Die Finanzkommission empfiehlt dem Landtag, die Regierung mit weiteren Beratungen über den Ausbau der Landes- bzw. Realschule Vaduz zu beauftragen


Gedruckter Bericht der Finanzkommission an den Landtag, nicht gez. [1]

o.D. (vor dem 19.12.1908)

III. Bericht über die Realschulfrage

(Referent Dr. A. [Albert] Schädler)

Die Studien über diese wichtige Frage sind noch nicht soweit zum Abschlusse gebracht, dass jetzt schon eine definitive Stellungnahme und Beschlussfassung des Landtages erfolgen könnte.

Um jedoch über die bisher von Seite der Landesschulbehörde getanen Schritte unterrichtet zu sein, mögen die diesbezüglichen Schriftstücke dem Landtage vollinhaltlich zur Kenntnis gebracht werden.

Von Seite der fürstlichen Regierung erfolgte am 21. Oktober 1908 [2] folgende Zuschrift:

"Die Angelegenheit betreffend Erweiterung der Landesschule in Vaduz, zu welchem Zwecke der im Vorjahr verstorbene Ingenieur Herr Karl Schädler einen Betrag von 60‘000 Kronen gewidmet hat, hat wiederholt den Gegenstand von Beratungen im Landesschulrat gebildet, der bisher zu einem bestimmten Entschluss noch nicht gelangt ist.

Der einschlägige Bericht des Herrn Schulkommissärs [Johann Baptist Büchel] vom 18. März 1907, [3] welcher Bericht von dem Standpunkt ausgeht, dass eine vierklassige Realschule mit zwei Lehrern zu schaffen wäre, die den Lehrstoff von 5 Klassen der k. k. Oberrealschule in Dornbirn zu bewältigen hätte, wurde in der Sitzung des Landesschulrates vom 26. März 1907 verhandelt und zufolge einstimmigen Sitzungsbeschlusses dem Landesschulratsmitglied Lehrer [Martin Josef] Batliner zum Referate überwiesen.

Das hiernach erstattete Referat [4] desselben wurde in der Landesschulratssitzung vom 4. Juni 1908 eingehend verhandelt, wobei zunächst beschlossen wurde, sowohl das ursprüngliche Referat des Herrn Schulkommissärs wie jenes des Herrn Landesschulratsmitgliedes Lehrers Batliner zu vervielfältigen und je ein Exemplar den Landesschulratsmitgliedern zum weitern Studium einzuhändigen.

In der Landesschulratssitzung vom 15. September 1908 wurde darauf der Beschluss gefasst, dass dem löblichen Landtag die bisherigen Schritte unter Anschluss der erwähnten Referate zur Kenntnis zu bringen wären, was hiemit geschieht.

Zu einer definitiven Stellungnahme in dieser Angelegenheit ist die frstl. Regierung bisher noch nicht gekommen und behält sich die weiteren Schritte je nach dem Ergebnis der Beratungen des Landtages, um deren Einleitung hiemit ersucht wird, vor."

Der Bericht des Landesschulkommissärs J. B. Büchel vom 18. März 1907 lautet:

"Hiemit beehre ich mich, der hohen Regierung in Erledigung des erhaltenen Auftrages den Entwurf eines Lehrplanes [5] für die geplante erweiterte Realschule in Vaduz zu unterbreiten.

Ich habe mir eine Erweiterung der bestehenden sogen. Landesschule zu einer vierklassigen (vierkursigen) Realschule gedacht, sodass zu dem jetzigen Lehrer noch ein zweiter anzustellen wäre und jeder in zwei Jahrgängen zu unterrichten hätte, was bei der voraussichtlich recht geringen Frequenz der Schule wenigstens vorläufig wohl möglich wäre. Dies um so leichter, wenn zwischen den beiden Lehrern die Arbeit nach Fächern geteilt würde.

Um die Lehrer mit Arbeit nicht zu überladen, wurden nur 30 Unterrichtsstunden per Woche angesetzt, also zwei halbe Tage frei gelassen. Es empfiehlt sich das auch im Interesse der Schüler, die bei geringer Anzahl um so intensiver beschäftigt werden dürften.

Da das Lehrziel dieser Schule in keiner Weise genau umgrenzt werden konnte, vielmehr in Berücksichtigung unserer eigentümlichen Verhältnisse mehrere Lehrziele zugleich vor Augen gehalten werden mussten, habe ich bei Abfassung vorliegenden Entwurfes die Lehrpläne von verschiedenen nicht humanistischen Schulen benützt. Was allen gemeinsam ist, wurde ganz aufgenommen, das Spezielle aber soweit möglich. Es soll ja auch keineswegs ausgeschlossen sein, dass, wenn überhaupt die Schule zustande kommt, der Lehrstoff je nach den Verhältnissen, die sich ergeben werden, erweitert oder modifiziert werden wird.

