Zeitungsbericht, nicht gez. [1]
22.1.1926
Aus der Nachbarschaft.
Liechtenstein. (Korr.) In den letzten Jahren haben sich in Liechtenstein viele auswärtige Industrielle eingebürgert. Die Einbürgerung in Liechtenstein ist eine etwas kostspielige Sache. Der Neubürger muss an die Gemeinde, in der er sich einbürgern will, eine bedeutende Summe bezahlen. So sind von einem einzigen Neubürger, der sich in der Gemeinde Ruggell einbürgerte, an 18‘000 Franken bezahlt worden. Zudem muss jeder Bürgerrechtskandidat mit der Steuerverwaltung auf mindesten fünf Jahre eine Abmachung treffen, wonach er seiner Gemeinde eine jährliche Steuer bezahlt. Auch der Staat will sein Scherflein davon haben. Ein Drittel der Einbürgerungssumme, z.B. von den erwähnten 18‘000 Fr., also 6000 Fr., muss der Neubürger für die Aufnahme in den Staatsbürgerverband schwitzen. Besagte Einbürgerung kam an Leistungen für Staat und Gemeinde auf 54‘000 Fr. An die Aufnahme in den Staatsverband wird die Forderung geknüpft, dass der Neubürger eine seinen Vermögenverhältnissen entsprechende Summe Geldes in Form von Pfandbriefen bei der Spar- und Leihkasse des Landes anlegt. Die meisten Einbürgerungen hat die Gemeinde Ruggell vorgenommen. Damit konnte diese Gemeinde ihre nicht rosigen Finanzen ordnen und hat jetzt zudem eine schöne Summe auf die Seite gelegt, die sie zum Bau einer Rheinbrücke verwenden will. Aber auch ausser der Einbürgerungssumme hat die Gemeinde von den Einbürgerungen schöne finanzielle Vorteile. Jeder Neubürger liess einige hundert Franken an den Armenfonds fliessen, und auch die Vereine haben von den Neubürgern schöne Geschenke in bar erhalten. Nicht vergessen darf man allerdings, dass die Neubürger durch den Erwerb des liechtensteinischen Bürgerrechtes auch für sich viel gewonnen haben. Die meisten „Neu“-Liechtensteiner sind Industrielle aus den besetzten Gebieten. Dort geniessen sie durch das liechtensteinische Bürgerrecht die Vorteile der Angehörigen neutraler Staaten. Erwähnt sei, dass einige Neubürger in Vaduz sehr schöne Villen erbauten und nun jährlich einige Wochen in ihrer neuen Heimat verbringen.
______________
[1] Neue Bündner Zeitung 22.1.1926 (LI LA SgZs 1926).