Kaiser Karl VI. befiehlt den aufrührerischen Untertanen von Schaan, Vaduz, Triesen und Balzers unter Strafandrohungen auf, die von den Grafen von Hohenems um einen "Spottpreis" widerrechtlich an die Untertanen verkauften Güter und Rechte dem neuen Landesherrn Anton Florian von Liechtenstein zurückzugeben und dem diesbezüglichen kaiserlichen Mandat vom 15. Juli 1718 endlich nachzukommen.


Wir, Karl der Sechste, von Gottes Gnaden erwöhlter Römischer Kayser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, in Germanien, zu Hispanien, Hungarn, Böheim, Dalmatien, Kroatien, Sclavonien etc. König, Ertz-Hertzog zu Österreich, Hertzog zu Burgund, Steyer, Kärnten, Crain und Würtemberg, Graf zu Habspurg, Flandern, Tyrol und Görtz etc.

Fügen denen Unterthanen des Fürstentums Lichtenstein insgesamt, besonders aber denen zu Vadutz, Schaan, Trysen, Baltzers und Klein-Mölẞ Eingesessenen durch diesen Unseren offenen Kayserlichen Brief oder dessen glaubwürdige Abschrift, der Wir nicht weniger als dem Original selbsten vollkommenen Glauben zugestellet haben wollen, anderweit zu wissen was massen Uns der Hochgeborne Unser Oheim Fürst und Lieber Getreuer Anton Florian, Regierer des Hauses Lichtenstein von Nicolspurg etc. mehrmalen klagend zu vernehmen gegeben, welcher gestalten sich zwar in alle Wege gebühret hätte, daẞ ihr sammentliche Unterthanen des Fürstentums Lichtenstein Unserm sub Dato 15. Julii 1718 erlassenen Kayserlichen Mandato de restituendis bonis dominalibus nulliter alienatis[1] zu gehorsamster Folge alle und jede widerrechtlich und nichtiglich an-erkaufte Corpora und Appertinentien [2], Güter, Stück, Gefäll und Vorrechte zu Seiner des Fürsten zu Lichtenstein Lbdn. als euren nunmehrigen Landes-Herren Händen unweigerlich abtretten sollen; So hätte sich doch darinnen das Gegentheil dergestalten geäussert, dass ausser dreyen Privat-Personen (nemlich dem Baumhauer Peter Waltzer und Florian Wolffen, welche dergleichen Güter in Besitz gehabt und gutwillig abgetretten) sich niemand zu weiterer Restitution verstehen oder in Güte etwas abtretten wollen, allermassen dann, als sich bey gepflogenenr Inquisition ergeben, daẞ ihr Gemeinde zu Schaan und Vadutz oder nunmehro also nennender Marck Lichtenstein von dem Grafen Hannibal von Hohen-Ems noch neuerlich und allererst Anno 1705 die schöne, oben an die Trysener Gemeine stossende Aue wie auch ein Allmand ob Pardell genannt, sodann weiter für einen jeden Inwohner zu Schaan und Vadutz hundert Klafter anderwertigen Platzes um ein Spott-Geld an euch erkauffet und dieselbe zu Acker, Wies-Wachs und Wein-Gärten geleget, nicht weniger eben ihr Vadutzer die gegen Trysen gehende Land-Strasse etlich hundert Ruhten lang und breit Zeit wehrender Administration [3] eigen-mächtig an euch gezogen, dieselbe hernach zu euren Gütern eingezaunet und untereinander getheilet; Und da man euch kurtz hernach nur allein die Restitution und gütliche Abtrettung besagter Aue zugemuthet, ihr sogleich eurer bösen Gewohnheit nach einen Complot mit einander gemacht, die Abtrettung besagter Aue vor der Faust [4] abgeschlagen und alle für einen Mann zu stehen declariret hättet: Zu deme noch bey weiterer auf die Herrschaftliche Domanial-Güter gepflogener Nachforschung sich ergeben, daẞ auch anderwerts in dem Fürstlich-Lichtensteinischen Territorio, in specie aber zu Baltzers und Klein-Mölẞ, sich dergleichen alienirte Güter, so die Grafen Hannibal und sein Sohn der jetzige Graf von Hohen-Ems um ein geringes Geld verkauffet und ihr Unterthanen daraus die schönste Acker und Wein-Gärten gemacht, befinden thäten. - Alldieweilen aber jedoch diese gesamte Güter so schlechter Dingen hinweg zu lassen weder bey der Posterität [5] verantwortlich noch bey denen in vorigen Administrationen sehr geschwächten Cameral-Einkünften [6] erträglich fallen wolle, so hätten Seiner des Fürsten zu Lichtenstein Lbdn. nicht umhin