Der liechtensteinische Geschäftsträger in Bern Emil Beck teilt dem Eidgenössischen Politischen Departement mit, dass die liechtensteinische Regierung den Änderungen im neuen Entwurf für einen Zollvertrag zustimmt


Diplomatische Note des liechtensteinischen Geschäftsträgers in Bern Emil Beck an das Eidgenössische Politische Departement [1]

Bern, 13. März 1923

Dem Eidgenössischen Politischen Departement beehrt sich die Fürstlich Liechtensteinische Gesandtschaft, im Auftrag der Fürstlichen Regierung den Empfang der geschätzten Note B 14/24/P 4 III — FI. vom 18. Januar dieses Jahres [2], mit welcher das Politische Departement der Fürstlichen Gesandtschaft einen neuen Entwurf eines Vertrages über den Zollanschluss des Fürstentums an die Eidgenossenschaft übermittelte, zu bestätigen und bestens zu verdanken.

1. Die Fürstliche Regierung ist sehr erfreut, feststellen zu können, dass dieser neue Entwurf allen ihren Wünschen in den wesentlichen Punkten Rechnung trägt.

In diesem Sinne begrüsst sie namentlich den zu Art. 1 beigefügten zweiten Absatz, welcher die volle Freiheit der Ein- und Ausfuhr über die schweizerisch-liechtensteinische Grenze ausdrücklich feststellt, die in Art. 8 statuierte Anhörung der Fürstlichen Regierung bei Abschluss von Handels- und Zollverträgen mit Österreich, die Verweisung des Spielbankartikels (bisher Art. 9) ins Schlussprotokoll und die Einfügung einer Schiedsgerichtsklausel in Art. 43.

2. Inbezug auf eine Reihe weiterer Vorschläge der Fürstlichen Regierung, welche der hohe Bundesrat nicht glaubte akzeptieren zu können, vermag die Fürstliche Regierung die Erwägung des Politischen Departementes zu würdigen, und sie ist gerne bereit, der Auffassung des Schweizerischen Bundesrates in diesen Punkten beizutreten.

Demgemäss wird auf Grund von Art. 4 im Fürstentum die anwendbare Bundesgesetzgebung in gleicher Weise wie gegenüber Kantonen zur Durchführung gelangen. Dabei wird gerne Kenntnis davon genommen, dass in den Ausführungsvorschriften, soweit die Übergangsbestimmungen der einzelnen Gesetze und Verordnungen nicht ausreichen sollten, gegebenenfalls eine besondere Anpassungsfrist zur Vermeidung von Härten vorgesehen werden kann, wie dies namentlich etwa inbezug auf das Fabrikgesetz notwendig werden könnte.

Die im neuen Art. 5 vorgesehene Möglichkeit der Einführung der schweizerischen Patent- und Markenschutzgesetzgebung begegnet keinen Bedenken.

Ebenso ist die Fürstliche Regierung durchaus damit einverstanden, dass in Art. 15die bisherige Fassung beibehalten wird, damit die Eidgenössische Zollverwaltung die nötige Freiheit in ihren Anordnungen hat, und sie zweifelt nicht, dass diese sich dabei nur von den Grundsätzen des Rechts und der Billigkeit leiten lassen wird. Dasselbe gilt auch für Art. 26 betr. die Anstellung von Liechtensteinern im Zolldienst.

Den Antrag, in Art. 20 für die Grenzwächter im Fürstentum Liechtenstein eine liechtensteinische Kokarde einzuführen, kann die Fürstliche Regierung ohne Bedenken fallen lassen, da die Souveränität des Fürstentums in anderer Weise deutlich dokumentiert wird.

Auch mit der in Art. 27 und 28 vorgesehenen Regelung, wonach das St. gallische Kantonsgericht als zweite Instanz bei Strafverfahren wegen Verletzung der im Fürstentum anwendbaren Bundesgesetzgebung bestimmt wird, kann die Fürstliche Regierung sich einverstanden erklären.

Hinsichtlich des Anteils des Fürstentums an den schweizerischen Einnahmen aus Zöllen und indirekten Steuern (Art. 35) nimmt die Fürstliche Regierung unter bester Verdankung Kenntnis davon, dass die schweizerischen Behörden Wert darauflegen, dem Fürstentum im vollen Umfange den Gegenwert der durch die Bundesgesetzgebung übernommenen Verpflichtungen zukommen zu lassen, und sie ist auch ihrerseits überzeugt davon, dass sich ein Weg für die gerechte Verteilung der Einnahmen finden lassen wird.