Berücksichtigt wurden die Lehrpläne der Bürgerschule zu Bludenz, der Handelsschule zu Mehrerau, der Oberrealschule zu Dornbirn und der Oberrealschule zu Schwyz.

Vorliegender Entwurf hat für die vier Schuljahre den gleichen Unterrichtsstoff vorgesehen, der an der k. k. Oberrealschule zu Dornbirn in fünf Jahren bewältigt wird. Ich konnte diese Reduktion der Zeit deshalb beantragen, weil wir auf ein weit besseres Schülermaterial hoffen dürfen, als das im allgemeinen ist, das in den ersten Kurs der genannten Realschule eintritt. Was darum im Lehrplan des ersten und zweiten Kurses dieser letztgenannten Schule einen ziemlichen Raum einnimmt, z. B. Grammatik, Rechnen u. a. kann bei unseren Schulverhältnissen in der Landesschule, weil schon bekannt, kurz abgetan werden. Ich setze dabei voraus, dass in diese Schule nur solche Schüler aufgenommen werden, welche die 2. Abt. III. Klasse der Volksschule mit gutem Erfolg absolviert haben.

Vorliegender Entwurf teilt der italienischen Sprache für die ersten drei Jahre wöchentlich 4 Stunden und der französischen Sprache für das vierte Schuljahr wöchentlich 6 Stunden Unterricht zu. Selbstverständlich kann auch das Umgekehrte fixiert werden. Man könnte auch jeder der beiden Sprachen für je zwei Jahre wöchentlich 4 Stunden zuweisen. Im IV. Kurse könnten die übrigen 2 Stunden für die Repetition verwendet werden."

Das Referat des Landesschulratsmitgliedes Lehrer Batliner an die Landesschulbehörde vom Mai 1908 lautet:

"Der ergebenst Gefertigte wurde von dem Chef der Landesschulbehörde in der Sitzung des Landesschulrates vom 26. März 1907 mit dem Auftrage beehrt, über die in Aussicht genommene vierklassige Realschule in Vaduz als Erweiterung der bereits bestehenden Landesschule an der Hand des vom Hochw. Herrn Landesschulkommissär verfassten vorliegenden Entwurfes eines Lehrplanes ein Referat auszuarbeiten.

In Erledigung dieses Auftrages erlaube ich mir, der hoh. Landesschulbehörde folgendes zur Prüfung und Erwägung zu unterbreiten:

Der Hochw. Herr Landesschulkommissär betont in seinem Begleitschreiben, dass das Lehrziel dieser Schule in keiner Weise genau umgrenzt werden könne, vielmehr in Berücksichtigung unserer eigentümlichen Verhältnisse mehrere Lehrziele vor Augen gehalten werden mussten. Die Abfassung eines derartigen Lehrplanes ist nach meiner Ansicht eine schwierige Sache, zumal, wenn man in 4 Jahren den Stoff, der für 5 Jahre in einer selbständigen Realschule vorgesehen ist, bewältigen will und dies nur von zwei Lehrpersonen.

Die Schule hätte also zum mindesten eine Doppelaufgabe zu erfüllen. Sie sollte einerseits für den Übertritt in die 6. Klasse einer Realschule vorbereiten und ihnen andrerseits eine halbwegs abgerundete Ausbildung vermitteln. Nach genommener Durchsicht des Entwurfes des Lehrplanes drängte sich mir die Ansicht auf, dass vorliegender Entwurf nicht ganz konform ist mit dem Lehrplan der Realschule in Dornbirn und dass das im Entwurfe vorgesehene Lehrziel nicht in allen Disziplinen hinreichend ist, um den Übertritt in die Realschule vorzubereiten.

Da die Zeugnisse unserer Landesschule nicht ohne weiteres zum Eintritt in die nächsthöhere Klasse einer gleichstufigen Anstalt eines anderen Staates berechtigen, so ist der Schüler bei seinem Übertritte in eine solche Anstalt gezwungen, eine Aufnahmsprüfung abzulegen, denn davon wird die Aufnahme abhängig gemacht.

Hat nun unsere Schule nicht genau denselben Lehrplan, wie diejenige Anstalt, in welche der Schüler eintreten will, so kann der Schüler diese Prüfung nur schwer oder gar nicht bestehen. Trifft das Letztere ein, so ist es um das Ansehen unserer Schule geschehen. Sie wird trotz der redlichsten Bemühungen der Lehrer der Bevölkerung nicht genügen und auch in der Bevölkerung keinen festen Grund fassen. Ein Vater, der seinen Sohn für einen bestimmten höheren Beruf ausbilden lassen will, wird den Sohn gleich anfangs in eine entsprechende Mittelschule eintreten lassen, wo er für den Beruf vollständig ausgebildet wird.