gekönnet in seiner zu Eingang des 1719ten Jahrs dahin gesandten General-Instruction dem alldortigen Ober-Amt gemessen anzubefehlen, daẞ sie diesen Platz obgedacht Unserm Kayserl. Allergnädigsten Mandato zu folge ohne einige weitere wider-Rede an sich ziehen und dem Herrschaftlichen Mayr-Hof incorporiren sollen mit der jedoch geschehenen Oblation [7], denen Kauffern ihr dem Grafen Hannibal von Hohen-Ems geschossenes Geld gegen ordentlicher Quittung und Cession ihres dessentwegen wider obgedachten Grafen habenden Regressus nicht nur allein zu refundiren, sondern auch falls sie anderwerts einige Plätz ausstechen wolten, selbige ihnen auf Herrschaftlichem Grund und Boden auf einige Jahr in Fürstlichen Gnaden zugehen zu lassen; Es hätte aber diese überflüssige Fürstliche Gnade eure zum Ungehorsam ohnedem inclinirende Gemüter sogar nicht zu recht bringen können, daẞ vielmehr, als diese Fürstliche Resolution euch den 15. May vorigen Jahrs von dem Fürstlichen Ober-Amt gebührend publiciret und ihr zur gütlichen Abtrettung nochmalen erinnert worden, danach bey euch nichts ausgerichtet werden können, sondern vielmehr gefolgten Tags von euch eine grosse Anzahl, welche drey Land-Ammänner und Gerichts-Personen angeführt, vor dem Fürstlichen Ober-Amt erschienen und daselbst rund heraus sich erkläret, daẞ sie ein für allemal in ihrer Possession verbleiben und ehender weiẞ nicht was anfangen als sich davon vertreiben lassen wolten, darüber dann der Fürstliche Verwalter nicht anderst gekönnt als den darauf gefolgten 19. May sich mit einem Zimmer-Mann, zweyen Jägern und zweyen Schlos-Guardi-Knechten in das quaestionirte Gut zu begeben, daselbsten den zerrissenen Zaun ausbessern und das darinnen weidende Viehe austreiben und beede darein gehende Einfahrten vergraben und verhauen zu lassen; er seye aber kaum damit fertig und wieder nacher Haus kommen so waren von euch Beklagten in die fünf und zwantzig so Manns- als Weibs-Personen aus dem Marck heraus und in obgedachtes Neugereut eingebrochen, daselbsten alles von dem V[erwal]ter gemachte und verhackte wiederum aufgerissen, auch gleich darauf zum A[ufruhr] der Anfang gemacht und euch ungescheuet verlauten lassen, ehe und bevor ihr von dieser Possession abweichetet, woltet ihr sammentlich Klein und Groẞ mit Ober- und Unter-Gewehr auf das Herrschaftliche Residenz-Schloss kommen und das jenige, was ihr gehuldiget, revociren da dann das Fürstliche Ober-Amt folgenden Tags die Aufrührer vor sich citirt und sie über diese Gewalt-Thätigkeiten und unverantwortliche Aufführung constituiret, dardurch aber weiter nichts ausgerichtet, als daẞ ihr eure vest beschlossene Halsstärrigkeit unter dem Deck-Mantel eurer alten sogenannten Recht- und Gerechtigkeiten verhüllen woltet und zugleich die Widersetzlichkeit ad Protocollum declariret hättet, wobey dannoch Se. Lbdn. die Güte der Schärfe nochmalen vordringen lassen und Kraft eines dahin erlassenen Befehls euch Ungehorsame mittels Remonstration [8] alles diensamen und im Fall continuirender Widersetzlickeit an-Dictirung einer Straf von zehen Reichs-Thaler anbefohlen dahin zu trachten, euch in die Schrancken eurer Schuldigkeit zu bringen, es hätte aber auch dieses das wenigste nicht gefrüchet, sondern es hätten vielmehr die Fürstl. Beamte, weilen vornemlich kurtz hernach ihr gantze Trysener Gemeinde aufrührisch worden und mittels Stürmung der Glocken und bewafneter Ausruckung der gantzen Burgerschaft den Fürstl. Verwalter von dem Noval-Zehend-Einzug abgetrieben, die gantze Sache auf sich beruhen lassen müssen, bis und daẞ vor kurtzer Zeit Se. Lbdn. denen Beamten wiederholter malen anbefohlen, euch gantze Gemeinde, Mann vor Mann, darüber zu vernehmen, solches aber eben so wenig als die vorig. angewandte Mühe und viele Ermahnungen ausgegeben, sondern ihr vielmehr euere beständige Negativam nochmalen so mündlich als schriftlich an den Tag geleget hättet:

Wann nun aber diese strittige, von euch Unterthanen ausgereutete und zu Acker und Wiesen wie auch Wein-Gärten gelegte Auen und Waldungen eines regierenden Landes-Herrn un-disputirliches Eigentum, ja selbiger Orten in der Au schon vor alten Zeiten und ad immemoriali tempore[9] Herrschaftliche  Wiesen, die ihr von Schaan und Vadutz zu zaunen, zu mähen, heuen und Heu zu führen schuldig gewesen seyet, sich befunden, solche aber hernach allein vel injuria temporum vel negligentia possessorum[10]mit Buschwerck verwachsen und zur Oednung worden, derentwegen auch solche Unsere zu Verkauffung damaliger Grafschaft und nunmehrigen Fürstentums Lichtenstein deputirt geweste Reichs-Hof-Räthe specifice in Anschlag gebracht und Weiland Hanns Adam Fürsten zu Lichtenstein Lbdn. mit verkauft, ein solches auch von Uns selbsten Allergnädigst approbirt und derowegen dem Fürstl. Hause Lichtenstein die Eviction solenniter[11] versprochen, denen Grafen Hannibal und seinem Sohn aber durante Administratione Caesarea[12] solche an euch zu alieniren nicht gebühret und solches alles auch in dem euch Unterthanen bey der Huldigung verkündeten Unserm Kayserl. Mandato cassirt und der Lands-Herrschaft zu restituiren allbereits anbefohlen worden, ihr dannoch mit euren so muthwilligen und höchst strafbaren obgedachter massen bezeugten Widersetzlichkeit die euch in Casum inobedientiae [13] an-dictirte Strafe der zehen Reichs-Thaler gar wol verwürcket und darauf Rechtlichen zu beharren stunde; Als bitteten Uns Se. das Fürstens zu Lichtenstein Lbdn. unterthänigst, Wir zuforderist auf die angezeigte, euch boshaften Contravenienten [14] andictirte Straffen der zehen Rthr allergerechtist zu beharren, sodann das obige, allbereit erkannte und euch bey der Huldigung verkündete Mandatum de restituendis bonis domanialibus in arctioribus & severioribus terminis[15] an euch gesamte, besonders aber die zu Vadutz, Schaan, Trysen, Baltzers und Klein-Mölẞ, nochmals zu erneuern und euch darin zu eurer Schuldigkeit anweisen zu lassen Gnädigst geruhen wolten, immassen dann auch auf sothanes Sr. des Fürsten zu Lichtenstein Lbdn. in Rechten und der Billigkeit auch Unserm bereits erlassenen Kayserl. Befehl gegründetes Bitten sothanes gebettene Mandatum de restituendis bonis domanialibus in patenti forma um hierinfalls Unsern vorigen Kayserl. Befehl vom 15. Juli 1718 unfehlbare Folge zu leisten, euch auch von aller Aufruhr und Thätlichkeiten zu enthalten, sondern als gehorsame Unterthanen gegen ihren Landes-Fürsten in allem zu bezeugen unter zehen Reichs-Thaler gegen jedweden ins besondere auch befindlichen Dingen nach Leib- und Lebens-Strafe heute Dato zu recht erkannt worden.