Was sodann die Frage betrifft, ob die in Art. 15 vorgesehene Zollabfertigung ohne Einfluss auf die Entschliessungen der Österreichischen Regierung bezüglich der Beibehaltung oder Verlegung des Zollamtes Buchs sei, so scheint die Österreichische Regierung diese beiden Fragen nunmehr, entgegen einer früheren Mitteilung, in Zusammenhang bringen zu wollen. Die Fürstliche Regierung wird aber nicht verfehlen, an zuständiger Stelle darauf hinzuweisen, dass durch den Zollanschluss Liechtensteins und die in Art. 15 vorgesehene Zollabfertigung die Beibehaltung des österreichischen Zollamtes in Buchs nicht erschwert, sondern im Gegenteil erleichtert wird, indem ohne einen solchen Zollanschluss sich zwischen dem österreichischen Zollamt in Buchs und der österreichischen Grenze ein drittes (das liechtensteinische) Zollgebiet einschiebt, was die Verbindung mit dem Buchser Zollamt sicher nicht erleichtern, sondern nur erschweren kann.

3. Der Entwurf sieht in den Art. 33 und 34 inbezug auf die Fremdenpolizei die Lösung vor, dass trotz der Aufhebung der fremdenpolizeilichen Kontrolle an der schweizerisch-liechtensteinischen Grenze das Fürstentum doch die eigene Gesetzgebung inbezug auf Fremdenpolizei, Niederlassung, Aufenthalt, Einbürgerung usw. beibehält solange sich nicht daraus eine Umgehung der schweizerischen Bestimmungen ergibt. Diese Lösung scheint der Fürstlichen Regierung sehr zweckmässig zu sein und sie wird ihrerseits nichts unterlassen, um eine Umgehung der schweizerischen Gesetzgebung zu vermeiden. Sie kann sich daher auch damit einverstanden erklären, dass die Grenzkontrolle an die schweizerisch-liechtensteinische Grenze zurückverlegt wird und sie die daraus erwachsenden Mehrkosten zu tragen hat, wenn durch ihr Verschulden diese Rückverlegung der Kontrolle notwendig wird, worüber der Schweizerische Bundesrat allein entscheidet.

Mit der materiellen Lösung der Frage ist somit die Fürstliche Regierung durchaus einverstanden. Dagegen wäre es ihr aus taktischen Gründen sehr erwünscht, wenn diesen Gedanken eine andere Formulierung gegeben werden könnte, aus welcher vor allem deutlich hervorgeht, dass bei Inkrafttreten des Zollvertrages die fremdenpolizeiliche Kontrolle an der schweizerisch-liechtensteinischen Grenze aufgehoben und nur noch an der liechtensteinisch-vorarlbergischen Grenze durch das Zollpersonal unentgeltlich ausgeführt wird solange liechtensteinischerseits die nötigen Massnahmen für die Verhinderung einer Umgehung der schweizerischen Gesetzgebung getroffen werden. In diesem Sinne, als bloss redaktionelle Änderung, gestattet sich die Fürstliche Gesandtschaft, für die Art. 33 und 34 folgende Fassung vorzuschlagen:

„Art. 33: Die Schweizerische Eidgenossenschaft erklärt sich bereit, auf die Ausübung der fremdenpolizeilichen Grenzkontrolle an der liechtensteinisch-schweizerischen Grenze zu verzichten, sofern und solange das Fürstentum Liechtenstein dafür Sorge trägt, dass die Umgehung der schweizerischen Vorschriften über Fremdenpolizei, Niederlassung, Aufenthalt usw. vermieden wird.

Die schweizerischen Zollorgane werden solchenfalls die fremdenpolizeiliche Grenzkontrolle an der Liechtensteinisch-vorarlbergischen Grenze auf Grund von Vereinbarungen der beiden Regierungen unentgeltlich durchführen.

Sollte indessen durch besondere, vom Schweizerischen Bundesrate nicht verlangte Massnahmen der Liechtensteinischen Regierung das Zollpersonal für die Durchführung der Grenzkontrolle vermehrt werden müssen, so hat die Fürstliche Regierung die daraus entstehenden Kosten zu tragen.

Die endgültige Entscheidung darüber, ob die vom Fürstentum Liechtenstein gemäss Absatz 1, 3 getroffenen Massnahmen genügend sind, steht ausschliesslich dem Schweizerischen Bundesrate zu.

Über die Ausführung dieses Artikels werden sich die beiden Regierungen sowohl im allgemeinen wie bei Anständen im einzelnen Fall verständigen.