Diejenigen Eltern aber, welche ihre Kinder, wie man sagt, nicht weiter studieren lassen wollen, sondern ihnen nur eine über das Ziel der Elementarschule hinausreichende allgemeine Bildung angedeihen lassen wollen, werden ihre Kinder auch nicht durch vier Jahre in unserer Realschule belassen. Die Folge wird sein, dass die Frequenz unserer Realschule minimal sein wird, im Verhältnisse der Kosten, die die Erhaltung einer solchen Schule verursacht. Wollen wir, dass die Zeugnisse unserer Anstalt in einem anderen Staat als gleichberechtigt anerkannt werden sollen, so muss ein Übereinkommen getroffen werden, wir müssen, wenn uns in dieser Angelegenheit Anschluss gewährt wird, alle Bedingungen erfüllen, die uns der fremde Staat stellen wird.

Wir müssen unsern Lehrplan ganz konform nach einer bestimmten Anstalt dieses Staates einrichten und dürfen nur von diesem Staate approbierte Lehrkräfte für Mittelschulen anstellen. Die Schuleinrichtung, das Inventar einer solchen Realschule wie naturhistorische, physikalische Lehrmittel, Lehrbehelfe für Chemie sowie die entsprechenden Lehrmittel für die übrigen Unterrichtsgegenstände erfordert einen hohen Kostenaufwand.

Sind die Lehrstellen einmal geschaffen, so bleiben die Auslagen für die Lehrkräfte, ja sie werden noch erhöht durch die Gehaltszulagen, eventuell durch Pensionen, selbst dann noch, wenn die Frequenz dieser Schule auch noch so gering wäre. Nach dem vorgelegten Entwurf ist die Organisation der Schule keine einheitliche und hat somit auch keinen ausgesprochenen Charakter.

In Erwägung aller dieser Umstände erscheint es mir als ein gewagtes Unternehmen, wenn der Staat eine solche Schule ins Leben ruft. Ich verweise auf den Werdegang der Realschule in Dornbirn. Es dauerte dort sehr lange Zeit, bis dieselbe vom Staate übernommen wurde, obwohl in diesem grossen Industrieorte eine grosse Frequenz der Schule sicher war, den Zutritt von den übrigen Orten Vorarlbergs nicht gerechnet.

Meine Ansicht in dieser Schulangelegenheit lautet dahin, mit der Gründung bewusster Anstalt einstweilen noch zuzuwarten, die Sache noch allseitig zu besprechen und erst nach reiflicher Überlegung Hand ans Werk zu legen.

Vielleicht dürfte es für die nächste Zeit noch genügen, wenn der Lehrplan der bestehenden Landesschule erweitert würde und diese Schule in eine zwei- oder dreiklassige gehobene Unterrealschule mit zwei Lehrkräften umgewandelt würde."

Ihre Kommission beschloss, Ihnen folgenden Antrag in dieser Angelegenheit zur Annahme zu empfehlen:

"Der Landtag nimmt Kenntnis von den von der fstl. Regierung in der Angelegenheit betreffend Erweiterung der Landesschule in Vaduz getanen Schritten und von den einschlägigen Berichten des Herrn Schulkommissärs J. B. Büchel vom 18. März 1907 und des Herrn Landesschulratsmitgliedes Lehrer Batliner vom Mai 1908.

Der Landtag erachtet im Interesse des Zustandekommens einer unseren speziellen Verhältnissen und Bedürfnissen entsprechenden Unterrealschule ein weiteres Studium dieser Frage geboten und stellt an die fstl. Regierung das dringliche Ansuchen, es möge diese wichtige Angelegenheit im Landesschulrate demnächst einer nochmaligen Beratung unterzogen werden, damit auf alle Fälle im Laufe des kommenden Jahres eine definitive Stellungnahme und Beschlussfassung des Landtages erfolgen kann." [6]

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[1] LI LA LTA 1908/L01 (Punkt 3 der Tagesordnung des Landtagspräsidiums für die auf den 19. und 21.12.1908 anberaumten Landtagssitzungen). 
[2] Das Schreiben des Landesverwesers Karl von In der Maur an den Landtag findet sich unter LI LA LTA 1908/L08.
[3] Ebenfalls unter LI LA LTA 1908/L08.
[4] Ebd.
[5] Ebd.
[6] Der Kommissionsantrag wurde in der öffentlichen Landtagssitzung vom 19.12.1908 einstimmig angenommen (LI LA LTA 1908/S04/2). Vgl. in weiterer Folge die Kundmachung der Landesschulbehörde bzw. des Landesverwesers Leopold von Imhof vom 9.10.1914, LGBl. 1914 Nr. 8, mit Bestimmungen für die Landesschule Vaduz und deren Lehrplan. Demnach umfasste die Landesschule vorläufig 3 Jahreskurse oder Klassen und hatte die Schüler zum Eintritt in die 4. Klasse einer Oberrealschule vorzubereiten. – In der öffentlichen Sitzung vom 17.11.1910 wurde vom Landtag ein Baukredit von 3000 Kronen zur Erstellung eines Lokals für die Landesschule im Landgerichtsgebäude genehmigt (LI LA LTA 1910/S04/2).