zelten u. wen sie an einen
andern Ort gehen legen sie Ihr Zelt zusammen
u. nehmen es auf Ihr altes Auto
Die meisten tun nur Bohnen pflüken. [8]
Und wie sind die Zeiten in Nebraska
ich denke es wird halt auch nicht mehr
sein wie früher.
Wundert mich wie die Kornernte wahr
dieses Jahr. war es auch so troken wie
hier. Ich denke Ihr meine Lieben
Ihr habt doch noch eine ziemlich gute
Ernte gehabt, Ihr habt wenigstens noch
gutes Land. Aber ich denke das Vieh
u. die Schweine bringen halt jetzt auch
keine so grossen Preise u. wie geht’s
der Mali [Amalia Öhri [-Heeb]] u. Famili. ist Silvan [Heeb] jetzt
nach Europa. Ich habe gehört Alban [Heeb] sei shon
längere Zeit heim, u. Silvan gehe zu Weihnachten
heim. u. in Ruggell sprechen scheints die Leute
immer Alois B. komme auch heim von Calif. Aber wen
Alois immer gesund ist so bleibt er wenigstens
noch ein Jahr in Calif. [9] meistens bleiben halt
solche länger in der Fremde welche sagen sie kom bald wieder
u. solche die daheim immer sagen sie kommen nicht mehr
die gehen zuerst heim. Aber lasset niemand diesen Brief
sehen.
Ich hoffe Ihr werdet mir auch sobald als möglichst shreiben
recht viele Neuigkeiten u. wie es Silvan
u. Alban gegangen ist. [10]
So bald ich
gute Gelegenheit habe
so werde ich Euch
etwas shicken für das was
Ihr mir geshickt. [11]
Ist Pea [12] zu Hause wen Sie fort ist so shreibet Ihr Ich sende Ihr die besten Grüsse
u. fröhliche Weihnacht
u. glückliches Neu Jahr. [13]
Lebet Wohl [14]
Aufs Wiedersehn. Also die besten Grüsse sendet Euch Allen Alois Biedermann [15]
Wen ich nächstes Jahr
heim gehe so werde
ich dann sicher
noch zu Euch kommen. [16]
______________
[1] LI LA PA 016/3/02/07.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Josef Biedermann und Katharina Biedermann [-Büchel].
[5] Vgl. englisch „Dairy farm“ für Milchviehbetrieb.
[6] Seitenwechsel.
[7] Englisch „ride“ für Mitfahrgelegenheit.
[8] Seitenwechsel.
[9] Alois Biedermann kehrte erst 1934 aus den USA zurück.
[10] Nachträglich am Rand der ersten Seite hinzugefügt.
[11] Nachträglich am Rand der ersten Seite hinzugefügt.
[12] Beatrice Öhri, die Tochter des Ulrich Öhri.
[13] Am Rand der zweiten Seite hinzugefügt.
[14] Am Rand der zweiten Seite hinzugefügt.
[15] Am Rand der dritten Seite hinzugefügt.
[16] Am Rand der dritten Seite hinzugefügt.