Art. 34: Die Schweizerische Eidgenossenschaft behält sich vor, die fremdenpolizeiliche Grenzkontrolle wieder an der schweizerisch-liechtensteinischen Grenze vorzunehmen, wenn die vom Fürstentum Liechtenstein getroffenen Massnahmen vom Bundesrate als ungenügend erachtet werden.

Das Fürstentum Liechtenstein verpflichtet sich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft solchenfalls die Kosten zu ersetzen, welche daraus entstehen, dass die fremdenpolizeiliche Grenzkontrolle an der schweizerisch-liechtensteinischen Grenze durchgeführt werden muss.“

Die in Art. 37 vorgesehene Regelung, wonach die eidgenössische Stempel- und Kuponssteuer im Fürstentum durch die Eidgenössische Steuerverwaltung erhoben und der Betrag der daraus erzielten Reineinnahmen aber der Fürstlichen Regierung nach Abzug von 10% Verwaltungskosten ausgefolgt wird, findet die volle Zustimmung der Fürstlichen Regierung. Nachdem dieselbe aber unter der Herrschaft des früheren Steuergesetzes mit einer Reihe von Handelsgesellschaften Pauschalierungen inbezug auf die Stempel- und Kuponssteuer auf längere Frist hinaus vereinbart hat und diese wohlerworbenen Rechte anerkennen muss, möchte sie vermeiden, dass die Stempel- und Kuponssteuer auf diese Gesellschaften zur Anwendung gelangt, soweit dies durch die Pauschalierung ausgeschlossen worden ist. Es versteht sich dabei von selbst, dass künftig keine solchen Vereinbarungen getroffen werden, die dem schweizerischen Gesetz nicht entsprechen. Sie sind übrigens schon durch das neue Steuergesetz ausgeschlossen. Nachdem die Berücksichtigung dieser wohlerworbenen Rechte ein Gebot der Notwendigkeit ist und der Respektierung der schweizerischen Gesetzgebung keinen Eintrag tut, dürfte ein entsprechender Vorbehalt wohl keine Schwierigkeiten bieten.

Die Fürstliche Regierung möchte daher vorschlagen, in das Schlussprotokoll eine Bestimmung etwa in der folgenden Formulierung aufzunehmen:

„Art. IIa. Es besteht Einverständnis darüber, dass auf die Erhebung von Stempelabgaben auf Grund der Eidgenössischen Stempelgesetzgebung im Fürstentum Liechtenstein in denjenigen Fällen verzichtet wird, wo dieser Erhebung bestimmte, vor dem 27. Januar 1923 eingegangene Verpflichtungen der Fürstlichen Regierung entgegenstehen.“

Zusammenfassend freut sich die Fürstliche Gesandtschaft, feststellen zu können, dass die Fürstliche Regierung den vom Politischen Departement vorgelegten Entwurf unverändert akzeptiert und ihr nur eine redaktionelle Änderung der Art. 33 und 34 und die Einfügung einer Übergangsbestimmung inbezug auf Stempel- und Kuponssteuerpauschalierungen erwünscht wäre. Sie weiss diesen neuen Beweis der Schweizerischen Eidgenossenschaft, den liechtensteinischen Interessen möglichst gerecht zu werden und ein Vertragsverhältnis zu schaffen, das der wirtschaftlichen Entwicklung und den gegenseitigen Beziehungen der beiden Länder zum Vorteil gereichen wird, besonders zu schätzen und sie wird ihrerseits nichts unterlassen, was diesem Zwecke dienen kann.

Die Fürstliche Gesandtschaft beehrt sich beizufügen, dass der fürstliche Geschäftsträger, Herr Dr. Beck, die Unterzeichnung des Vertrages und des Schlussprotokolles im Namen Seiner Durchlaucht des regierenden Fürsten von Liechtenstein zu vollziehen ermächtigt ist. Sie wäre dem Politischen Departement sehr zum Dank verpflichtet, wenn es dieselbe auf einen möglichst baldigen Termin ansetzen wollte, [3]und sie benützt gerne diesen Anlass, das Politische Departement erneut ihrer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

 

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[1] CH BAR E 2001 (B) 4/5. Die Textwiedergabe hier erfolgt aufgrund der Edition der DDS Bd. 8, Nr. 263, S. 705-708.
[2] Nicht wiedergegeben.
[3] Der Vertrag wurde am 29.3.1923 unterzeichnet und trat am 1.1.1924 in Kraft. Der Liechtensteinische Landtag stimmte ihm am 26.5.1923 einstimmig zu, der Ständerat stimmte ihm am 4.10.1923 und der Nationalrat am 23.12.1923 zu.