Gebieten demnach euch sämtlichen Unterthanen des Fürstentums Lichtenstein, besonders aber euch zu Vadutz, Trysen, Baltzers und Klein-Mölẞ Eingesessenen, nochmals bey hoher Kayserl. Ungnade und willkührlicher Straf hiermit ferner-weit ernstlich und wollen, daẞ ihr alle und jede zu dem Fürstentum Lichtenstein gehörige, von euch ungiltig erkaufte oder sonsten wider-Rechtlich entzogene Domanial-Güeter, Stücke, Gefälle und Vor-Rechte Ihrer Lbdn. als eurem Landes-Fürsten alsogleich ohne einzigen Verzug und wider–Rede Unserm vorigen Kays. Befehl vom 15. Julii 1718 zu gehorsamster und unfehlbarer Folge restituiret, zurückstellet und von Handen lasset euch auch bey Pön von zehen Rthlr. gegen jedwedern, inbesonders auch befindlichen Dingen nach Leib- und Lebens-Strafe von aller Aufruhr und Thätlichkeiten enthaltet, sondern als gehorsame Unterthanen gegen euren Landes-Fürsten in allen schuldigst und gebührend bezeuget und aufführet. - An deme beschiehet Unser mehrmaliger Gnädigst und ernstlicher Willen und Meinung. Geben in Unserer Kayserl. Haupt- und Residenz-Stadt Wienn den 27. Monats-Tag Julii im Siebenzehenhundert und Zwantzigsten Unserer Reiche des Römischen im Neunten deren Hispanischen im Siebenzehenden deren Hungarisch- und Böheimischen  aber im Zehenden Jahre.

Karl

Vt. Friderich Karl Graf von Schönborn V.W.

Ad Mandautm Sac. Caes. & Cathol.

Majestatis proprius
Frantz Wilderich von Menshengen

Daß vorstehender abdruck mit dem wahren original mandat collationirt und demselben gleichlautend befunden worden, wirdt nebst beygedruckten kayserlichen secret insigel hiemit bezeüget, Wien, den 26. aug(ust) 1720.

Jodoc Pein, manu propria,
kay[serlicher] r[e]i[chshof canzley vice registrator

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[1] Mandat über die Rückgabe der Domänengüter, von denen nichts veräussert/entfremdet werden durfte.
[2] Appertinenzien: Zubehör; zu einem Gegenstand, bes. zu einem Grundstück, gehörende, aber nicht mit diesem verbundene Teile.
[3] Während der Zwangsadministration durch Fürstabt Rupert von Bodman.
[4] Wörterbuch der Brüder Grimm: 'vor der faust' so viel als im kampf.
[5] Posterität: Nachkommenschaft.
[6] Cameral-Einkünfte: Landesherrliche Einkünfte.
[7] Oblation: Anerbieten.
[8] Remonstration: Erwiderung durch die Darlegung einer anderen Sichtweise (Deutsches Rechtswörterbuch).
[9] Seit uralter Zeit.
[10] Durch Unrecht der Zeiten oder Vernachlässigung durch die Besitzer.
[11] Eviction sollenniter: feierliche Eviktion, d.h. Entzug einer Sache durch Geltendmachung eines dinglichen Rechts.
[12] Während der kaiserlichen Zwangsverwaltung.
[13] Im Falle des Ungehorsams.
[14] Kontravenient: jemand, der einer Verordnung oder eine Abmachung zuwiderhandelt.
[15] Mandat über die Rückgabe der Domänengüter bis zu einer bestimmten Zeit.